Gesundheit ist nicht nur dank der omnipräsenten Corona-Pandemie ein Dauerthema. Schließlich ist Gesundheit nicht nur die Abwesenheit von Krankheit. Auch Prävention, gesunde Lebensführung, frisches Aussehen, Lebensfreude und Energie – alles Themen, die in einer alternden Gesellschaft wie der unsrigen immer mehr Bedeutung erlangen. Und viele Unternehmen wollen jetzt einen Anteil an diesem wachsenden Markt. Heilpraktiker, Osteopathen, Online-Fitnesskurse, Ernährungscoaches, Energieberater, Nahrungsergänzungsmittel-Shops und sogar Engelsheiler bieten Selbstzahler-Dienstleistungen an. Der sekundäre Gesundheitsmarkt wächst enorm und es werden laut einer PWC-Studie Milliarden umgesetzt.
Traditionelle Leistungserbringer stehen dem momentan mehr oder weniger ratlos gegenüber. Scheinbar gefesselt in Regulatorik und Abrechnungssystematik sehen sie dem Treiben wie gelähmt zu. Besonders bitter ist dies für die Apotheken. Denn diese werden bereits durch die Versandapotheken massiv unter Druck gesetzt. Sie ächzen unter Fachkräftemangel und die Leitlinienmedizin nimmt ihnen mehr und mehr Kompetenzen. Und wenn das E-Rezept kommt, wird dieser Druck nochmal massiv steigen. Es droht das Szenario, unter dem der stationäre Einzelhandel schon vor ein paar Jahren massiv gelitten hat: Der „Zwischenhändler“ Apotheke wird einfach ausgeschaltet. Zwischen Verschreibung und Versand liegt dann kein Beratungsgespräch mehr, sondern nur ein „Swipe“ in der App. Mit den Versendern und auch dem Einstieg von Unternehmen wie Douglas ins Apothekengeschäft wird die Kundenerfahrung und Logistik dahinter hochprofessionell. Auch große Tech-Konzerne wie Amazon sind seit längerem dabei in Feldern, wie beispielsweise bei der apothekenexklusiven Kosmetik, den eigenen Markteintritt vorzubereiten. Ich glaube: Viele Apotheker haben noch gar nicht verstanden, welcher Sturm da aufziehen wird.
Apotheker:innen sollten ihr Fachwissen vermarkten
Die fachliche Beratung durch Apotheker:innen – von Angesicht zu Angesicht – wird aber durch nichts zu ersetzen sein. Denn es gibt viele Beispiele, wo Betroffene von pharmazeutischem Wissen profitieren können. Es gibt Apotheker und Apothekerinnen, die spezialisiert auf Themen sind, sei es Onkologie, Darmgesundheit oder Neurodermitis. Andere sind zusätzlich auch noch Heilpraktiker oder spezialisiert auf Pflanzenheilkunde. Genau da, wo Heilpraktiker und ähnliche Leistungserbringer aktuell den Markt bedienen – mit einer, sagen wir mal „nicht immer lupenreinen Fachkompetenz“. Hier könnten Apotheker so vielen Betroffenen weiterhelfen und haben so viel mehr Fachkompetenz zu bieten.
Aber es bringt nichts in den Sturm zu rufen „Hey wir können mehr als ihr denkt!“. Apotheken müssen nun aktiv damit beginnen Beratungsdienstleistungen zu vermarkten. Ich glaube allerdings nicht daran, dass diese dann über den Verkauf von Kosmetika und Medikamenten zu monetarisieren sind. Auch hier der Vergleich mit dem Einzelhandel: „Beraten und anschauen vor Ort, kaufen dann im Internet“ hat viele Existenzen gekostet.
Apotheken müssen sich stark umstellen
Was ich darüber hinaus besonders gravierend finde: Der Staat hat eigentlich in den Zuschlägen auf den Medikamentenpreis die Beratungsleistung durch die Apotheken eingepreist. Diese Beratung findet dann aber zukünftig de facto gar nicht mehr statt oder wird nur noch pro forma angeboten, um gesetzlichen Bestimmungen gerecht zu werden.
Wir, und damit meine ich auch die Apotheker, die mit uns zusammenarbeiten, glauben, dass es neue Wege geben wird, wie Apotheken ihre Expertise monetarisieren können. Diese werden das bestehende Angebot ergänzen. Apotheker müssen sich stark umstellen und verschiedene Einkommensströme parallel managen. Aber sie haben auch einen unschätzbaren Vorteil, den der Einzelhandel so nicht hatte: Vertrauen. Gesundheit ist keine Jacke. Bei Gesundheit geht es um zuhören, teilhaben, mitfühlen, abwägen und nicht nur um harte Fakten. Und das Vertrauen in Apotheker ist noch hoch. Viel Zeit haben Apotheken aber nicht mehr, sich auf die neue Zeit einzustellen.
Pascal Lauscher ist Co-Founder und Chief Marketing Officer von appoco.de, einer Plattform, die es sich zur Aufgabe gemacht hat die Beratungskompetenz von Apothekern und Apothekerinnen zu vermarkten.