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Agrar & Ernährung

Standpunkte Vernachlässigtes Ökopotenzial – ungehobenes Wählerpotenzial

Johannes R. Gerstner, politischer Berater im Bereich Kamin- und Kachelöfen
Johannes R. Gerstner, politischer Berater im Bereich Kamin- und Kachelöfen

In den Wahlprogrammen der Parteien finden Kamin- und Kachelöfen kaum statt. Ein schwerer Fehler, meint Johannes R. Gerstner. Der Politikberater erinnert an die Bedeutung, die das Heizen mit Holz im ländlichen Raum hat.

von Johannes R. Gerstner

veröffentlicht am 24.02.2025

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Genau einmal hat Kanzler Olaf Scholz das Wort Biomasse beim TV-Duell zur Bundestagswahl 2025 in den Mund genommen – Friedrich Merz gar nicht. Zwar können 90 Minuten plakativer Austausch vor zwölf Millionen Wählerinnen und Wählern nicht repräsentativ sein, beim Thema Biomasse ist es leider doch so. Der wichtige Energieträger sitzt rein wahlkampftechnisch nicht einmal auf der Ersatzbank, er ist gar nicht zum Spiel mitgefahren.

Wie kann das sein? In Deutschland sorgen 11,7 Millionen Kamin- und Kachelöfen im Winter als Zusatzheizung für wohlige Wärme. Und weil die sicher nicht nur in Singlehaushalten stehen, gehe ich von gut 25 Millionen Menschen mit Ofen (und oft auch gutem Einkommen oder Eigenheim) aus. Ein Wählerpotenzial, das aktuell keine Partei zu heben weiß.

Eine kurze Analyse der Wahlprogramme zeigt: Nur indirekt wird das Heer von Kamin- und Kachelöfen berücksichtigt. Eine Aussage zu Förderungen oder Ausbau findet sich nicht. Die Union bekennt sich immerhin zur Technologieoffenheit, das hat sie mit FDP und AfD gemein.

Holz im Heizungsgesetz anfangs nicht vorgesehen

Ein schwacher Trost, wobei dieser Punkt bei einer Neugestaltung des Gebäudeenergiegesetzes wieder interessant werden dürfte. Die Nutzung von Biomasse war darin anfangs nicht als erneuerbare Heizungsoption vorgesehen. Am Ende wurde festgelegt, dass der Kamin- und Kachelofen mit zehn Prozent auf das Gesamtziel von 65 Prozent Anteil erneuerbarer Energien am Gesamtenergiemix angerechnet werden kann.

Immerhin haben einige Parteien aus dem Energiepolitikdebakel der vergangenen Jahre gelernt. Sowohl Union als auch SPD und FDP sprechen sich für bezahlbare Wärmelösungen aus. Hier können Kamin- und Kachelöfen punkten. Was bei Pellets teilweise Realität ist, gibt es bei Scheitholz kaum: Holzimporte aus dem Ausland.

Scheitholz wird fast ausschließlich regional bezogen, meist von kleinen forstwirtschaftlichen Betrieben, die nicht immer gewinnmaximierend arbeiten müssen. Auch die Heizgeräte sind langlebig, kommen ohne Elektrizität aus und sind als einfache, aber gute Geräte erschwinglich.

Ländliche Räume nicht mitgedacht

Sucht man weiter in den Wahlprogrammen, findet man durchaus Positives für den Ofen. Union, SPD, Bündnis90/Die Grünen, FDP und AfD versprechen, den ländlichen Raum zu stärken, regionale Wirtschaftskreisläufe zu fördern und gleichwertige Lebensverhältnisse zu schaffen.

Das war in den vergangen Jahren oft nicht der Fall, nicht nur in der Energiepolitik. Im tiefen Bayerischen Wald profitiert man viel weniger von einem steuerfinanzierten Deutschlandticket als in der Metropolregion Rhein-Ruhr. Allerdings ist man von der Einschränkung von Biomasse und der fehlenden Berücksichtigung der regionalen Holzwärme ungleich mehr betroffen.

