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Verkehr & Smart Mobility

Verkehrswende „Lebensqualität für die Menschen, nicht für die Autos“

ChristianHochfeld
Christian Hochfeld, Direktor der Agora Verkehrswende. Foto: promo

Christian Hochfeld, Direktor der Denkfabrik Agora Verkehrswende, entwirft im Background-Interview einen Masterplan für Auto, Bahn, Schiff und Flugzeug. Dabei fordert er nicht nur eine technische Antriebs-, sondern auch eine Verhaltenswende. Dafür müsse die Politik die richtigen Rahmenbedingungen setzen.

veröffentlicht am 19.09.2019

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Herr Hochfeld, am heutigen Freitag will das Klimakabinett sein Konzept verabschieden. Was muss nach Ihrer Auffassung getan werden, damit der Verkehr bis 2050 weitgehend klimaneutral wird?

Wir haben über die Zeit bis 2030 in der Arbeitsgruppe 1 der Nationalen Plattform Zukunft der Mobilität sehr intensiv diskutiert. Da wurde klar: Allein mit der Förderung von Investitionen in die Infrastruktur und in die Antriebstechnologie bleiben die Klimaziele unerreichbar, maximal die Hälfte der notwendigen Minderung ist drin. Wir werden aber nicht genug erneuerbare Energien haben, um den Verkehr auf heutigem Niveau mittel- und langfristig zu dekarbonisieren. Deshalb brauchen wir neben der Energiewende im Verkehr die Mobilitätswende, also insbesondere in den Städten den Umstieg vom privaten Pkw auf andere Verkehrsträger, hauptsächlich öffentliche. 

Das ist ja auch eine Verhaltenswende, wie erreicht man die?

Die braucht den richtigen politischen Rahmen vor allem über Preissignale. Da ist der CO2-Preis für fossile Kraftstoffe nur ein Baustein. Wer denkt, damit seien alle Probleme gelöst, der denkt falsch. Die Nachfrage nach Kraftstoffen ist nämlich sehr unelastisch. Das heißt: Die Autofahrer reagieren relativ wenig auf Preiserhöhungen an der Zapfsäule. Trotzdem brauchen wir die Anhebung, um die Kosten der Verkehrsträger untereinander fairer zu gestalten. Beim Straßengüterverkehr sollten wir es allerdings nicht über einen Aufschlag auf die Mineralölsteuer machen, sondern über eine CO2-Komponente in der Lkw-Maut.

Warum?

Weil ein großer Teil des Lkw-Verkehrs hierzulande Transitverkehr ist. Wenn Sie den Sprit verteuern, tanken die Lkw-Fahrer in Polen und das nächste Mal in Frankreich. Dann stünde zwar in der deutschen Bilanz weniger CO2, aber für den Klimaschutz wäre nichts gewonnen.

Was würden Sie noch verändern?

Bei Pkw wäre eine Bonus-Malus-Regelung sehr wichtig. Im Moment haben wir zu geringe Anreize, kleine, sparsame Autos zu kaufen. Die Boni müssen also erhöht werden – und das gelingt aufkommensneutral, wenn die Käufer hochemittierender Fahrzeuge bei der Fahrzeugzulassung einen Malus zahlen müssen. Den Bonus bezahlen wir aus dem Aufkommen des Malus, das wäre auch sozial am ausgewogensten.

Aber lässt sich der SUV-Fahrer, der den Wagen auf seinen Betrieb angemeldet hat, von einer Malus-Regelung abschrecken? Der hohe Spritverbrauch war ihm doch auch egal.

Wenn ihm die Preissignale nichts ausmachen, soll er halt den SUV kaufen. Die Alternative wäre ja, solche Autos für die Städte zu verbieten. Letztlich geht es um den Grundsatz, dass jeder den fairen Preis zu zahlen hat. Nicht alle werden sich wegen des Malus für CO2-intensive Fahrzeuge gegen sie entscheiden, aber in jedem Fall mehr als heute. 

Die Anhänger der Elektromobilität sagen, bei den E-Autos wird es so kommen wie beim iPhone: Irgendwann werden die Menschen merken, dass die neue Technik besser ist.

