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Thomas Sattelberger

Thomas Sattelberger, Thomas Sattelberger, als Staatssekretär im BMBF zurückgetreten
Thomas Sattelberger, als Staatssekretär im BMBF zurückgetreten Foto: Jörg Carstensen/dpa
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von Manfred Ronzheimer

veröffentlicht am 23.05.2022

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Der Wanderer zwischen den Welten zieht weiter. Thomas Sattelberger hat am Freitag angekündigt, vom Amt des Parlamentarischen Staatssekretärs im Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) zurückzutreten. Auch sein Bundestagsmandat legt er nieder. In der Innovations- und Forschungsszene des politischen Berlins, das an diesem Tag die finale Einigung über den Bundesetat 2022 nach der nächtlichen „Bereinigungssitzung“ des Haushaltsausschusses zu verdauen hatte (Tagesspiegel Background berichtete), wirkte die Personalie wie ein Paukenschlag.

Zur Begründung des Schritts führte der 72-jährige, der sich im ersten Pandemiejahr als einer der ersten Politiker mit dem Corona-Virus infiziert hatte, „gesundheitliche und private Gründe“ an. Die Entscheidung sei ihm nicht leichtgefallen. „Es war mir eine Ehre und eine Freude, an den Zukunftsthemen des Landes mitzuwirken“, heißt es in seiner Erklärung. Während Sattelberger zunächst verlautbarte, sich mit seiner Entscheidung aus der Politik zurückzuziehen, twitterte er später: „Nicht mehr in der Berliner Politik zu sein, heißt NICHT, nicht mehr politisch zu sein. Ihr kennt mich doch, fürs Altenteil ist es viel zu früh!“

Stark-Watzinger bedauert Rücktritt

Auf seinen Tweet hin, der mit dem Cover seines früheren Buches „Ich halte nicht die Klappe. Mein Leben als Überzeugungstäter in der Chefetage“ geziert war, gab es viele Reaktionen, in denen Sattelbergers Entscheidung bedauertet und seine fachpolitische Kompetenz sowie seine Begeisterung für Forschungsthemen hervorgehoben wurden.

Auch Bildungs- und Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger bedauerte Sattelbergers Schritt: „Er hat in kürzester Zeit vieles angestoßen, etwa die Umsetzung der Deutschen Agentur für Transfer und Innovation (Dati), die Entfesselung der Bundesagentur für Sprunginnovationen (Sprind) oder die Aufwertung Sozialer Innovationen“, schrieb sie. Für die FDP-Politikerin war Sattelberger „eine große Unterstützung, ein wichtiger Teil des Teams und wird uns auch als Mensch fehlen“.

Sattelberger war 2017 als Seitenwechsler in die Politik gekommen, in einem Alter, in dem der Renteneintritt eine naheliegende Alternative gewesen wäre. Vorher hatte er eine „Tour“ durch die Vorstände namhafter Dax-Konzerne absolviert, darunter Continental, Deutsche Telekom, Lufthansa und Daimler-Benz Aerospace, wo er sich als Personalvorstand für das Thema Diversity Management und eine Frauenquote engagierte. Als Vorsitzender des deutschen MINT-Forums war ihm der naturwissenschaftlich-technische Nachwuchs ein besonderes Anliegen, was er auch als forschungs- und innovationspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion im 19. Bundestag fortsetzte. Als Oppositionspolitiker war Sattelberger einer der profiliertesten Kritiker der damaligen CDU-Forschungsministerin und beendet jede seiner Plenarreden mit den Worten: „Ran an den Speck, Frau Karliczek“.

Die Mühen der Regierungsebene

Mit dem Start der Ampel-Koalition Ende 2021 stand der Wandel vom Oppositions- zum Regierungspolitiker an. War Sattelberger zuvor ein vehementer Kritiker etwa an der Amtsführung von Fraunhofer-Chef Reimund Neugebauer, galt es in der neuen Konstellation, die Leistungen der größten staatlichen Organisation für angewandte Forschung positiv glänzen zu lassen. Einvernehmlich ging daher auch am letzten Donnerstag die Umbildung des Fraunhofer-Senats vonstatten, in dem Sattelberger qua Amt Mitglied ist. In seinem Job als Staatssekretär habe sich Sattelberger „neu erfunden“, zeichnete „Die Zeit“ jüngst unter ein Porträt des Mannes, „der keine Ruhe gibt“.

In seiner Funktion als gefühlter Chief Innovation Officer der Bundesregierung kam Sattelberger vor allem bei seinen Lieblingsprojekten Dati und Sprind mit den „Mühen der Ebene“ in Berührung: Abstimmungs-Querelen zwischen den Ressorts, finanzielle Fußfesseln und die üblichen Eifersüchteleien im Wissenschaftsbereich dämpften den Innovations-Elan der ersten Wochen. Gerade die Haushälter des Bundestages bauten hohe administrative Hürden für die „Leitvorhaben“ auf. So wurde die Dati gleich zu Beginn der Etatberatungen 2022 mit einer Ausgabesperre belegt, die auch in der Bereinigungssitzung nicht zurückgenommen wurde. 15 Millionen Euro bleiben deshalb in diesem Jahr gesperrt, bis ein „schlüssiges Konzept“ vorliegt und der Haushaltsausschuss seine förmliche Zustimmung gibt. Für die Dauerfinanzierung ab 2023 ist die Lage nicht entspannter, weil das BMBF dann – wie die meisten anderen Ressorts auch – in die Phase der Etatkürzungen eintritt.

Diese Gemengelage könnte für Sattelbergers Entscheidung – neben den genannten gesundheitlichen Gründen – durchaus eine Rolle gespielt habe. Was gern als Königsweg der Erneuerung gefeiert wird – „Disruption“ – hat sich nun in den Forschungspolitik ereignet. Kein allmählicher Übergang und Abschied mit Aufbau einer Nachfolgelösung, sondern ein harter Bruch. Für diese Interpretation des Rücktritts als kaschiertem politischen Protest spricht auch der Umstand, dass Sattelberger bis zuletzt voll im Geschirr der innovationspolitischen Kärrnerarbeit steckte. Noch am Freitag erschien im „Handelsblatt“ ein Gastkommentar Sattelbergers zur Baustelle des „Dateninstituts“ und dessen schleppendem Aufbau, fast schon im O-Ton einer Kritik der Regierungspolitik. Es böten sich große Chancen, die aber ergriffen werden müssten, mahnte Sattelberger – mit der bekannten Coda: „Machen wir uns ran an den Speck!“ Manfred Ronzheimer

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