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Standpunkte EU-Importbarrieren für E-Fuels müssen verschwinden

Thorsten Herdan, CEO bei HIF EMEA
Thorsten Herdan, CEO bei HIF EMEA Foto: HIF EMEA

Die nationale Importstrategie für grünen Wasserstoff und Derivate ist verabschiedet. Eine Vielzahl europäischer Regelungen verhindert jedoch, dass ein Kernziel dieser Importstrategie erreicht wird: nachhaltig den Markthochlauf grüner Kraft- und Grundstoffe zu schaffen.

von Thorsten Herdan

veröffentlicht am 15.08.2024

aktualisiert am 16.08.2024

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Die kürzlich vom Bundeskabinett beschlossene nationale Importstrategie beschreibt, welche grünen Wasserstoffe und Derivate in naher Zukunft aus unseren Energiepartnerschaftsländern nach Deutschland importiert werden sollen. Grüner Wasserstoff, E-Fuels und Ammoniak werden als wichtigste Produkte genannt, um unsere Klimaziele zu erreichen und die Sektoren Luftfahrt, Schifffahrt, Mobilität und chemische Industrie klimaneutral auszurichten.

Wir reden also von den Produkten E-SAF, E-Benzin, E-Methanol, E-Ammoniak oder E-Olefine, die hier kurz als E-Fuels zusammengefasst werden. Ob diese Produkte nach Europa geliefert werden, wird nicht infrage gestellt. Diskutiert wird vielmehr, aus welchen Ländern die Importe erfolgen können. Ob Südamerika, Afrika, Australien oder Asien – die Liste potenzieller Lieferregionen und -länder ist lang.

Geht der Markthochlauf an Europa vorbei?

Doch allmählich verbreitet sich die Erkenntnis, dass es nicht wie erhofft vorangeht. Wo bleiben die finalen Investitionsentscheidungen? Wann kommen der grüne Wasserstoff und die E-Fuels? Manche denken, dass bis 2030 noch genug Zeit ist, um das EU-Ziel von zehn Millionen Tonnen H2-Import zu erreichen. Diese Ansicht wird von all denjenigen geteilt, die sich mehr mit theoretischen Modellen als mit dem tatsächlichen Projektgeschäft auseinandersetzen.

Die Realität sieht jedoch anders aus: Nur die Projekte, die in den nächsten zwölf bis 18 Monaten zur finalen Investitionsentscheidung gelangen, werden bis 2030 grünen Wasserstoff und E-Fuels nach Europa liefern können. Derzeit ist es jedoch fraglich, ob überhaupt eine Handvoll globaler Projekte diese (europäische) Hürde nehmen wird. Oder ob die Lieferungen schlicht in andere Länder gehen werden, die weniger praxisferne Regelungen als die Europäische Union haben.

Allen Beteiligten muss klar sein: Es wird nur investiert, wenn die Nachfrage gesichert ist und die Produkte tatsächlich abgenommen werden. Es geht darum, Milliardeninvestitionen und langfristige Abnahmeverträge in diesem und dem kommenden Jahr zur Unterschrift zu führen. Die Kunden müssen darauf vertrauen können, dass sie ein grünes Produkt zur Erfüllung ihrer Klimaziele erhalten. Doch genau hier liegt das Problem: Diese regulatorische Sicherheit fehlt derzeit.

Ist das Produkt morgen auch noch „grün“?

Die Ursache dafür sind die strengen und unklaren europäischen Regeln für grünen Wasserstoff und E-Fuels. Diese Vorschriften machen die Produkte unnötig teuer und schaffen so viele Unklarheiten, dass potenzielle Kunden nicht sicher sein können, ob das heute gekaufte grüne Produkt auch morgen noch von der EU als grün anerkannt wird.

Woran liegt das? Fündig wird man im Kleingedruckten von zwei europäischen Delegierten Rechtsakten, die 2023 verabschiedet wurden. Darin sind die Produktionskriterien für grünen Wasserstoff und Derivate beschrieben. Die Regelungen sind rechtlich unklar ausgestaltet und sehr auf die Produktion in der EU ausgelegt. Die Rahmenbedingungen für Importe aus Ländern außerhalb der EU gehen mit vielen Unsicherheiten einher und sind zum Teil gar nicht erfüllbar.

