Das urbane Leben hat sich im Zuge der Corona-Pandemie spürbar gewandelt. Die Krise hat den digitalen Vernetzungsanspruch bereits jetzt in zahlreichen Bereichen erhöht. Das Verschwimmen von Wohnen, Arbeiten und Bildung, digitale Konversation statt physischer Besuche im Familien- und Freundeskreis illustrieren eine Blaupause für etwaige künftige digitale Lösungen.
In Kommunen lässt sich der Prozess der Digitalisierung und Vernetzung bereits seit Jahren unter dem Begriff „Smart City“ beobachten. Smart-City-Strategien zielen darauf ab, Städte effizienter, technologisch fortschrittlicher, umweltfreundlicher und sozial inklusiver zu gestalten. Hier existieren allerdings große Herausforderungen, bestehende Ansätze lassen mitunter ein strategisches Gesamtkonzept vermissen.
Einerseits gewinnen Städte als Wohnort für den überwiegenden Teil der Weltbevölkerung seit Jahren an Bedeutung. Andererseits sind gerade in den Städten verstärkt Phänomene zu bewältigen, die in anderen Räumen weniger intensiv wirken: Klimawandel, zu hohes Verkehrsaufkommen oder aktuell die Corona-Pandemie. Smart Cities können zahlreiche stadttypische Prozesse unterstützen und vereinfachen, so beispielsweise die Transformation der Mobilität.
Bisheriges Mobilitätsverhalten in der Krise
Im Mobilitätsbereich spielt die intermodale Vernetzung eine große Rolle. Die Pläne in den Ballungszentren zielen auf einen Rückgang des Individualverkehrs und eine Stärkung des ÖPNV sowie der Sharing-Angebote auf Basis alternativer Antriebsformen ab. Aufgrund des sich veränderten Mobilitätsverhaltens während der Corona-Pandemie erfahren die bisherigen Ansätze eine (temporäre?) Krise.
So verzeichnet der ÖPNV einen Nachfragerückgang mit Einnahmeeinbußen von cirka einer Milliarde Euro pro Monat. Auch „Ride-Pooling“-Dienste sind aktuell durch einen massiven Nachfragerückgang betroffen, so dass einige bereits den Fahrdienst ruhen lassen. Bezogen auf die zurückgelegten Personenkilometer hat der Individualverkehr in der Krise Marktanteile zurückgewonnen, allerdings auch hier auf geringerem Niveau.
Für die zukünftige Entwicklung lassen sich zwei Dinge ablesen: Erstens sind künftig jene Mobilitätsanbieter gut aufgestellt, welche flexibel auf Nachfrageänderungen reagieren können, das heißt ein breites Angebot an verschiedenen Mobilitätsformen zu bieten haben. Hierbei muss nicht alles in Eigenleistung erbracht werden, vielmehr lohnt eine vertiefende Kooperation mit bereits bestehenden Anbietern.
Somit kommt den Verkehrsunternehmen als „natürliche“ Anbieter weiterhin eine Schlüsselrolle zu, da sie ihr klassisches ÖPNV-Angebot als Schnittstellen zu anderen Angeboten hin zu neuen Mobilitätsknoten („Mobility-Hubs“) ausbauen können. Dies kann einerseits die Kundenbindung erhöhen und andererseits andere Mobilitätsdienstleister langfristig binden.
Dominanz eines Verkehrsträgers überwinden
Zweitens gilt es, die bestehende Verkehrsinfrastruktur auf die sich ändernde Nachfrage anzupassen. So müssen Verkehrskonzepte in einem integrierten Stadtentwicklungskonzept nicht nur mit dem bestehenden Flächenkonflikt und der Dekarbonisierung des Verkehrssektors umgehen, sondern auch mit einem mitunter raschen Wandel der Mobilitätsnachfrage. Konkret bedeutet dies langfristig, die Dominanz eines Verkehrsträgers zu überwinden, indem die Verkehrsinfrastruktur diversifiziert und deren Vernetzung befördert wird.
Aufgrund der coronabedingten Schließungen von Industrie, Einzelhandel, Gastronomie etc. ist auch der Güterverkehr durch einen Nachfragerückgang geprägt. Konträr zu dieser Entwicklung sind Leistungen von Zustelldiensten stark angestiegen. Dies umfasst nicht nur traditionelle Dienste wie Paketversand, sondern auch andere Sparten wie Gastronomie und Einzelhandel.
Zustelldienste werden auch in Zukunft einen wohl wachsenden Anteil des Güterverkehrs übernehmen. Um dieser Verlagerung gerecht zu werden, existieren bereits Konzepte, in den urbanen Zentren dezentrale Verteilstationen („Micro-Hubs“) aufzubauen. Ziel ist es, den Lieferverkehr für alle Zusteller in den neu zu schaffenden Hubs zu bündeln. Dies soll das Verkehrsaufkommen und so die Zustellkosten pro Lieferung reduzieren. Hier könnten, was die notwendige Flächen- und Infrastrukturbereitstellung betrifft, Unternehmen und Kommunen kooperieren.
Damit Städte und Gemeinden „smart“ werden können, brauchen sie die notwendige Basisinfrastruktur, um gewünschte Nutzungsoptionen, wie Homeoffice, Mobilitätskonzepte, autonomes Fahren oder Telemedizin, umsetzen zu können. Laut Daten des DE-CIX, einem der größten Internetknotenpunkte, stieg der Datendurchsatz um 50 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Neben dem Trend zu einer datenintensiveren Internutzung gibt es einen Corona-Effekt: Im vergangenen Monat legten die Werte um rund zehn Prozent zu.
Daher bleibt der Ausbau der Breitbandversorgung eine zentrale Voraussetzung für die Digitalisierung. Diese ist für die Gestaltungsmöglichkeiten der Städte in Zeiten der Corona-Krise augenscheinlich wichtiger denn je. Mit Niklas Günther und Christoph Mengs
Oliver Rottmann ist geschäftsführender Vorstand des KOWID Kompetenzzentrum für Öffentliche Wirtschaft, Infrastruktur und Daseinsvorsorge e.V. an der Universität Leipzig. Niklas Günther und Christoph Mengs sind Wissenschaftliche Mitarbeiter Mitarbeiter am KOMKIS Kompetenzzentrum für kommunale Infrastruktur Sachsen der Universität Leipzig.