Schon heute ist klar, dass es auf unseren Straßen keinen Königsweg zur CO2-reduzierten Mobilität gibt. Zur CO2-freien schon gar nicht. Das Heil liegt jedoch weder in der Hoffnung auf eine flächendeckende E-Mobilität aus grünem Strom, noch in einem entschlossenen Weiter so. Die Frage bleibt dennoch: Was kann heute geleistet werden?
Kaufen wir uns alle – egal ob in der Stadt oder auf dem Land – rasch neue Elektroautos und hoffen wir auf grünen Ladestrom vor der Tür, lange Reichweiten im Winter und darauf, dass unsere neuen E-Autos noch lange ihren Wert erhalten? Oder wollen wir unsere alten Autos mit Verbrennungsmotor noch etwas behalten? Oder gar noch ein neues Auto mit Verbrennungsmotor kaufen?
Ja, warum denn nicht? Der Verbrennungsmotor an sich ist nicht klimaschädlich und die Automobilindustrie ist schließlich Motor unseres Wohlstands, zumindest ein Teil davon. Und ohne Wohlstand gibt es auch keinen Sozialstaat. Klimaschädlich ist allein der fossile Kraftstoff. Wenn man es ganz genau nimmt, natürlich auch die Autoherstellung. Das gilt gleichermaßen für E-Autos und ihre Batterien.
Beim Kraftstoff ansetzen, um die Klimabilanz zu verbessern
Gehen wir einmal davon aus, dass sich nicht jeder ein neues E-Auto kaufen will oder kann. Dann muss beim Kraftstoff der Hebel angesetzt werden. Erste Maßnahmen sind Verbrauch und Strecke. Weniger Sprit bedeutet weniger Treibhauseffekt, und ein Diesel ist grundsätzlich besser als ein Benziner.
Gute Ideen für die Zukunft gibt es bereits. Kraftstoffe aus Kohlendioxid und Strom, die sogenannten Power-to-X- oder auch E-Fuels. Damit würde das CO2 dort genutzt, wo es entsteht. Es würde zum Rohstoff. Die Stahl- und Zementindustrie sind hier nur zwei Beispiele. Biogasanlagen liefern ebenfalls Kohlendioxid zuhauf. Für E-Fuels spielt es keine Rolle, ob das CO2 grün ist oder nicht.
Hier wird fleißig und erfolgreich geforscht. Es wird wohl noch etwas dauern, bis E-Fuels den Markt durchdringen und im Verbrennungsmotor klimafreundlich verbrennen. Sehr wichtig ist, dass diese Forschung gefördert und vorangetrieben wird. Nur weil eine Technologie noch nicht am Markt ist, bedeutet das noch lange nicht, dass sie nicht funktioniert. Entwicklungen brauchen Zeit und es hat auch viele Jahre gedauert, bis sich Windräder oder Biodiesel durchgesetzt haben.
Biodiesel kann aus frischen Pflanzenölen – in Deutschland vornehmlich Rapsöl – aber auch aus Altspeiseölen oder Altfetten hergestellt werden. Die entstehenden Produkte sind kaum voneinander zu unterscheiden und beide gut geeignet, dem Diesel beigemischt zu werden. Pflanzenöle, Altspeiseöle oder auch tierische Fette können alternativ mit Wasserstoff behandelt werden und führen dann zu Komponenten, die chemisch kaum noch von fossilen Kraftstoffen zu unterscheiden sind.
Alkohole als Kraftstoffbeimischung
All diese pflanzenölstämmigen Produkte tragen ganz erheblich zum Klimaschutz bei und haben den unschlagbaren Vorteil, dass man sie problemlos zum Dieselkraftstoff mischen kann. Fahrzeuge müssen nicht umgerüstet und Tankstellen nicht neu errichtet werden. Gleiches gilt für Ethanol, das derzeit zu zehn Prozent dem Benzin zugemischt werden darf. Höhere Beimischungen sind erfolgreich erprobt. Auch andere Alkohole sind denkbar.
