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Standpunkte CO2-Entnahme-Politik breiter diskutieren

Felix Schenuit von der Stiftung Wissenschaft und Politik
Felix Schenuit von der Stiftung Wissenschaft und Politik

Die EU-Klimapolitik hat noch nicht adressiert, wie die CO2-Entnahme angereizt und reguliert werden soll. Mark Preston von Bellona Europa und Felix Schenuit von der Stiftung Wissenschaft und Politik empfehlen, die Debatte nicht auf eine ETS-Integration zu verengen. Alle Optionen müssten auf dem Tisch, darunter Verpflichtungen wie in der Lastenteilungs-Verordnung oder ein paralleler Markt für den CDR-Handel.

von Felix Schenuit

veröffentlicht am 07.11.2024

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In den kommenden Monaten hat die Europäische Kommission die Aufgabe, ein EU-Klimaziel für 2040 und Politikoptionen für die Weiterentwicklung zentraler Instrumente vorzuschlagen. Eine offene Frage ist, welche Rolle CO2-Entnahme aus der Atmosphäre (Carbon Dioxide Removal, CDR) dabei spielen wird. Das Thema wird die zukünftige Arbeit des designierten Kommissars Wopke Hoekstra prägen. Gerade in Deutschland, wo aktuell mit der Langfriststrategie für Negativemissionen (LNe) wichtige Vorarbeit geleistet wird, lohnt es sich, die europäischen Weichenstellungen in diesem Bereich genauer in den Blick zu nehmen.

CDR umfasst eine Reihe von Methoden, die CO2 aus der Atmosphäre entfernen – vorzugsweise für immer. Bekannte Beispiele für neuartige CDR-Methoden sind die direkte Luftabscheidung in Kombination mit der geologischen Speicherung (DACCS) und Bio-CCS. Darüber hinaus werden eine Reihe anderer Methoden diskutiert, oft mit noch offenen Fragen in Bezug auf die Dauerhaftigkeit der CO2-Speicherung. Der Weltklimarat (IPCC) und Modellierungen für die EU und Deutschland zeigen unmissverständlich, dass diese CDR-Methoden ein unvermeidbarer Bestandteil jeder Strategie auf dem Weg zu Netto-Null Treibhausgasemissionen sind.

Eine Lücke in der EU-Klimapolitik

Weniger klar und in der EU-Klimapolitik noch nicht adressiert, ist die Frage, wie CO2-Entnahme angereizt und reguliert werden soll. Tatsächlich gibt es derzeit nur sehr wenige Möglichkeiten, solche Projekte zu finanzieren, ohne auf den freiwilligen Kohlenstoffmarkt zurückzugreifen, der mit Kontroversen behaftet ist.

Die neue europäische Legislaturperiode wird eine wichtige Gelegenheit sein, diese Lücke zu schließen. Besonders viel Aufmerksamkeit bekommt die Integration von CDR in den Europäischen Emissionshandel (ETS). Im Rahmen des ETS-Überarbeitungsprozesses ist die Europäische Kommission verpflichtet, bis 2026 einen Bericht darüber vorzulegen, ob und wie eine Integration ausgestaltet werden könnte

Insbesondere angesichts der Tatsache, dass schon Ende der 2030er Jahre keine weiteren Zertifikate zur Verfügung stehen werden, kommen zunehmend mehr Unternehmen, politische Entscheidungsträger:innen und Experten:innen zu dem Schluss, dass die Einbeziehung von CDR in das ETS unausweichlich ist. Aber ist das wirklich so?

Gründe für eine CDR-Integration

Die Argumentation leuchtet zunächst ein: Zum Ende des nächsten Jahrzehnts dürften die CO2-Preise einen erheblichen Druck auf einige ETS-Anlagen ausüben. Dies wird Investitionen und andere strategische Geschäftsentscheidungen schon lange vor der Ausgabe der letzten Zertifikate Ende der 2030er beeinflussen. Die Liquidität im ETS zu erhöhen, zum Beispiel durch die Integration von CDR, könnte als wirtschaftliche und politische Notwendigkeit angesehen werden, insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Wettbewerbsfähigkeit eine der höchsten politischen Prioritäten der neuen Kommission ist. Gleichzeitig könnte eine Integration in den ETS helfen, die erhebliche Finanzierungslücke bei der CO2-Entnahme zu schließen und dem Markt das Signal geben, Investitionen auszulösen und Finanzströme in die Entwicklung permanenter CO2-Entnahme zu lenken.

Optionen jenseits des ETS prüfen

In dieser frühen Phase der Entwicklung eines Governance-Rahmens für CDR dürfen Entscheidungen jedoch nicht vorschnell fallen. Auch kleinere Fehler im Politikdesign könnten schwerwiegende Folgen haben, die Integrität des ETS als wichtigstes klimapolitisches Instrument der EU beschädigen und gleichzeitig wenig für die Entwicklung dauerhafter und nachhaltiger CO2-Entnahmen erreichen. Neben dem Umfang der CO2-Entnahme und der Frage nach unabhängigen Kontrollen drängt sich auch die Frage auf, welche Methoden überhaupt integriert werden sollten.

