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Standpunkte Unbeabsichtigte Folgen einer CSRD-Vereinfachung

Filip Gregor, Mitglied des Nachhaltigkeitsvorstands der European Financial Reporting Advisory Group (Efrag), Abteilungsleiter Unternehmensverantwortung bei Frank Bold
Filip Gregor, Mitglied des Nachhaltigkeitsvorstands der European Financial Reporting Advisory Group (Efrag), Abteilungsleiter Unternehmensverantwortung bei Frank Bold Foto: Frank Bold

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyens Ankündigung, Berichtspflichten von Unternehmen mit einem „Omnibus“ zu verringern, hat einige Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Filip Gregor, Abteilungsleiter bei der zivilgesellschaftlichen Organisation Frank Bold und Efrag-Mitglied, warnt vor möglichen Nachteilen.

von Filip Gregor

veröffentlicht am 16.01.2025

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Die EU Kommission plant Ende Februar ein Omnibus-Vorhaben vorzustellen, welches verschiedene EU-Vorgaben zum nachhaltigen Wirtschaften, darunter die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), vereinfachen oder gar aufweichen will. Dabei rücken vor allem die Vorgaben zur Berichterstattung in den Fokus und auch deutsche Politiker fordern eine Kehrtwende um 180 Grad mit drastischen Einschnitten, um eine kurzfristige Entlastung für Unternehmen verkünden zu können.

Nachhaltigkeitsinformationen für Steuerung benötigt

Den Wandel zu einer nachhaltigen Wirtschaft ohne Daten zu bewerkstelligen, ist insbesondere im Informationszeitalter ein seltsamer Vorschlag. Dabei herrscht durchaus Übereinstimmung in Unternehmen und Politik, dass die Herausforderungen, vor denen wir stehen, gewaltig und komplex sind. Wir müssen die Wirtschaft dekarbonisieren. Wir müssen dies auf eine Art und Weise tun, die die europäischen Unternehmen nicht zerstört, wie es vor einigen Jahren in der Photovoltaikindustrie geschah und sich in strategischen Branchen wie der Stahlproduktion zu wiederholen droht.

Im Gegensatz zu den Entscheidungen, die wir in den letzten zwei Jahrzehnten getroffen haben, müssen wir unsere Wirtschaft dabei weniger und nicht mehr von der Produktion in und den Energieimporten aus autoritären Ländern abhängig machen, die sowohl risikoreich oder gar feindselig sind als auch sich nicht um Klimawandel oder Menschenrechte scheren.

Bei der Nachhaltigkeitsberichterstattung geht es darum, die richtigen Informationen zu erhalten, um ein effektives Management und eine sinnvolle Steuerung zu ermöglichen. Ohne sie sind wir an einen kurzfristigen Horizont gebunden und können die Risiken und Konsequenzen, die dahinter lauern, nicht einschätzen.

Das Dilemma der CSRD liegt nicht im Zweck der Berichterstattung. Die Unternehmen brauchen Daten über den CO₂-Fußabdruck. Es muss Transparenz herrschen über das Ausmaß und Risiko von problematischen Projekten und Geschäftsbeziehungen in Hochrisiko-Ländern.

Firmen müssen nur Wesentliches berichten

Das Problem ist die mangelnde Fokussierung in der CSRD-Umsetzung, die die Berichterstattung viel komplexer werden lässt, als sie sein sollte. Die CSRD gibt den Unternehmen die Freiheit und die Verantwortung zu bestimmen, was wesentlich ist und berichtet werden muss. Die EU-Berichtsstandards leiten die Unternehmen dazu an, sich auf Risikofaktoren zu konzentrieren und eine Berichterstattung über jeden einzelnen Akteur der Wertschöpfungskette zu vermeiden. Es wird gefordert, dass die Bemühungen zur Informationsbeschaffung „zumutbar und angemessen“ sind. Die Europäische Kommission weist darauf hin, dass die Umsetzung „pragmatisch“ sein sollte.

Wenn die Unternehmen jedoch nicht wissen, wie sie die richtigen Prioritäten setzen sollen, wird die Nachhaltigkeitsberichterstattung in der Tat sinnlos und äußerst schwierig zu handhaben. Die Lösung besteht darin, die Nachhaltigkeitsberichterstattung einfach und zielgerichtet zu gestalten. Eine Abschaffung - sei es für alle oder nur für eine Teilmenge der Unternehmen - würde genau das Gegenteil bewirken.

