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Gesundheit & E-Health

Standpunkte Ein Weckruf für den Apothekenmarkt

Christian Rebholz und Conrad Heider
Christian Rebholz und Conrad Heider Foto: Simon-Kucher & Partners

Unter dem Namen „Amazon Pharmacy“ hat der Online-Versandhändler Amazon seinen eigenen Apothekendienst in den USA eingeführt. Für den deutschen Pharmaziemarkt sollte das ein Weckruf sein: Worauf Apotheken und Hersteller nun achten müssen.

von Christian Rebholz und Conrad Heider

veröffentlicht am 08.12.2020

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Amazon auf neuen Pfaden: Am 17. November diesen Jahres hat der Konzern in den USA mit Amazon Pharmacy einen eigenen Apothekendienst auf den Markt gebracht. Neben dem Verkauf rezeptfreier Medikamente bietet das Unternehmen mit dem neuen Service seinen Kunden auch die Lieferung von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln, für Prime-Kunden ist dies sogar kostenlos. Dafür müssen Kunden ein Profil mit Versicherungs- und medizinischen Informationen erstellen. Bislang beschränkt sich dieser Vorstoß in den Healthcare-Markt auf die USA (und ein Pilotprojekt in Indien), eine Expansion in andere Länder ist aber bereits geplant. 

Deutschland lukrativ für Amazon 

Der deutsche Pharmaziemarkt wäre für Amazon ein sehr attraktives Betätigungsfeld. Amazon hat bereits außerhalb des Apothekenmarktes eine hohe Marktdurchdringung und die damit einhergehende breite Datengrundlage und Kundenbasis im Handel. Hinzu kommt, dass der deutsche Apothekenmarkt mit einem Gesamtumsatz von knapp 60 Milliarden Euro und der Einführung des e-Rezeptes Mitte nächsten Jahres auch langfristig hohe Wachstumschancen für Amazon bietet. 

In den USA zeichnet sich Amazon Pharmacy durch eine sehr ambitionierte und aggressive Strategie aus und setzt dabei auf vorausschauende Verträge mit einem Großteil der Versicherer, hohe Rabatte auf Medikamente und das Ziel, eine umfassende, eigene Gesundheitsplattform aufzubauen. Was würde ein ähnlich forscher Ansatz für den deutschen Markt bedeuten? Die Implikationen wären für alle Stakeholder enorm – von der stationären Apotheke über Online-Apotheken und -Plattformen bis zum Pharma-Hersteller. 

Apotheken müssen ihre digitale Customer Journey ausbauen 

Die Apothekenlandschaft stände bei einem erfolgreichen Markteintritt von Amazon vor tiefgreifenden Veränderungen. Betroffen sind dabei nicht nur stationäre Apotheken, die ihr Geschäftsmodell auch unabhängig von Amazon hin zu mehr digitalen Angeboten überdenken sollten. Auch die bereits existierenden Apothekenplattformen wie IhreApotheken.de müssen frühzeitig für eine starke Kundenbasis sorgen, um sich so gegen Amazon zu behaupten. Wie in anderen Plattformgeschäften wird auch hier ein starker Trend zur Konsolidierung wahrscheinlich: Es wird eine Apothekenplattform geben, die den Markt dominiert und eventuell noch einige wenige mit Nischen-Angebot – „the winner takes it all“. 

Amazon hat beste Voraussetzungen, dieser „winner“ zu sein, schließlich verzeichnet das Unternehmen heute in Deutschland bereits mehr als 40 Millionen Kunden, davon mehr als 17 Millionen Prime-Kunden. Genau hier liegt Amazons Vorteil: Diese Kunden sind es gewohnt, dort zu bestellen, eine enorme Reichweite ist bereits vorhanden und auch die verfügbaren Kundendaten sind Gold wert. Technische Infrastruktur sowie Online-Verkaufsprozesse müssen von Amazon nicht erst mühsam aufgebaut werden, stattdessen kann der Kunde mit einem Klick bestellen, denn die Zahlungsinformationen sind meist auch schon hinterlegt.

