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Standpunkte Impfverweigerer: Was dürfen Arbeitgeber?

Inka Müller-Seubert, Rechtsanwältin bei der Wirtschaftskanzlei CMS Deutschland
Inka Müller-Seubert, Rechtsanwältin bei der Wirtschaftskanzlei CMS Deutschland Foto: JOCAO/Joachim_Weber

Was können Arbeitgeber tun, wenn ihre Angestellten sich nicht gegen das Coronavirus impfen lassen wollen? Die Rechtsexpertin Inka Müller-Seubert klärt auf: Kündigungen und Maßregelungen sind in den meisten Fällen nicht möglich, Anreize hingegen schon. Für Beschäftigte im Gesundheitswesen gelten jedoch weitere Regeln.

von Inka Müller-Seubert

veröffentlicht am 08.07.2021

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Das Impftempo in Deutschland hat an Fahrt aufgenommen. Mittlerweile haben über 55 Prozent der Deutschen die Erstimpfung erhalten. Dennoch stellt sich trotz steigender Impfquote vor dem Hintergrund immer neuer Mutationen die Frage, wie arbeitsrechtlich mit Impfverweigerern umgegangen werden kann. Vor allem im sensiblem Gesundheitsbereich kommt immer wieder der Wunsch seitens des Arbeitgebers auf, entsprechend auf seine Mitarbeiter einzuwirken.

Medienberichten zufolge droht etwa ein Klinikum aus Rheinland-Pfalz mit arbeitsrechtlichen Maßnahmen, sobald sich die Mitarbeiter nicht gegen das Coronavirus impfen lassen. Konkret wurde über Kündigungen in der Probezeit, der Impfung als Einstellungskriterium, keine Führungsaufgaben für Ungeimpfte – verbunden mit Gehaltseinbußen – und die Teilnahme an externen Veranstaltungen, zum Beispiel Tagungen, nur für Geimpfte, nachgedacht.

Doch was ist arbeitsrechtlich überhaupt zulässig und inwieweit kann der Arbeitgeber hinsichtlich einer Impfung auf den Arbeitnehmer Einfluss nehmen?

Frage nach Impfstatus nur im medizinischen Bereich erlaubt

Lediglich im medizinischen Bereich, zum Beispiel in Krankenhäusern, Arztpraxen, ambulanten Pflegediensten, steht dem Arbeitgeber ein Auskunftsrecht über den Impfstatus seiner Belegschaft zu. Dies soll ihm in den besonders gefährdeten Bereichen die Möglichkeit verschaffen, über Einstellungen und auch die Art und Weise der Beschäftigung zu entscheiden und so einer Weiterverbreitung des Virus entgegenzuwirken.

Bewerber und Arbeitnehmer in dieser Branche haben auf eine entsprechende Frage wahrheitsgemäß zu antworten. Damit ist es dem Arbeitgeber möglich, die Impfung zum Einstellungskriterium zu machen.

Maßregelung verboten

Sanktionen ungeimpfter Mitarbeiter sind insbesondere am Maßregelungsverbot des § 612a BGB zu messen. Danach darf der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer nicht benachteiligen, weil der Arbeitnehmer in zulässiger Weise seine Rechte ausübt.

Da der Arbeitnehmer bei der Verweigerung der Impfung regelmäßig seine Grundrechte sachgemäß ausübt, kann die Impfunwilligkeit grundsätzlich keine Grundlage für Sanktionen seitens des Arbeitgebers sein. Ein Ausschluss von Veranstaltungen, bei denen das Risiko durch Einhalten des Mindestabstands oder das Tragen von Mund-Nase-Bedeckungen minimiert werden kann, dürfte daher unwirksam sein.

Sanktionen sind nur dann möglich, wenn die Weisung des Arbeitgebers gegenüber seinen Mitarbeitern, nur im geimpften Zustand arbeiten zu dürfen, ausnahmsweise als verhältnismäßig und damit rechtmäßig anzusehen ist. Im Bereich der Gesundheits- und Pflegeleistungen haben Beschäftigte regelmäßig intensiven Kontakt zu Personen, bei denen aufgrund von Vorerkrankungen eine hohe Wahrscheinlichkeit eines schweren oder sogar tödlichen Krankheitsverlaufs besteht. Hier hat der Arbeitgeber aufgrund der gegenüber seinen Vertragspartnern – den Patienten und Kunden – bestehenden Schutzpflichten ein legitimes Interesse daran, seine Vertragspartner bestmöglich zu schützen. Vor diesem Hintergrund ist es wohl gerechtfertigt, ungeimpfte Mitarbeiter im medizinischen und pflegerischen Bereich nicht zu befördern, wenn sie Patientenkontakt haben.

Kündigung nur im Ausnahmefall

Nur im Ausnahmefall, wenn der Arbeitnehmer dauerhaft nicht ohne Gefahr für sich oder andere beschäftigt werden kann, ist eine Kündigung denkbar.

Dies dürfte allein in Berufsfeldern, in denen die Arbeitnehmer in direktem Kontakt zu besonders schutzbedürftigen und gefährdeten Vertragspartnern des Arbeitgebers stehen, der Fall sein. Zu nennen sind dabei insbesondere Teilbereiche der Pflege- und Gesundheitsbranche, in denen Patienten auf Intensivstationen, in Altenheimen und Geburtsstationen von den Arbeitnehmern betreut werden.

Da die Kündigung stets das „letzte Mittel“ ist, hat der Arbeitgeber jedoch zunächst anderweitige Beschäftigungsmöglichkeiten im Betrieb zu prüfen. Als regelmäßig problematisch wird sich auch die erforderliche „negative Zukunftsprognose“ erweisen. Die verbleibende Dauer der Pandemie ist ungewiss und mit ihrer Beendigung fallen die in der Person des Arbeitnehmers fehlenden Voraussetzungen für einen Arbeitseinsatz wieder weg. Eine wirksame Kündigung impfunwilliger Mitarbeiter wird sich daher praktisch nur schwer durchsetzen lassen. 

Einfacher stellt sich demgegenüber eine Kündigung Impfunwilliger in der Probezeit dar. Der Arbeitgeber kann das Arbeitsverhältnis mit einer Frist von zwei Wochen, soweit tarifvertraglich nichts anderes bestimmt ist, ohne Angabe eines Grundes durch eine ordentliche Kündigung beenden.

Anreiz statt Sanktion

Eine breit angelegte Impfpflicht für Arbeitnehmer besteht in Ermangelung einer gesetzlichen Anordnung nicht und ist in Anbetracht der hohen Impfbereitschaft auch nicht zu erwarten.

Dem Arbeitgeber bleibt es jedoch unbenommen, finanzielle Anreize für die Wahrnehmung von Impfangeboten schaffen. Diese können etwa in Form von einmaligen Bonuszahlungen, Sachgeschenken oder durch Gewährung von Sonderurlaub erfolgen.

Inka Müller-Seubert ist Rechtsanwältin bei der Wirtschaftskanzlei CMS Deutschland. Sie berät Unternehmen, vom internationalen Konzern bis zum mittelständischen Unternehmen, in allen Fragen des Individual- und Kollektivarbeitsrechts sowie des Dienstvertragsrechts.

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