Hierzu folgen drei Beispiele. Erstens, das hohe Investitionsrisiko: Unsere Anlagen sind derart ausgelegt und entwickelt, dass sie entsprechend den aktuellen EU-Vorschriften aus erneuerbaren Energien und biogenem CO2 europakonforme in Europa anrechenbare E-Fuels produzieren. Dies garantieren wir unseren Kunden. Nach EU-Recht können diese „Spielregeln“ aber für bereits gebaute oder in Bau befindliche Anlagen jederzeit geändert werden und aus dem europakonformen E-Fuel wird plötzlich ein „graues“ Produkt.

Für Investoren und Kunden in der Schifffahrt, Luftfahrt, Mobilität oder der chemischen Industrie ist eine langfristige Sicherheit über den gesamten Lieferzeitraum von 15 bis 20 Jahren zwingend erforderlich. Niemand will in ein grünes Produkt investieren, das seinen Status verlieren könnte. Was es also braucht, ist eine Bestandssicherung (ein „Grandfathering“) der EU-Regulatorik für neue Anlagen zum Zeitpunkt der finalen Investitionsentscheidung.

Zu strenge Vorgaben für CO2 zur E-Fuels-Produktion

Zweitens schließt die EU potenzielle Lieferländer aus, deren Energiemarktregeln von den EU-Vorschriften abweichen. So wird in den USA produzierter grüner Wasserstoff von der EU nicht als grün zertifiziert, weil die US-Steuererleichterungen für grünen Strom nach EU-Recht zur Aberkennung der grünen Eigenschaft führen.

Dieses Vorgehen soll doppelte Anrechnungen verhindern, schließt jedoch kostengünstige Importe aus, die in den USA subventioniert werden. Europäische Kunden haben somit die Wahl: Entweder sie akzeptieren höhere Kosten und zahlen bis zu 30 Prozent mehr für das gleiche grüne Produkt, oder sie verzichten auf die günstigeren Importe aus den USA.

Drittens sind die EU-Regeln für das zu verwendende CO2 zur Herstellung von E-Fuels häufig ein absolutes Killerkriterium. Das CO2 kann aus nachhaltigen biogenen Quellen oder aus Industrieprozessen genutzt werden. Eine Zertifizierung dieses CO2 außerhalb der EU ist jedoch mit extrem großen Unsicherheiten verbunden.

Warum? CO2, das zum Beispiel in Chile oder in Marokko für die Produktion von E-Fuels beispielsweise aus einer Zementanlage abgeschieden wird, ist nur dann erlaubt, wenn diese Länder ein effektives nationales CO2-Preisinstrument (vergleichbar dem EU-ETS) über den gesamten Produktionszeitraum der Anlage haben. Für biogene CO2-Quellen werden europäische Nachhaltigkeitszertifikate verlangt, international anerkannte Zertifikate werden nicht akzeptiert.

Die Folge ist, dass nur wenige Produktionsländer diese Kriterien erfüllen können. Viele attraktive Lieferländer in der Nähe Europas wie in der MENA-Region oder dem südlichen Afrika verfügen über keine derzeit von der EU anerkannten Kohlenstoffquellen. So untersuchen wir derzeit die Abscheidung des CO2 in Spanien, die Verschiffung dieses CO2 nach Marokko und die Rückverschiffung als E-Fuel wieder nach Europa. Ob dieser „CO2-Tourismus“ sinnvoll ist, mag jeder für sich selbst entscheiden.

Aufgrund dieser aktuellen regulatorischen Unsicherheiten sind langfristige Abnahmeverträge für E-Fuels in Europa bisher Mangelware. Für den Import von E-Kerosin oder E-Methanol in den europäischen Markt fehlt schlicht die regulatorische Basis. Die neue Europäische Kommission muss so schnell wie möglich agieren und die Weichen neu stellen, wenn wir die selbst gesteckten Klimaziele bis zum Jahr 2030 erreichen wollen.

Thorsten Herdan ist CEO beim E-Fuels Anbieter HIF EMEA und führt damit die Geschäfte des internationalen Unternehmens im Wirtschaftsraum Europa, Naher Osten und Afrika. Zuvor leitete Herdan von 2014 bis 2022 die Abteilung Energiepolitik im damaligen Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi).

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