Experten sagen, wenn eine neue Technik einen Marktanteil von zehn Prozent hat, kippt der gesamte Markt innerhalb einer Produktgeneration. Wir sind heute aber erst bei einem Anteil von ein bis zwei Prozent. Auch deshalb brauchen wir das Bonus-Malus-System, das den Absatz von E-Autos stärker fördern könnte als die heutigen Kaufprämien. Wichtig ist natürlich auch der Aufbau der Ladeinfrastruktur. Ich kenne keine Stadt, die einen Masterplan hat, in dem steht, welche Infrastruktur nötig ist, wenn schon 2035 oder erst 2040 hauptsächlich elektrische Autos unterwegs sind. Wahrscheinlich werden wir gerade in den Städten eher mit Schnellladesäulen an den heutigen Tankstellen arbeiten als mit Normalladesäulen in den Wohnstraßen.

Einige sagen ja auch, die Brennstoffzelle sei besser als das reine Batteriefahrzeug.

Wenn wir die E-Mobilität nicht in den kommenden zwei Jahren zum Fliegen bringen, dann brauchen wir über neue Technologien gar nicht mehr nachdenken. Große Teile der Autoindustrie haben sich weltweit vor etwa fünf Jahren entschieden, auf Batterieelektrik zu setzen. In den nächsten fünf Jahren kommen mehr als 300 dieser Modelle auf den Markt. Wenn die nicht erfolgreich sind, wird wohl kaum ein Konzern genügend Geld haben, um zu erforschen, ob vielleicht die Brennstoffzelle in zehn Jahren eine marktgängige Ergänzung sein kann. In der Politik denken manche: Wir entscheiden heute, ob wir Batterie oder Brennstoffzelle haben wollen, und morgen steht beides in den Showrooms. Das ist eine Illusion. So ein Irrglaube macht mich zuweilen sprachlos. 

Wann kommt denn nun der iPhone-Moment?

Wenn ein hochrangiger Vertreter eines deutschen Autokonzerns sagt, am E-Auto klebe Blut wegen des Kobalts aus dem Kongo, verunsichert das die Leute berechtigterweise. Wenn hier ein Kampf aufgeführt wird, Elektroauto gegen Verbrenner und dann auch noch gegen das Wasserstofffahrzeug, dann sagen die Kunden: Ich warte lieber noch ein paar Jahre mit dem Kauf, scheinbar gibt es heute keine gute Lösung. Das ist dann die schlechteste aller Lösungen für den Klimaschutz. Ich glaube trotzdem, dass der Markt bis 2025 kippen wird. Dann wird sich die Elektromobilität beschleunigt durchsetzen, so wie einst der Flachbildschirm den Röhrenfernseher verdrängt hat. In Norwegen zeigen die Umfragen schon jetzt, dass die Menschen nicht mehr mit dem Verbrenner fahren wollen.

Zur Ladeinfrastruktur: An Autobahnen werden Schnelllader gebaut, an großen Ausfallstraßen, an bisherigen Tankstellen. Der Energieverband BDEW vertritt die Auffassung, dass Normalladesäulen in Wohnstraßen weniger sinnvoll sind. Was befürworten Sie?

An den Autobahnen entsteht eine Infrastruktur, die den Fernverkehr gut abdeckt. Auf dem Land sind Lademöglichkeiten zuhause und am Arbeitsplatz eh unstrittig. In Gegenden mit Mehrfamilienhäusern, wo die Autos auf der Straße geparkt werden, halte ich Tankstellen und Parkplätze von Handelsunternehmen für relevanter als eine Vielzahl von Ladesäulen in den Wohnstraßen. Die Geschäftsmodelle nähern sich an: Ob Sie zum Discounter fahren und nebenbei laden oder umgekehrt, ist dann fast egal. Bei realen Reichweiten von 300 bis 400 Kilometern laden Sie doch nur noch ein- bis zweimal die Woche. Gerade wenn wir in Zukunft über geteilte Autos und automatisierte Flotten reden, bieten sich zentrale Schnellladeplätze viel mehr an als Langsamladesäulen in den Straßen.

Wie sehen Sie das Potenzial von Wasserstoff im Schwerlastverkehr, im Schiff und im Flugzeug?

