Deutschland stellt sich gerade die Frage, ob Gesundheitsdaten über die elektronische Patientenakte geteilt werden sollen. Ich verstehe, warum diese Frage gestellt wird. Trotzdem glaube ich, dass sie fast nicht mehr zeitgemäß ist. Denn ob Gesundheitsdaten von Patienten und Patientinnen gesammelt werden, steht gar nicht in Frage – der Zug ist abgefahren. Globale Unternehmen wie Google wissen schon heute mehr über unsere Gesundheit als unser eigener Hausarzt. Denn der muss Informationen wie MRT-Bilder erst anfordern und Lebensgewohnheiten erfragen. Google dagegen weiß darüber Bescheid, welche Krankheiten wir bei uns vermuten und welche Risikofaktoren wir haben – ob das jetzt eine Vorliebe für das Cocktailmixen oder eine Seriensucht sind.
Gesundheitsdaten zu sammeln, ist nicht per se schlecht. Das Entscheidende ist, dass dies unter demokratischer Kontrolle geschieht – also nicht unter Bedingungen, die private Unternehmen oder autoritäre Regime diktieren. In Dänemark organisieren die Regionen die Bereitstellung der elektronischen Patientenakte. Wir unterliegen als Dienstleister den gesetzlichen Regeln und sind direkt der Gesundheitsdatenverwaltung unterstellt. Uns prüfen also nationale und regionale Verwaltung. Außerdem sitzen bei neuen Projekten Patientenvertreter mit am Tisch. Denn die Daten gehören nicht uns, sondern den Patientinnen und Patienten. Das gemeinsame Arbeiten an diesem Projekt, das nun seit über 15 Jahren läuft, hat gezeigt: Wir Dänen fühlen uns am sichersten mit dem, was uns gemeinsam gehört. Theoretisch können die Nutzer auch Teile der Akte sperren. Nur nutzt fast niemand diese Möglichkeit – und das hat gute Gründe.
Daten teilen macht klüger
In Dänemark ist das Vertrauen in den öffentlichen Sektor groß. Denn wir bekommen nicht nur umfassende öffentliche Dienstleistungen im Austausch für hohe Steuern, sondern auch ein hohes Maß an Transparenz. Es gibt oft kritische Diskussionen um die Verwendung öffentlicher Gelder. Auf sundhed.dk haben wir etwa immer deutlich gemacht, wenn eine Leistung in einer Region nicht zur Verfügung stand oder eine Dienstleistung in der Entwicklung war.
Ich bin kein Freund davon, das Ausfüllen der elektronischen Patientenakte freiwillig zu machen. Wir werden klüger daraus, Daten zu teilen. Ich bin dafür, dass Ärzte oder Pflegepersonal unbegrenzten Zugang zu Daten haben. Gerade der ganzheitliche Blick auf den Patienten kann helfen, zu einer besseren Diagnose zu kommen. Wir begrenzen gezielt, wer die Akte sehen kann, nämlich nur behandelnde Ärzte, Pflegepersonal und Sekretäre. Dafür können die Behandelnden aber alle Medikamente und Krankenhausaufenthalte sehen. Natürlich sind Beispiele wie die aus China, wo Gesundheitsdaten mit anderen Daten kombiniert und für ein soziales Ratingsystem verwendet werden, abschreckend und gehen viel zu weit. Aber hier sind wir wieder beim Thema demokratische Kontrolle: Sie ist unabdingbar – und gerade deswegen ist es außerordentlich wichtig, dass die deutschen Bürger an der Entwicklung der elektronischen Patientenakte beteiligt werden.
Morten Elbæk Petersen ist seit der Gründung im Jahr 2003 Direktor des dänischen Gesundheitsportals sundhed.dk.