Vergangene Woche gaben die Verantwortlichen von fünf Städten in Afrika – Accra (Ghana), Bahir Dar (Äthiopien), Kampala (Uganda), Kano (Nigeria) und Mutare (Simbabwe) – die 12 Gewinner der Africa Multi-City Challenge bekannt. Diese Städte haben sich mit Unterstützung des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen und des Governance Lab (unsere Organisation) an ihre Bürger:innen gewandt, um drei große Herausforderungen zu meistern: die Verbesserung des Abfallmanagements, die Stärkung der städtischen Resilienz in den Slums sowie das Wachstum und die Unterstützung der informellen Wirtschaft. Die Städte wählten die Gewinner aus fast 300 eingegangenen Vorschlägen aus, die diese Probleme adressierten – wie etwa das „Zero Bola Project“, das die Müllhalden in Kano innerhalb von fünf Jahren beseitigen will, indem es moderne Deponien einsetzt, mit denen die Treibhausgasemissionen um 50 Prozent reduziert werden sollen.
Nur wenige Monate zuvor hatten fünf Städte im Norden Mexikos (Hermosillo, Reynosa, San Nicolás, San Pedro und Torreón) ein ähnliches Projekt ins Leben gerufen. Mehr als 5.600 Teilnehmende, darunter Bürger:innen, Student:innen, NGOs und andere zivilgesellschaftliche Organisationen, brachten sich ein und steuerten mehr als 200 Vorschläge bei.
Die Bevölkerung ist die wertvollste Ressource von Städten
Da die Mehrheit der Weltbevölkerung laut Prognosen der Vereinten Nationen bis 2050 in urbanen Metropolen leben wird, sind die smartesten Städte diejenigen, die ihre wertvollste Ressource für die Bewältigung der städtischen Herausforderungen nutzen: die Bewohner:innen. Denn meist sind es die eigenen Mitarbeitenden der Verwaltung und die Menschen, die vor Ort leben, die richtig einschätzen können, welche Probleme es gibt und wie man sie lösen kann. Richtig gemacht, hilft Bürgerbeteiligung dabei, diese Schwarmintelligenz anzuzapfen und zu mobilisieren, um praxistaugliche Lösungen umzusetzen.
Weltweit gibt es immer mehr Städte, die neue Technologien nutzen, sich mit ihren Einwohner:innen und Menschen auf der ganzen Welt vernetzen und gemeinsam Lösungen für Probleme entwickeln. In Helsinki hat das Büro des Bürgermeisters die Initiative „Climate Watch“ gestartet und eine Website eingerichtet, die es der Bevölkerung und Entscheider:innen ermöglicht, gemeinsam den Aktionsplan für ein klimaneutrales Helsinki 2035 zu erstellen. Damit können die Bürger:innen nun die öffentliche Verwaltung in die Pflicht nehmen, die 147 Zielvorgaben des Climate Watch Plans zu erfüllen.
Von Erdbeeren für die Bevölkerung bis zu Nachbarschafts-AGs: Partizipation ist vielfältig
In Santiago de Chile arbeiten städtische Beamte mit Forscher:innen lokaler und internationaler Universitäten zusammen. Sie nutzen Daten aus dem öffentlichen und privaten Sektor, etwa Satelliten- und Telekommunikationsdaten, um die Auswirkungen des Geschlechts auf das Pendlerverhalten zu untersuchen und der Stadt zu helfen, geschlechtergerechte Transportmöglichkeiten zu schaffen. Die Städte Antwerpen und Barcelona verteilen Erdbeerpflanzen an die Bewohner:innen. Die Menschen testen die Blätter, um Daten über die Luftqualität zu sammeln. In Athen dient die Plattform synAthina als zentrales Portal für Bürgerbeteiligung, auf dem jede gemeinnützige Organisation, jedes Unternehmen und jede Gruppe von Menschen ihre Arbeit an gemeinschaftsorientierten Projekten vorstellen kann.
In Lakewood, Colorado, einem mittelgroßen Vorort von Denver, hat der Stadtplaner Jonathan Wachtel mit der lokalen Bevölkerung eine 30.000-köpfige „Nachhaltigkeits-AG“ geschaffen. Zuvor arbeitete die Stadt mit den Bewohner:innen auf die übliche Weise zusammen: Die Anwohner:innen konnten zu einem Planungstreffen gehen, um sich über bereits gemachte Pläne zu beschweren, aber das ließ sie frustriert und Wachtel – den einzigen Stadtplaner der Stadt – überfordert zurück. Er rief das „Sustainable Neighborhoods Program“ ins Leben, um Anwohner:innen mit Leidenschaft, Ideen und Know-how zu ermutigen, Projekte vorzuschlagen, die sie dann gemeinsam mit ihren Nachbar:innen entwickeln und umsetzen. Inzwischen haben sich acht Stadtteile, die ein Fünftel der Stadtbevölkerung abdecken, dem Sustainable Neighborhoods Program angeschlossen. Mehr als 500 von den Bewohnerinnen geleitete Veranstaltungen, Workshops und Projekte haben Abfall reduziert, Wasser gespart und die Energieeffizienz verbessert.
