Seit die neue US-Administration im Amt ist, befindet sich die weltweite Entwicklungszusammenarbeit in einem dramatischen Wandel. Die Zerschlagung von USAID, die Aufkündigung der Unterstützung des Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen (UNFPA) und UNAIDS und nicht zuletzt der Austritt der USA aus der Weltgesundheitsorganisation (WHO) haben massive Auswirkungen auf Entwicklungs- und humanitäre Projekte, auf die medizinische Versorgung weltweit sowie auf Forschung und Entwicklung.
Besonders einschneidend ist dies im Bereich der HIV/Aids-Forschung und Behandlung. Mit dem einst vom republikanischen Präsidenten George W. Bush ins Leben gerufenen President’s Emergency Plan for Aids (PEPFAR) waren die USA in diesem Bereich Vorreiter und mit rund 80 Prozent der internationalen Hilfsmittel der mit Abstand größte Geldgeber. Nun werden unter anderem das ADVANCE-Programm zur Erforschung eines Impfstoffes eingestellt und zahlreiche Mitarbeiter der seit 25 Jahren erfolgreichen International Aids Vaccine Initiative (IAVI) entlassen.
Vor Ort fehlt es sowohl an Prävention als auch an Medikamenten, deren Ausbleiben nicht nur lebensbedrohlich für die Infizierten ist, auch die Übertragung kann nicht mehr verhindert werden. Das trifft nicht nur die Ärmsten und Schwächsten in besonderem Maße, sondern auch die Jüngsten, denn durch die Mutter-Kind-Übertragung kommen schon jetzt wieder mehr Babys mit HIV auf die Welt. In ihrer Verzweiflung rationieren und teilen die Menschen die Medikamente, was nicht nur deren Wirksamkeit reduziert, sondern zudem auch zur Bildung von Resistenzen führt.
USAID-Zerschlagung betrifft Kampf gegen Tuberkulose
Neben dem HI-Virus drohen sich auch andere Krankheitserreger zu vermehren oder sogar wieder in Erscheinung zu treten, weil die Behandlungen ausbleiben, laufende Studien gestoppt und Forschungsprogramme eingestellt werden. Dies gilt in besonderem Maße für die vernachlässigten Tropenkrankheiten. Programme wie „Act to End NTDs“, die große Fortschritte bei der Eliminierung von Krankheiten wie lymphatischer Filariose und Trachom erzielt haben, befinden sich quasi im Stillstand. Zudem drohen Medikamente im Wert von Millionen von US-Dollar, die für die Verteilung im Jahr 2025 vorgesehen waren, ungenutzt zu verfallen und müssen vernichtet werden; wichtige Präventionsmaßnahmen können nicht umgesetzt werden.
Die WHO schlägt Alarm, weil die Einstellung der USAID-Förderung die Fortschritte bei der Bekämpfung von Tuberkulose nicht nur stoppt, sondern es zu einem erheblichen Anstieg von Krankheitsfällen und Sterblichkeit kommen wird. Tuberkulose zählt weltweit nach wie vor zu den Hauptursachen für Todesfälle. Nicht weniger besorgniserregend ist die Einstellung des Malaria Vaccine Programms, das in Zusammenarbeit mit renommierten Institutionen wie der Johns Hopkins University und der University of Oxford durchgeführt wurde. Die drohende Unterbrechung laufender Studien könnte auch die Entwicklung neuer Impfstoffe erheblich verzögern, was die weltweiten Bemühungen zur Bekämpfung der Malaria gefährdet.
USA steuerte fast ein Drittel der globalen Entwicklungshilfe bei
Nicht zuletzt ist die Frauengesundheit besonderes stark davon betroffen, dass neue Förderanträge für die Forschung derzeit gar nicht mehr bearbeitet, bereits genehmigte Mittel eingefroren oder einer thematischen Prüfung unterzogen werden. Dieser eklatante Verstoß gegen die Wissenschaftsfreiheit sorgt für große Verunsicherung, denn es steht zu befürchten, dass alles aussortiert wird, was nicht in das Weltbild von Trump und seinen Getreuen passt.
Die Auswirkungen dieser Politik treffen die Länder mit mittlerem und geringem Einkommen in besonderem Maße, aber auch die Globale Gesundheit als Ganzes. Die westlichen Demokratien haben nicht nur im Bereich der militärischen, sondern auch der gesundheitlichen Sicherheit ihren bis dato wichtigsten Verbündeten verloren. Über 30 Prozent der öffentlichen Entwicklungsgelder (Official Development Assistance – ODA) kamen bislang aus den USA.
Allerdings hatte die größte Volkswirtschaft der Welt damit gerade mal 0,18 Prozent ihres Bruttonationaleinkommens in ODA investiert und blieb weit hinter den 0,7 Prozent zurück, zu denen sich die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen einst verpflichtet haben. Die gesundheitsbezogenen ODA lagen sogar nur bei 0,042 Prozent der Wirtschaftskraft – weniger als die Hälfte des WHO-Empfehlungswerts von 0,1.
Deutschlands Initiative ist gefragt
Angesichts der aktuellen Situation steht Deutschland mehr denn je in der Verantwortung, die bi- und multilaterale Zusammenarbeit aufrechtzuerhalten und die 0,7 Prozent wieder verbindlich in den Koalitionsvertrag zu schreiben. Wenn das 500 Milliarden Euro schwere Finanzpaket in den Koalitionsverhandlungen aufgeschnürt wird, müssen unter anderem die bereits vorhandenen Pfeiler der globalen Gesundheitsarchitektur wie die globale Impfallianz Gavi und der Globale Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria finanziell adäquat ausgestattet und gefestigt werden. Gleiches gilt für die globale Gesundheitsforschung und das 10. Europäische Forschungsprogramm (FP10), in dem sich die Bundesregierung als Motor für Innovation und Zusammenarbeit innerhalb der EU erweisen könnte.
Nicht anders als im Bereich der Sicherheit könnte das Vakuum, welches die USA hinterlassen, auch in den Bereichen Forschung und Entwicklung als Chance begriffen werden, die vorhanden Kräfte zu bündeln, freiwerdende Kapazitäten und Talente aus den USA zu rekrutieren und zu eigener Stärke zu finden. Schließlich tragen innovative Diagnostika, Impfstoffe und Arzneimittel für armutsassoziierte und vernachlässigte Krankheiten sowie für neu auftretende Infektionskrankheiten nicht nur zur weltweiten Gesundheitssicherheit und Prävention künftiger Pandemien bei, sondern auch zur Stärkung des Innovations- und Pharmastandorts Deutschland.
Jan Kreutzberg ist Vorstandsvorsitzender der Stiftung Weltbevölkerung.