Banken, Investoren und große Unternehmen werden in jedem Fall Informationen benötigen. Die Komplexität der Berichterstattung hängt sowohl für große als auch für kleine Unternehmen von der Verfügbarkeit von Informationen auf dem Markt ab. Je mehr Unternehmen in das System eingebunden sind, desto einfacher ist es, an die Daten zu gelangen und die Informationsanforderung zu rationalisieren.

Einige der Vorschläge aus dem Brief der deutschen Minister Volker Wissing, Jörg Kukies, Robert Habeck und Hubertus Heil würden das in der europäischen Gesetzgebung verankerte, auf internationalen Standards basierende Informationssystem zwischen Unternehmen unterbrechen und dazu führen, dass anstelle von standardisierten Angaben nur wieder mehr individuelle Fragebögen verschickt würden.

Omnibus-Debatte sollte sich auf Umsetzung konzentrieren

Es ist offensichtlich, dass die Einführung einer aussagekräftigen Nachhaltigkeitsberichterstattung eine Herausforderung ist. Diese Tatsache unterstreicht, wie wichtig es für Unternehmen ist, interne Kapazitäten im Bereich der Nachhaltigkeit aufzubauen, wenn diese fehlen. Die Debatte über das Omnibus-Vorhaben sollte sich auf den richtigen Zeitplan für die schrittweise Umsetzung konzentrieren, den die Unternehmen benötigen, um diesen ersten, aber wesentlichen Schritt beim Übergang zur Nachhaltigkeit zu machen.

Letztendlich gleichen die Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD) und die Sorgfaltspflicht im Bereich der Nachhaltigkeit (CSDDD) die Wettbewerbsbedingungen für EU-Hersteller an, die nach europäischen Arbeits- und Umweltstandards arbeiten und mit Importen aus Ländern mit zum Teil geringeren Standards konkurrieren. Sie geben außerdem Unternehmen, die freiwillig oder aus wirtschaftlicher Notwendigkeit auf problematische Wertschöpfungsketten angewiesen sind, Hinweise, wo sie Prioritäten setzen und worauf sie sich konzentrieren können.

Die Aufhebung dieser einheitlichen Anforderungen für den EU-Markt wird einen Wettlauf nach unten in den Wertschöpfungsketten beschleunigen, die Verlagerung der Produktion auf andere Kontinente weiter vorantreiben und die Wettbewerbsfähigkeit der EU-Produzenten untergraben. Nicht umsonst haben die Brics-Staaten diese EU-Gesetze in ihrer Abschlusserklärung in Kasan im Oktober als diskriminierend und protektionistisch bezeichnet. Wenn Xi Jinping und Wladimir Putin der EU sagen, was sie nicht tun soll, sollten wir das ernsthaft berücksichtigen.

Gefährliche Importabhängigkeit der EU

Ein „Wettlauf nach unten“ in den globalen Wertschöpfungsketten birgt die Gefahr, dass die Abhängigkeit der EU vom Import wichtiger und grundlegender Materialien und Produkte wie Stahl zunimmt, die für die Zukunftsfähigkeit der EU-Wirtschaft und die Gewährleistung der Sicherheit der EU unerlässlich sind. Die Gesetzgebung zur Nachhaltigkeit sollte die einheimischen strategischen Industrien der EU unterstützen und dabei berücksichtigen, dass die Feindseligkeit der undemokratischen Regime in der ganzen Welt zunimmt.

Darüber hinaus braucht der EU-Markt eine strategische Industriepolitik, die einen gemeinsamen Plan für Wettbewerbsfähigkeit und Dekarbonisierung umfassen sollte, wie in der auf Ersuchen von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen erstellten Analyse von Mario Draghi betont wird.

Wenn es uns ernst ist mit dem Schutz der EU-Wirtschaft und insbesondere des verarbeitenden Gewerbes in der EU, dann brauchen wir letztlich eine standardisierte Nachhaltigkeitsberichterstattung. Wettbewerbsfähigkeit und Dekarbonisierung erfordern als ersten Schritt, dass Unternehmen, Waren und Dienstleistungen, die auf dem EU-Markt konkurrieren, transparent über ihre Nachhaltigkeits- und Menschenrechtsbilanz sein müssen.

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