Das ist eine Wette auf die Zukunft. Seit 20 Jahren kommt die Brennstoffzelle in fünf Jahren. Der Zeitraum ist nie kleiner geworden. Ich will trotzdem nicht ausschließen, dass wir bei den Kosten der Elektrolyseure und damit bei den Kosten des Wasserstoffs und des Brennstoffzellenantriebs deutliche Fortschritte sehen werden. Aber die Batterie- und die Ladetechnologie entwickeln sich eben trotzdem im Moment bei zunehmendem Wettbewerb viel schneller. Bei Pkw glaube ich persönlich nicht, dass die Brennstoffzelle diesen Vorsprung noch aufholen kann. Bei Lkw ist das Rennen der Technologien dagegen offener. Aber auch da merke ich, dass das neue europäische Recht für Lkw-Fahrer Ladelösungen durchaus ermöglicht: Nach vier Stunden muss der Fahrer eine Dreiviertelstunde Pause machen, da kann er nachladen. Nach acht Stunden muss er acht Stunden pausieren, da kann er den Akku vollladen. In Unternehmen wird heute über zwei Megawatt Ladeleistung für Lkw geredet. Heute sind es 150 bis 350 Kilowatt. Ganz klar ist aber: Bei Schiffen und Flugzeugen brauchen wir Wasserstoff und synthetische Kraftstoffe. Da konkurrieren wir aber mit der Industrie und dem Gebäudesektor. Viele Industrieunternehmen aus der Chemie- und Metallbranche stellen schon heute die Standortfrage: In die alte Technologie zu investieren, hat keinen Sinn. Der Standort kann nur gehalten werden, wenn der Technologiesprung gelingt. Die neuen Brenn- und Kraftstoffe werden knapp und teuer sein, deshalb werden wir Prioritäten setzen müssen. Und da gehört der Pkw für mich keinesfalls nach oben auf der Liste.

Ist denn Erdgas eine sinnvolle Brückentechnologie?

Vor einigen Jahren hätte ich für Pkw „ja“ gesagt. Aber tatsächlich gibt es heute nur wenige Erdgas-Modelle, und die Begeisterung der Autohersteller hält sich in Grenzen. Die Autos sind deutlich weniger effizient als E-Autos, und sie tragen nur wenig dazu bei, die CO2-Flottengrenzwerte zu erreichen. Zudem ist der Klimavorteil gegenüber Diesel insbesondere mit den Emissionen aus der Förderung gering. Bei Lkw reden wir über LNG, also auch Fracking-Gas aus den USA. Das bringt der Umwelt nichts. Da glaube ich eher, dass bei Lkw in den kommenden Jahren eine Grundsatzentscheidung zu treffen ist: zwischen reinen Batteriefahrzeugen, Oberleitung und Brennstoffzelle gegebenenfalls ergänzt um synthetische Kraftstoffe. 

Was halten Sie von LNG-Schiffen, zum Beispiel für Kreuzfahrten?

Was die Schadstoffe angeht, hat LNG deutliche Vorteile gegenüber den heutigen Motoren. Aber LNG ist nach wie vor ein fossiler Energieträger und trägt zur Erderwärmung bei.  Ich sehe aber sinnvolle Technologiepfade von LNG zu Power-to-Gas.

Im Luftverkehr ist eine Dekarbonisierung sehr schwierig. Wir diskutieren über eine Kerosinsteuer, über das Chicagoer Abkommen, das einer Besteuerung entgegenstehe. Wie würden Sie das Problem angehen?

Selbstverständlich müssen wir endlich über eine angemessene Besteuerung des Luftverkehrs reden. Wir leben nicht mehr in einer Zeit, in der wir die Steuerfreiheit gewähren können, um den internationalen Handel und den Austausch zwischen den Menschen zu fördern. Zugegeben, global wird das sehr schwierig werden. Aber in Europa gibt es einige Länder, die sich dafür einsetzen. Kurzfristig könnten wir mit einer Erhöhung der Luftverkehrsabgabe einen ersten wichtigen Schritt tun. Ich glaube auch festzustellen, dass die Branche sensibler wird und vermeiden möchte, dass ihr die Kunden weglaufen – Stichwort Flugscham. Sie arbeitet wirklich an der Lösung mit. Mittel- und langfristig heißt die Lösung: synthetische Kraftstoffe.

Von Biokerosin ist keine Rede mehr. Zu Recht?