Auch wenn technisch viel mehr möglich ist, als wir nutzen, ist die sogenannte Teller-Tank-Diskussion auf den ersten Blick berechtigt und nachvollziehbar. Auf den zweiten Blick stimmt es nachdenklich, dass in Deutschland jährlich knapp zwölf Millionen Tonnen Lebensmittel verschwendet werden. Das liegt in der Größenordnung des jährlichen Benzinverbrauchs von 16,6 Millionen Tonnen (2018).
Natürlich ist es falsch, Lebensmittel zu vergeuden. Jedes Kilogramm hat einen eigenen CO2-Fußabdruck, der immer einer zu viel ist. Und natürlich ist es genauso falsch, berechtigte ethische Fragen vom Tisch zu wischen. Klimaschutz ist eine globale technische und vor allem eine gesellschaftliche Herausforderung, die Maß und Mitte erfordert – ideologische Auswüchse sind nicht nachhaltig, sondern (klima)schädlich.
Teile aus Politik und Gesellschaft sitzen genau hier in einer ideologischen Falle. Ihnen gelten einerseits Biokraftstoffe aus der Landwirtschaft grundsätzlich als verdächtig, unökologisch und artenbedrohend, wohingegen sie andererseits dem Klimaschutz die allerhöchste Priorität zumessen. Diese Denkblockade schließt den einfachsten und schnellsten Weg zum Klimaschutz aus: die verstärkte Nutzung aller verfügbaren Biokraftstoffe. Anstelle dessen regelt ein Konvolut von EU-Verordnungen die Deckelung von Biokraftstoffen der ersten Generation auf ein geringes Maß weit unter ihren Möglichkeiten.
EU rechnet CO2-reduzierte Kraftstoffe nicht auf Flottengrenze an
Es ist übrigens eine Mär, dass Landwirtschaft grundsätzlich nicht zugleich effizient und nachhaltig sein kann. Die Digitalisierung öffnet neue Türen. Die Technische Hochschule Ostwestfalen-Lippe bietet seit 2018 bundesweit als erste einen Studiengang Precision Farming an, der Agrartechnologie und Klimaschutz gleichermaßen adressiert.
Und noch etwas zum Staunen. Europa gelingt es nicht einmal, CO2-reduzierte Kraftstoffe auf die Flottengrenzwerte von Fahrzeugemissionen anzurechnen. E-Autos werden mit null Gramm CO2 pro Kilometer gerechnet. Bei Verbrennungsmotoren spielt es hingegen keine Rolle, ob ihre Kraftstoffe fossilen oder postfossilen Ursprungs sind. Egal, was im Tank ist, stets wird der nachteilige fossile CO2-Wert angerechnet. Es scheint leider nicht politischer Wille zu sein, beim Verbrennungsmotor Anreize zum Klimaschutz zu setzen.
Biokraftstoffe helfen nicht allein, aber sie sind jetzt und heute verfügbar und ihre Kapazität kann nachhaltig und vor allem schnell gesteigert werden, um Klimagase zu vermeiden. Wir sollten und müssen alles nehmen, was wir an Klimaschutzmaßnahmen bekommen können – nur nachhaltig muss es sein.
Professor Jürgen Krahl ist Präsident der Technischen Hochschule Ostwestfalen-Lippe (OWL). An diesem Montag spricht er auf dem internationalen Fachkongress für erneuerbare Mobilität in Berlin über die „Perspektive des Verbrennungsmotors und von alternativen Kraftstoffen im Rahmen internationaler Klimaschutzkonzepte“. Weitere Redner sind der Bundestagsabgeordnete Carsten Müller (CDU), Joachim Lutz, Sprecher des Vorstands der CropEnergies AG, Petr Dolejsi, Director Mobility and Sustainable Transport bei der European Automobile Manufacturer's Association (ACEA) und der Hauptgeschäftsführer des Mineralölwirtschaftsverbands, Christian Küchen.