Auf der Hauptbühne der DMEA, einer Fachmesse für die digitale Gesundheitsversorgung, kündigte Jens Spahn (CDU) in seiner damals neuen Rolle als Bundesgesundheitsminister im Jahr 2019 die Gründung des health innovation hub (hih) an. Die Idee: Expertinnen und Experten von außen stellen als unabhängiges Gremium ihr Wissen und ihre Erfahrung für befristete Zeit dem Staat zur Verfügung. Dabei sollte der hih Think Tank, Sparring Partner, Umsetzungsunterstützer und Brückenbauer zwischen allen relevanten Stakeholdern des deutschen Gesundheitssystems sein. Eine klare Mission, getragen durch ein kompetentes, hochvernetztes Team und einen modernen Auftritt. Galt es doch, für das deutsche Gesundheitswesen den digitalen Aufbruch in neue Zeiten und gleichzeitig den aktiven Ausbruch aus etablierten Strukturen zu vollziehen.
Die Botschaft war klar: „Wir bringen den digitalen Fortschritt in die Gesundheitsversorgung!“. Schneller, besser, aber vor allem agil und unabhängig wollte der hih die digitale Revolution im deutschen Gesundheitswesen beschleunigen. Konsequent richteten sich die Aktivitäten mit ihrer breiten Themenvielfalt dann auch an (fast) alle Stakeholder im Gesundheitswesen.
Schaufenster der erfolgreichen Digitalisierungspolitik
Der offene Dialog, Innovationsfreude und in erster Linie die fundierte Arbeit der Expertinnen und Experten des hih rückten schnell die digitalen „Pain-Points“ des deutschen Gesundheitssystems in den Mittelpunkt. Gemeinsam wurden Lösungen gesucht, entwickelt und angestoßen, zum Beispiel im Bereich der Interoperabilität. Dabei wurde der Austausch auch für neue Stakeholdergruppen geöffnet. Ausdrücklich willkommen waren zum Beispiel junge, innovative und „disruptive“ Start-ups wie die Anbieter der digitalen Gesundheitsanwendungen. Eine Fokussierung, die im Laufe der Zeit stark zunahm und begann, andere relevante Themen zu überstrahlen. So findet sich die Pflege mit ihren Kernthemen in den Aktivitäten des hih nur in sehr begrenztem Umfang wieder. Teilweise entstand der Eindruck, dass ganz bewusst der politische Blick auf ein digitales Wunderland gerichtet wurde, um auszublenden, wie das realexistierende Gesundheitssystem der Bundesrepublik funktioniert.
So wurde der hih mehr und mehr zum gefühlten Schaufenster der erfolgreichen Digitalisierungspolitik von Jens Spahn, der hier in erster Linie eine Plattform für seine Meilensteinprojekte schaffen wollte. Dass dabei der offene, zielorientierte Austausch in den Hintergrund trat, empfanden wir als sehr bedauerlich. Vor allem für das Team des hih, dessen Arbeit durch einen hohen Praxisbezug und unabhängige Meinungen wichtige Denkanstöße in die Gesundheitsbranche geben konnte.
Was bleibt nach drei Jahren health innovation hub? Ein Gesundheitssystem, dessen Kapazitäten aktuell bis an die Höchstgrenzen belastet werden und das gleichzeitig vor einer der größten digitalen Umwälzungen der letzten Jahrzehnte steht. Ein Gremium wie der hih kann hier ein echter „Gamechanger“ sein, wenn es wirklich unabhängig von politischen Interessen ohne Agenda wirken kann. Dazu gehört es auch, die Meinung der Expertinnen und Experten zu respektieren. So lassen sich auf Fachebene pragmatische Digitallösungen finden, die die gesamte Gesundheitsversorgung verbessern können und damit auch den Patientinnen und Patienten zugutekommen. Den Grundstein dafür hat das hih in seinen vielfältigen Rollen gelegt. Meistens innovativ, manchmal auch politisch gesteuert, immer aber mit spürbarem „Start-up-Spirit“.
Sebastian Zilch ist Geschäftsführer des Bundesverbandes Gesundheits-IT (bvitg e.V.).