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Gesundheit & E-Health

Standpunkte Großes Potenzial, das nicht verspielt werden darf

Andreas Strausfeld, Vorsitzender der Bitmarck-Geschäftsführung
Andreas Strausfeld, Vorsitzender der Bitmarck-Geschäftsführung

Bei allem Potenzial der elektronischen Patientenakte sind eine sachliche Betrachtung und realistische Erwartungen wichtig, schreibt Andreas Strausfeld, Vorsitzender der Bitmarck-Geschäftsführung, im Standpunkt. Die Chancen einer funktionierenden ePA seien gesamtgesellschaftlich zu groß, als dass sie leichtsinnig für Partikularinteressen geopfert werden sollten. Gewünscht hätte er sich eine frühzeitigere Informationskampagne des Bundesgesundheitsministeriums.

von Andreas Strausfeld

veröffentlicht am 02.12.2024

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Mit der Einführung der „ePA für alle“ am 15. Januar 2025 wird es erstmals möglich sein, dass alle gesetzlich Versicherten automatisch eine elektronische Patientenakte (ePA) erhalten, sofern sie dem nicht widersprechen. Dies markiert einen Meilenstein für das deutsche Gesundheitswesen und legt den Grundstein für eine umfassende, vernetzte Gesundheitsakte. Die ePA entwickelt sich immer mehr zum elementaren Bestandteil der digitalen Transformation im deutschen Gesundheitswesen. Die in Teilen der Medien emotional geführte Debatte rund um die ePA ist verständlich und belegt die hohe Relevanz des Projekts. Dennoch sind eine sachliche Betrachtung und realistische Erwartungen wichtig. Denn die Chancen einer funktionierenden elektronischen Patientenakte sind gesamtgesellschaftlich zu groß, als dass sie leichtsinnig für Partikularinteressen geopfert werden sollten. Zur Sachlichkeit gehört auch, den Start der ePA für alle nicht mit überzogenen Erwartungen zu belasten: Nicht jeder Versicherte wird direkt im Januar Zugriff haben, denn die Anlage der Akten erfolgt gestaffelt.

Die ePA ermöglicht es, Gesundheitsinformationen strukturiert und sicher zu speichern und für behandelnde Akteure wie Ärzte, Krankenhäuser und Apotheken orts- und zeitunabhängig zur Verfügung zu stellen. Doch noch mehr profitieren die Versicherten und Patienten: Eine konsequent eingesetzte ePA hilft, Doppeluntersuchungen zu vermeiden, Behandlungspläne besser zu koordinieren und Diagnosen präziser zu stellen. Zudem wird die Akte kontinuierlich um neue Module und Funktionen erweitert, die die praktischen Bedürfnisse der Versicherten und der Leistungserbringer abdecken. Patientenakte, E-Rezept, eVerordnung, TI-Messenger (Direktnachrichtendienst), Anbindung an das Organspenderegister – die ePA-App entwickelt sich ständig weiter. Auch der Sicherheitsaspekt stand und steht bei der ePA von Anfang an im Mittelpunkt. Die Gesundheitsakte ist mehrfach verschlüsselt, in deutschen Rechenzentren gesichert, und die Authentifizierung erfolgt mehrstufig. Der Nutzer allein entscheidet, wer auf welche seiner seine Daten zugreifen darf. Die ePA fungiert quasi als „digitaler Tresor“, in dem Daten sicher aufbewahrt und gleichzeitig für die Berechtigten jederzeit verfügbar sind.

Akzeptanz der ePA durch öffentliche Vorteilsdiskussion stärken

Um aber die Akzeptanz der ePA in der Bevölkerung zu fördern, ist eine intensive Diskussion rund um den Nutzen und die Vorteile der ePA nach wie vor zwingend vonnöten. Die Versicherten müssen ein klares Bild ihrer Möglichkeiten erhalten. Verbunden damit, das Vertrauen in diese Technologie zu stärken. Eine frühzeitig gestartete Informationskampagne des Bundesministeriums für Gesundheit wäre wünschenswert gewesen. Denn diese erst Anfang Oktober gestartete Initiative ist ergänzend zu den Informationen der Krankenkassen ein wichtiger Schritt, um den Versicherten die Vorteile der ePA näherzubringen. Denn eine geringe Widerspruchsquote – sie liegt derzeit bei unter fünf Prozent – bedeutet nicht automatisch, dass die ePA von der breiten Bevölkerung genutzt wird.

Um diese Unsicherheiten abzubauen, bedarf es ergänzend weiterer Anstrengungen der Politik. Eine zentrale Herausforderung ist und bleibt die Befüllung der ePA durch die Leistungserbringer. Diese geschieht noch freiwillig – was inkonsequent ist. Erst eine verpflichtende Befüllung durch die Leistungserbringer ermöglicht eine lückenlose digitale Dokumentation des Gesundheitszustands jedes Einzelnen, was wiederum eine personalisierte und präzisere Versorgung nach sich ziehen würde. Hier ist die Politik gefordert, eine verbindliche Regelung zu schaffen. Nur so kann die drohende Lücke zwischen technischem Potenzial und tatsächlicher Nutzung geschlossen werden.

Damit die ePA zur umfassenden digitalen Gesundheitsakte wird, braucht es klare und verlässliche Rahmenbedingungen. Ein offener Dialog zwischen allen Beteiligten ist essenziell, um praktikable Standards für Interoperabilität, Datensicherheit und Nutzerfreundlichkeit zu etablieren. Politische Weichenstellungen sollten darauf abzielen, einen kontinuierlichen Austausch zu fördern und den notwendigen technischen Ausbau der ePA langfristig zu sichern. Das Potenzial der ePA für die Gesundheitsversorgung in Deutschland ist immens – diese große Chance darf nicht verspielt werden.

Andreas Strausfeld ist Vorsitzender der Bitmarck-Geschäftsführung.

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