Bioenergie, in welcher Form auch immer, wird auf Dauer nur in begrenztem Maße nachhaltig verfügbar sein oder einen gewaltigen Druck auf die Flächennutzung ausüben. Ein Beispiel: Wir diskutieren über ein Importverbot für Palmöl - aber gebrauchtes Bratfett darf importiert werden. So kommt das Öl aus Asien eben zu uns, nachdem es einmal durch die Fritteuse gelaufen ist. Eine Regulierung kann so etwas kaum verhindern. Deshalb bin ich dafür, primär auf synthetische Kraftstoffe zu setzen.

Ein wichtiger Punkt beim Klimaschutz im Verkehr ist die Stärkung der Bahn. Brauchen wir dazu mehr Schnellstrecken wie München-Berlin?

Klar. Wir brauchen nicht nur einen Deutschlandtakt, sondern einen Europatakt. In China fährt der Zug von Peking nach Shenzhen mehr als 2000 Kilometer in nur neun Stunden. Die Verspätungen beim Fliegen sind dort so groß, dass Zugfahren selbst auf diesen Strecken attraktiv wird. In Europa haben wir in der Vergangenheit viel zu wenig für die europäischen Schnellstrecken getan. Einige grenzüberschreitende Strecken sind noch gar nicht elektrifiziert. Ich würde es begrüßen, wenn die designierte EU-Kommissionspräsidentin, Ursula von der Leyen (CDU), das Thema oben auf ihre To-do-Liste setzt.

Was halten Sie von einer Mehrwertsteuersenkung für Bahntickets?

Als isolierte Klimaschutzmaßnahme halte ich davon nicht viel. Auf den Hauptstrecken ist die Bahn schon jetzt an ihrer Kapazitätsgrenze – und drüber. Unter anderem deshalb kommt es zu den bekannten Qualitätseinbußen. Wenn man nun durch eine Preissenkung noch mehr Menschen in die Züge lockt, werden die Erfahrungen dermaßen negativ sein, dass der Effekt nicht nachhaltig ist. Es geht nicht darum, Verkehr immer billiger zu machen. Wir sollten die relativen Preise verändern, indem wir auch dem Autoverkehr seine externen Kosten anlasten.

Wenn wir uns den Finanzbedarf der Bahn anschauen: Müssen der Bundesverkehrswegeplan, die Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung zwischen Bund und Bahn und die Regionalisierungsmittel der Länder aufgestockt werden?

Ja, das müssen sie. Wir müssen aber auch über andere Finanzierungsoptionen nachdenken, auch um die Belastung des Bundeshaushalts so gering wie möglich zu halten. Mit dem Scheitern der deutschen Pkw-Maut vor dem Europäischen Gerichtshof haben wir die Chance, über Nutzungsentgelte noch einmal neu nachzudenken. Nach der Maut ist vor der Maut. Eine vernünftige Pkw-Maut könnte unter anderem die Mindereinnahmen bei der Mineralölsteuer durch die Elektrifizierung der Pkw ausgleichen. Wenn wir uns nicht in absehbarer Zeit auf Prinzipien für eine bundeseinheitliche Pkw-Maut einigen, bekommen wir in verschiedenen Städten die Diskussion um eine City-Maut. Dann droht ein Wildwuchs von verschiedenen Systemen und Regulierungen. Eigentlich schreit es nach einer nationalen, technisch einheitlichen Lösung, die dann in den einzelnen Städten lokal differenziert umgesetzt wird – bei der Bemautung nach Tageszeit, nach Emissionen, nach Flächenverbrauch. Man könnte sogar die Bepreisung von Fahren und Parken in ein Abrechnungssystem integrieren, wie in Singapur. Die sprudelnden Einnahmen aus der Lkw-Maut müssen zudem in Zukunft auch für andere Verkehrsträger verwendet werden, vor allem für die Bahn. Die Bindung der Lkw-Maut an Investitionen in die Straße ist aus der Zeit gefallen. Die Devise darf nicht heißen: Straßenverkehr finanziert Straßenverkehr, sie muss lauten Straßenverkehr finanziert Verkehrswende. 

Wäre eine Eurovignette für Pkw eine gute Idee?

Von einer zeitabhängigen Vignette wollen wir ja weg. Aber eine europäische Harmonisierung der Bemautung wäre sehr sinnvoll und wichtig.

Noch ein Blick in die Städte: Ziehen Carsharing-Autos, Berlkönig, E-Tretroller und Co. die Menschen aus dem ÖPNV heraus und vergrößern die Blechlawine noch?