Öfen sind Teil der Lösung im Klimaschutz

Ein weiterer Punkt könnte den Ofen bei den Parteien gut platzieren – die Chance wird jedoch verpasst: Dass Klimaschutz notwendig ist und den Rahmen für Energie- und Wirtschaftspolitik vorgibt, ist bis auf Ausnahme der AfD Konsens. Der Umgang mit diesem Rahmen ist jedoch höchst unterschiedlich. An Öfen als Teil der Lösung denkt niemand.

Die Union legt die Option Kernenergie, abgeschafft durch die CDU-Kanzlerin Angela Merkel, wieder auf den Tisch und nimmt auch fossile Energiequellen zähneknirschend in Kauf. Die Lösung liegt in zentralen und teuren Energiequellen.

Die Grünen setzen nach wie vor auf grünen Strom und die Wärmepumpe. Doch Holzöfen sind ebenfalls in der Lage, aktiv klimaschädliches CO2 einzusparen. Jedes Grad am Thermostat, das ich an einer fossilen Heizung zurückdrehen kann, bringt uns in kleinen Schritten unserem Klimaziel näher. Denn wenn ich das Temperaturdefizit mit dem Ökobrennstoff Holz ausgleiche, der nur so viel CO2 abgibt, wie er im Laufe seines Lebens gespeichert hat, betreibe ich aktiven Umweltschutz.

Auch zum Thema Wärmepumpe trägt der Holzofen bei, daher ist es umso erstaunlicher, dass er im Wahlprogramm der Grünen nur zwischen den Zeilen durchscheint. Neben innovativen Geräten, die als technologische Einheit Holzwärme und Wärmepumpen aktiv verbinden, leistet bereits ein einfacher Kamin- oder Kachelofen seinen Beitrag. Er entlastet den Geldbeutel und die Umwelt.

Eventuell kann ich energetische Sanierungen schrittweise angehen und muss nicht auf einen Schlag große Summen investieren. Der Ofen hilft dann zu den kalten Zeiten, wo es nötig wird. Auch die Lebensdauer von Wärmepumpen profitiert. Man kann die Geräte kleiner dimensionieren und so den kostenintensiven Kompressor vor vorzeitigem Verschleiß im laufenden Betrieb bewahren. Und die Akzeptanz der für manche noch neuen und ungewohnten Technologie dürfte massiv ansteigen, wenn ich dank eines Ofens immer eine schnell verfügbare und versorgungssichere Wärmequelle zur Hand habe.

Imagewandel vom Klimaretter zur Feinstaubschleuder

Warum diese Ignoranz gegenüber der heimischen Wärmequelle Holzofen? Das Image der Holzwärme ist sicherlich ein Teil des Problems. Lange Zeit galt Biomasse als ökologisch überlegen, CO2-neutral und regional.

Heute wird in Frage gestellt, ob das Verbrennen von Holz überhaupt CO2-neutral ist. Auch die Feinstaubemissionen werden als Argument gegen Kamin- und Kachelöfen genannt. Dabei ist der aktuelle Ofen schon weit entfernt vom Bolleröfchen aus Großmutters Zeiten. Der gefährliche Feinstaub, der bei der Holzverbrennung entsteht, ist dank moderner Öfen und Filtertechniken wie dem elektrostatischen Staubabscheider grundsätzlich kein Thema mehr, wenn die Öfen nachgerüstet werden.

Mein Appell an die künftige Regierung: Holt den Holzofen aus der politischen Versenkung, nutzt sein Potenzial. Auch wenn es mit den Wahlprogrammen nicht geklappt hat, im Koalitionsvertrag kann man es ja besser machen. Das wäre nicht nur im Sinne der Umwelt, sondern auch von 25 Millionen Menschen in Deutschland.

Johannes R. Gerstner berät Verbände und Initiativen im Bereich Kamin- und Kachelöfen politisch, darunter die Europäische Feuerstätten Arbeitsgemeinschaft, die Initiative Ofenzukunft des Gesamtverbands Ofenbau und die Clean Exhaust Association.

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