Vor den Toren Berlins baut der nach Börsenwert wertvollste
Automobilkonzern Tesla eine neue Fabrik. Der Innovationsdruck, der von dem
Unternehmen aus San Carlos ausgeht, hat auch die deutsche Automobilindustrie
und die Politik elektrisiert. Das jüngste Konjunkturpaket etwa sieht eine
Bezuschussung ausschließlich für E-Fahrzeuge vor. Was jedoch sehen die
Mitarbeiter und Besucher, wenn sie in Grünheide versuchen, mit ihrem Smartphone
ein Auto zu rufen? Auf absehbare Zeit vermutlich nicht viel. Denn intelligent
gesteuerte Mobilität auf Abruf findet im ländlichen Raum kaum statt. Dabei
hätten gerade hier integrierte und digitale Verkehrsangebote eine Chance. Im
brandenburgischen Falkensee testet Uber bereits solch ein Angebot, allerdings
aufgrund der regulatorischen Hürden vorerst als Pilotprojekt. Warum tut sich
Deutschland als Autoland bei der Digitalisierung der Mobilität so schwer?
Im Gegensatz zu den meisten anderen EU-Staaten ist der Personenbeförderungsmarkt in Deutschland stark reglementiert. Solange es um die Sicherheit von Fahrgästen und den Schutz von Verbrauchern geht, ist das auch richtig. Wenn aber etablierte Anbieter vor Wettbewerb geschützt werden sollen, leidet die Innovationsfähigkeit einer ganzen Branche. Hochtechnologisierte deutsche und internationale Start-ups stehen vor verschlossenen Türen. Unter derartigen Marktbedingungen ist es nicht verwunderlich, dass sich zum Beispiel die Taxibranche seit den 60ern nicht wesentlich weiterentwickelt hat. Kleinere Fortschritte wie der Einsatz von Kreditkarten konnten nur gegen großen Widerstand durchgesetzt werden, auch wenn das Kartengerät leider immer noch viel zu oft „gerade nicht funktioniert”.
Aktuelle Reformvorschläge verfehlen das Ziel
Bei der aktuellen Diskussion um die Reform des
Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) geht es aber um viel mehr: Intelligente
Lösungen und Technologien sind der Schlüssel, um die private Autonutzung zu
reduzieren und damit verstopften Straßen und zunehmender Luftverschmutzung
etwas entgegenzusetzen. Das reformierte PBefG sollte daher innovative
Mobilitätskonzepte fördern. Sowohl der Taxi- wie auch der Mietwagenbetrieb
sollte von regulatorischen Entlastungen profitieren. So hatte es die Regierung
im Koalitionsvertrag versprochen. Ein neuer Rechtsrahmen ist auch dringend
notwendig, denn das PBefG stammt im Kern aus den 80iger Jahren, einer Zeit in
der an Internet und Smartphones nicht zu denken war. Exemplarisch dafür steht
die sogenannte Rückkehrpflicht für die mehr als 40.000 Mietwagenfahrer in
Deutschland.
Diese besagt, dass Mietwagen – im Gegensatz zu Taxis – nach jeder
Fahrt leer zu ihrem Betriebssitz zurückkehren müssen. Dadurch kamen in den
vergangenen Jahren Millionen unnötiger Leerkilometer zustande. Das ist nicht
nur wirtschaftlicher, sondern auch ökologischer Wahnsinn. Zwar soll
möglicherweise das Pooling unter äußerst strikten Auflagen und vorbehaltlich
der Zustimmung der zuständigen Kommunen erlaubt werden, die Rückkehrpflicht für
Mietwagen aber – und das ganz explizit – soll bleiben. Gleichzeitig sollen
Taxis von diversen Erleichterungen wie flexiblen Tarifen profitieren. Nach
Stand der jetzt bekannt gewordenen Entwürfe hat die Neuauflage des PBefG den
Namen Reform nicht verdient.
Rückkehrpflicht torpediert E-Mobilität
Längst setzt Uber in anderen Ländern Künstliche Intelligenz ein, um Bestellungen intelligent zu koordinieren, Fahrzeuge effizienter auszulasten und Wege zu reduzieren. Unsere lernenden Algorithmen erkennen, wo und wann sich eine Nachfrage entwickelt, wann eine Bahn ausfällt oder eine Veranstaltung zu Ende geht. Die Uber-App schlägt Fahrern in der Nähe vor, dort hinzufahren und Fahrgäste aufzunehmen. Diese intelligenten Vorhersagen können wir in Deutschland nicht einsetzen, da Fahrer gemäß Rückkehrpflicht nach jeder Fahrt zum Betriebssitz zurückkehren müssen. Die damit verbundenen Effizienzpotenziale für Fahrer, Verbraucher und Städte bleiben sprichwörtlich auf der Strecke. Die Rückkehrpflicht verhindert auch die Elektrifizierung von Fahrzeugflotten. Mietwagenunternehmer sind nicht bereit, ein E-Auto einzusetzen, dass schon nach maximal 200 Kilometern wieder an die Steckdose muss, wenn allein 100 Kilometer der Reichweite für staatlich verordnete Leerfahrten zurückgelegt werden. Ganz besonders im ländlichen Raum, wo die Entfernungen naturgemäß weiter sind, ist die Rückkehrpflicht ein Mobilitätskiller.
Leider gerät in der ganzen Diskussion eine Partei vollständig aus
dem Blickfeld: der Verbraucher. Ihm wird der Zugang zu innovativen,
umweltschonenden und bezahlbaren Alternativen verwehrt. Dabei kann nur ein
guter Mix aus öffentlichen Nahverkehrsangeboten, Taxis und neuen
Mobilitätslösungen die Bürger nachhaltig dazu bewegen, auf den eigenen Pkw zu
verzichten und den Verkehr damit insgesamt zu entlasten. Davon würden alle
Marktteilnehmer profitieren, auch Taxis.
Sollte es bei der geplanten Ausgestaltung des PBefG bleiben, ist
der Mobilitätsmarkt zum Stillstand verbannt. Innovationstreiber aus dem In- und
Ausland werden einen Bogen um Deutschland machen. Nicht zuletzt können auch
deutsche Autohersteller nicht innovativ sein, wenn vor ihrer Haustür
regulatorische Rahmenbedingungen aus den 80er gelten. Den Preis dafür
zahlen aber nicht nur die Anbieter neuer Mobilitätslösungen. Den Preis zahlt
der Wirtschaftsstandort, der Verkehr und allen voran der Verbraucher.