Partizipationsprozesse brauchen sorgfältige Vorbereitung
Aber um das Wissen der Bürger effektiv zur Lösung von Problemen nutzen zu können, bedarf es sorgfältiger Planung. Die Africa Multi-City Challenge war nicht einfach ein offener Wettbewerb, bei dem die Bevölkerung nach guten Ideen gefragt wurde. Stadtbeamt:innen durchliefen insgesamt acht Trainingseinheiten, um zu lernen, wie sie die Problemstellung definieren müssen, auf dessen Lösung sie die Bewohner:innen ansetzen wollen. Dabei spielten etwa Daten und Erkenntnisse darüber eine Rolle, warum diese Probleme überhaupt auftreten. Zudem wurden den Bürger:innen konkrete Fragen gestellt, wie ihre Ideen umgesetzt werden können. Ein weiteres Coaching ist geplant, um die Vorschläge in die Tat umzusetzen.
Die erfolgreichsten Fälle von Bürgerbeteiligung sind diejenigen, bei denen konkrete und spezifische Aufgaben formuliert werden, bei denen die Projektleiter:innen eine Reihe von Teilnehmenden identifiziert haben, deren Fachwissen gut auf die anstehende Aufgabe abgestimmt ist, und es einen klaren Prozess und Arbeitsablauf gibt. Wie zum Beispiel bei der Initiative „Civic Bridge“ in San Francisco: In dem Programm arbeiten Freiwillige von Technologieunternehmen aus dem Silicon Valley mit städtischen Abteilungen zusammen, um gemeinsam verbesserte öffentliche Dienstleistungen zu entwickeln. Das Projekt hat einen 50-seitigen Leitfaden, der klarstellt, wie das Engagement abläuft und wie die Expertise der Teilnehmenden am besten auf die Bedürfnisse der Stadt abgestimmt werden können.
Was erfolgreiche Bürgerbeteiligung ausmacht
Um Probleme gemeinsam mit den Bürger:innen zu lösen, muss man wissen, wie man Schwarmintelligenz effektiv nutzt: Dazu muss die Projektleitung in der Lage sein, das konkrete Ziel eines Projektes zu formulieren, zu erklären, warum eine Beteiligung hilfreich ist, die richtigen Teilnehmenden mit den notwendigen Fähigkeiten zur Zusammenarbeit identifizieren, Mechanismen entwickeln, um diese Teilnehmenden zu erreichen, und sich bemühen, auch unterrepräsentierte Gruppen zu gewinnen.
Institutionen und Teilnehmende müssen entscheiden, wer der richtige Verantwortliche für ein Co-Creation-Projekt ist: Die Regierung hat vielleicht die Einberufungsbefugnis und das Budget, aber die Bürger:innen sind vielleicht eher für eine zivilgesellschaftliche Gruppe empfänglich. Ein gutes Projektdesign stellt sicher, dass die Anreize für das Engagement, die Rollen und Aufgaben der Teilnehmenden klar sind. Zudem braucht es einen Evaluationsplan und eine frühzeitige Sicherstellung, dass die Ergebnisse auch genutzt werden.
Um eine wirklich intelligente Stadt zu schaffen – eine, die sich das Wissen derer zunutze macht, die dort leben – müssen wir zunächst lernen, wie wir richtig zuhören. Nur so können wir Beteiligungsprozesse organisieren, die zu echten Lösungen für große Herausforderungen führen – passgenau für die jeweiligen Budgets und spezifischen Situationen vor Ort.
Beth Simone Noveck ist Professorin an der New York University und Gründerin und Direktorin des dortigen Governance Lab. Sie ist zudem Mitglied des Digitalrats der deutschen Bundesregierung. Unter dem ehemaligen US-Präsidenten Barack Obama war Noveck stellvertretende Technologiebeauftragte im Weißen Haus und leitete die Open Government Initiative. Ihr neues Buch „Solving Public Problems: A Practical Guide To Fix Our Government and Change Our World" erscheint im Frühjahr bei Yale University Press. Am 23. März spricht sie beim „International Smart City Symposium“ des Centre for Digital Governance der Hertie School und der Technologiestiftung Berlin.