Auf der Anbieterseite lockt Amazon mit einem umfassenden Angebot, das es auch kleinen Apotheken leicht macht, ihre Waren anzubieten – Fullfillment by Amazon oder Amazon Advertising sind Services, die deutsche Apothekenplattformen in diesem Rahmen noch nicht bieten können. Um dagegen zu bestehen, sollten deutsche Plattformen ihre Kernkompetenzen nutzen und sich auf Alleinstellungsmerkmale wie die bereits vorhandene Nähe zu stationären Apotheken, exzellente Prozesse und vor allem die optimale Kundenansprache konzentrieren.  

Pharma-Hersteller sollten in Markenbildung und Kundenbeziehungen investieren 

Auch die Hersteller von Medikamenten geraten durch einen potentiellen Launch von Amazon Pharmacy in Deutschland unter Druck: Durch Amazons Private Label „basic care“ kann das Unternehmen viele Standardmedikamente zu niedrigen Preisen anbieten und somit indirekt den Preisdruck erhöhen. Es ist wahrscheinlich, dass „basic care“ eine der meistgekauften Generika-Marken online würde – vor allem bei stark nachgefragten Kategorien wie Schmerzmitteln. Welche das sind, wüsste Amazon natürlich durch seine bewährten Kundenanalysen, wie sie in anderen Kategorien bereits Anwendung finden. 

Auch von dem Konzern bereits angebotene Services wie Bestellungen via Sprachassistent Alexa oder Abonnement-Modelle könnten in Zukunft den Bestellprozess grundlegend beeinflussen. Die Möglichkeiten sind dabei vielfältig, denn Amazon lernt seinen Kunden immer besser kennen und somit auch seine Bedürfnisse und Krankheiten.  

Hersteller müssen also von Anfang an ihre Strategie anpassen, um das mögliche Umsatzpotenzial beim Verkauf ihrer Waren über Amazon zu nutzen, gleichzeitig aber auch aufpassen nicht in eine Abhängigkeit zu geraten. Das Kernelement einer solchen Strategie muss vor allem eine starke, differenzierte Marke sein, die jedoch Investitionen in gezieltes Marketing und kanalübergreifende direkte Kundenansprache nötig macht.  

Amazon Pharmacy: Wie könnte es weitergehen?  

Doch ein Launch von Amazon Pharmacy hätte natürlich nicht nur kurzfristige Folgen für den deutschen Apothekenmarkt. Betrachtet man die üblichen Wachstumszahlen von Amazon, sind mittelfristige Marktanteile von bis zu 40 Prozent keine Seltenheit. Sollte dies auch bei einem Launch von Amazon Pharmacy in Deutschland der Fall sein, ist es für Apotheken und Plattformen umso wichtiger, sich zu positionieren und mit exzellenten Prozessen und eigenen Alleinstellungsmerkmalen zu überzeugen, wie einer reibungslosen Abwicklung von e-Rezepten oder einem stark differenzierten Sortiment. Insbesondere beim Thema e-Rezept können deutsche Spieler (je nach aktueller Gesetzeslage) punkten: Durch die Integration des e-Rezepts in die eigenen Prozesse und den Aufbau von Ökosystemen mit Ärzten und Krankenkassen erhält der Kunde eine nahtloses Versorgungserlebnis, welches im besten Fall den Unterschied ausmacht.  

Auch Hersteller können Amazon nicht ignorieren; sie müssen sich darüber klar werden, wie stark sie mit Amazon interagieren wollen. Haben sie Alternativen um Kunden zu erreichen? Welche Konsequenzen hätte die starke Fokussierung auf Amazon für das eigene Unternehmen? Je nachdem wie die Antworten ausfallen, müssen Organisationsstruktur, Marke und langfristige Strategie hinterfragt werden. Was voraussichtlich bleibt, ist die Qual der Wahl: Entweder mit Amazon wachsen oder sich unabhängig behaupten. Letzteres ist nicht unmöglich – aber wird eine Herkulesaufgabe werden.  

Christian Rebholz (München) und Conrad Heider (Hamburg) sind Partner bei Simon-Kucher & Partners. Mitarbeit: Jan Merkel, Senior Director bei Simon-Kucher & Partners in Köln. 

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