Auch wegen dieser zahlreichen Unklarheiten müssen alle Optionen auf dem Tisch bleiben: Neben der ETS-Integration sollten auch die Festlegung von Verpflichtungen zu CDR (ähnlich den verbindlichen Zielen in der Verordnung zur Lastenteilung, die die Ambitionen der einzelnen Mitgliedstaaten unterscheidet) oder die Entwicklung eines parallelen Marktes für den Handel von CDR weiter diskutiert werden. Angesichts der Komplexität des Themas und den möglichen Folgen, ist es problematisch, dass die Debatte scheinbar ohne große Nuancen voranschreitet. Manche Vertreter:innen betroffener Industrien sehen eine Gelegenheit, eine neue Flexibilität (sprich: ein Schlupfloch) in das ETS einzuführen. In diesem Umfeld bleibt zu wenig Raum für einen Dialog über die Chancen und Risiken spezifischer Integrationskonzepte und vor allem über alternative Lösungen.

Noch bevor die Kommission mit der Arbeit an dem Bericht begonnen hat, scheint sich die Debatte in Brüssel auf die ETS-Integration zu verengen. Es besteht das Risiko, den Schritt herbeizureden, anstatt die Vor- und Nachteile einer solchen Integration im Vergleich zu anderen CDR-Politikentwürfen jenseits des ETS gründlich zu bewerten. Das soll nicht heißen, dass die Integration in das ETS nicht ernsthaft und im Detail geprüft werden sollte. Wir brauchen mehr Forschung zu verschiedenen Integrationsoptionen, nicht weniger. Andere Politikoptionen jedoch frühzeitig zu verwerfen, sehen wir als Risiko – sowohl für das ETS als auch für den Hochlauf der CO2-Entnahme.

In den kommenden Jahren wird der ETS mit zahlreichen Reformen konfrontiert sein, wie der Einbeziehung von Müllverbrennungsanlagen, dem Schiffsverkehr, potenziellen neuen Anreizen für die CO2-Nutzung (CCU), der Zukunft des ETS-2 und einer CO2-Bepreisung für den Agrarsektor. Die allgegenwärtige Diskussion über die Integration von CDR könnte von der Umsetzung dieser dringenden Reformen ablenken.

Die Kommission hat bis Juli 2026 Zeit, verschiedene Politikdesigns zu analysieren. In der Zwischenzeit müssen sowohl der angekündigte „Clean Industrial Deal“ als auch das Maßnahmenpaket zum Kohlenstoffmanagement die CDR-Politik weiterentwickeln. Ein wichtiger Ausgangspunkt ist der Vorschlag für ein Zwischenziel für 2040 sowie die Verabschiedung des neuen nationalen Klimabeitrags (NDC) mit einem Ziel für 2035. Mit einem Beschluss getrennter Ziele für Emissionsreduktion und CO2-Entnahme könnte eine wichtige Grundlage für ambitionierte und netto-null-kompatible CDR-Politik geschaffen werden.

CO2-Entnahme: Eine knappe Ressource

Eine grundlegende Herausforderung bei der Entwicklung von sichergestellt permanenten CDR-Methoden besteht darin, dass sie eine der energieintensivsten und teuersten Möglichkeiten sind, um die schlimmsten Auswirkungen des Klimawandels zu mildern – sie sind der „Champagner des Klimaschutzes“. Es muss klar sein, dass wir – auch aufgrund des begrenzten CDR Potenzials in Europa – der Atmosphäre nicht beliebig viel CO2 entnehmen können. In der politischen Planung sollten wir CDR als Option auf dem Weg zu Netto-Null deshalb nur mit Bedacht einsetzen, dessen Entwicklung in dieser kritischen Anfangsphase gleichzeitig aber beherzt fördern.

Für diese Gleichzeitigkeit ist der ETS womöglich nicht das beste Instrument. Wir brauchen deshalb eine ehrliche und breit angelegte Diskussion über Politikoptionen. Ein spezielles Forum für die CO2-Entnahme – in Anlehnung an das Carbon Management Forum der EU – könnte helfen, einen strukturierten Prozess für die systematische und verantwortungsvolle Integration von CDR in die Architektur der EU-Klimaschutzpolitik zu diskutieren, zu analysieren und vorzubereiten. Der deutsche LNe-Prozess könnte hierfür als Blaupause dienen und Deutschland gemeinsam mit anderen Vorreiterstaaten diesen dringend notwendigen Prozess nötiges politisches Gewicht versehen.

Mark Preston ist Senior Policy Manager bei der Umwelt-NGO Bellona Europa, Felix Schenuit ist Research Associate bei der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP).

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