In der jetzigen Phase gibt es tatsächlich mehr Verkehr und auch eine Kannibalisierung des ÖPNV durch die zusätzlichen Angebote. Das liegt aber vor allen Dingen daran, dass die Nutzung des privaten Pkw in den Städten kaum eingeschränkt wird. Wenn wir angemessene Parkgebühren nehmen, eine City-Maut einführen und den öffentlichen Raum fair verteilen würden, würden weitaus mehr Menschen umsteigen, vorausgesetzt, die Alternativen sind vorhanden und entsprechend attraktiv. Für eine Übergangsphase muss Mehrverkehr wohl in Kauf genommen werden. Die neuen Mobilitätsanbieter zu drangsalieren, zeigt dagegen nur, wie sehr wir uns an die privaten Pkw gewöhnt haben. Im Verhältnis zu dem, was die Autos allein beim Parken an Platz wegnehmen, ist der Bedarf der neuen Anbieter minimal. Was wir auf jeden Fall brauchen, ist eine viel engere Kooperation zwischen den Städten und den neuen Unternehmen. Die Hamburger Hochbahn zum Beispiel kooperiert bereits mit E-Tretrolleranbietern. Die Vision bleibt richtig: Ein starker ÖPNV gekoppelt mit neuen elektrischen Mobilitätsdiensten weist den Weg in Städte mit einer hohen Lebensqualität für die Menschen und nicht für die Autos. Dadurch sinken die Emissionen auf null, und wir gewinnen den Parkraum der Privatautos für sinnvollere Zwecke. 

Wann kommt das autonome Fahren?

Bis vor zwei Jahren rückte der Zeitpunkt immer näher an uns heran, seit zwei Jahren rückt er weiter weg. Auf der Autobahn werden wir die Fahrerassistenzsysteme auf Level 3 oder 4 bald sehen, einige Autos können es ja schon heute, die anderen werden Anfang der 2020er Jahre nachziehen, zumindest auf Level 3. In den Städten wird insbesondere das vollautomatische Fahren wesentlich länger dauern. 

Wie gelingt die Verkehrswende auf dem Land?

Wir sollten den Menschen auf dem Land nicht das Gefühl geben, dass wir von ihnen das Gleiche verlangen wie von denen in der Stadt. Sie werden auch mittelfristig weiter auf das private Auto angewiesen sein, sollten aber möglichst schnell elektrisch fahren. Und wir sollten gezielt in den intermodalen Verkehr investieren, zum Beispiel in Umsteigemöglichkeiten am Stadtrand. Die größte Herausforderung ist nämlich das Pendeln.

Warum müssen die Brandenburger mit dem eigenen Pkw nach Berlin reinfahren? Was ist mit Park-and-Ride?

Das Problem ist: Die betroffenen Berliner Stadteile und die Gemeinden am Stadtrand wollen keine Flächen für die notwendigen Parkplätze bereitstellen. Da gibt es eine Blockade zwischen Stadt und Land. 

Brauchen wir auch ein neues Planungsrecht, um schneller bauen zu können?

Alle Vereinfachungen der vergangenen Jahre wurden konterkariert durch die gestiegene Bereitschaft, gegen Infrastrukturprojekte zu klagen. Zuerst einmal sollten die zuständigen Behörden personell besser ausgestattet werden, damit sie Beteiligung gut frühzeitig organisieren können, um später mit ihren Planungen vor Gericht bestehen zu können. Wie wichtig Infrastruktur ist, zeigt sich am Deutschlandtakt 2030. Das ist ja nicht nur eine Fahrplanänderung, die man nächste Woche einführen könnte. Dahinter stehen ja riesige Investitionen, die bis 2030 sehr schwer umzusetzen sein werden – auch, weil in der Politik kaum jemand richtig nachhält, ob und wie die hehren Planziele umgesetzt werden. Die Regierung macht die Bundesverkehrswegeplanung, und dann lässt sie es laufen. Beispiel Gotthard-Tunnel: Die Schweiz hat ihren Tunnel fertig, aber wir noch längst nicht unsere Zulaufstrecke. Das ist eine Blamage, die uns noch eine Menge Stress bescheren wird.

Das Interview führten Jens Tartler, Hendrik Köstens und Christian Krug.

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