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Standpunkte Harris oder Trump: Schicksalswahl für Frauenrechte weltweit

Angela Bähr
Angela Bähr, stellvertretende Geschäftsführerin und Direktorin Projekte und Programme bei der Deutschen Stiftung Weltbevölkerung Foto: DSW

Die US-Präsidentschaftswahl entscheidet nicht nur über die Frauenrechte in den USA – sie könnte die Entwicklungszusammenarbeit und das System der globalen Gesundheit insgesamt kollabieren lassen. Davor warnt Angela Bähr von der Deutschen Stiftung Weltbevölkerung im Standpunkt und fordert auch die Bundesregierung zum Handeln auf.

von Angela Bähr

veröffentlicht am 05.11.2024

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Das Recht auf einen sicheren Schwangerschaftsabbruch war eines der bestimmenden Themen des US-Wahlkampfs. Dessen Ausgang wird allerdings das Recht auf körperliche Selbstbestimmung weit über die Grenzen der Vereinigten Staaten hinaus negativ beeinträchtigen oder aber bestärken je nachdem, wer gewinnt. Sollte Donald Trump erneut ins Weiße Haus einziehen, wird er die Mexico City Policy nicht nur wieder in Kraft setzen, sondern sie höchstwahrscheinlich nach 2017 ein weiteres Mal verschärfen. Die auch als „Global Gag Rule“ bekannte Richtlinie wurde erstmals 1984 vom damaligen republikanischen Präsidenten Ronald Reagan eingeführt und verbietet die finanzielle Unterstützung aller Organisationen, die sich für sichere Schwangerschaftsabbrüche einsetzen oder auch nur dazu beraten.

Alle demokratischen Präsidenten haben sie jeweils sofort ausgesetzt, ebenso wurde sie von den republikanischen Präsidenten erneut eingeführt. Donald Trump hat sie außerdem auf das US-Gesundheitssystem ausgedehnt. Das von der Trump nahestehenden Heritage Foundation entwickelte „Project 2025“ sieht nun sogar vor, die Sanktion auf die gesamte Humanitäre Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit zu erweitern. Die Folgen einer solchen Politik wären noch verheerender als schon während seiner ersten Amtszeit. Damals ist unter anderem die Zahl der unsicheren Schwangerschaftsabbrüche in Subsahara-Afrika um 40 Prozent gestiegen und die Verwendung moderner Verhütungsmittel um 14 Prozent zurückgegangen.

66 Milliarden US-Dollar stehen auf dem Spiel

Doch die „Global Gag Rule“ bedroht nicht nur sexuelle und reproduktive Gesundheit und Rechte. Vor allem in der geplanten Erweiterung ist sie eine Gefahr für das System der Globalen Gesundheit insgesamt. Diesem würden auf einen Schlag mindestens 66 Milliarden US-Dollar an finanzieller Unterstützung verloren gehen, wovon auch multilaterale Institutionen wie der Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen (UNFPA) und der Globale Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria massiv betroffen wären. Es liegt in der Natur der „Global Gag Rule“, dass Organisationen, die sich um die Versorgung von Müttern und Neugeborenen, aber auch um die HIV-Prävention kümmern, besonders betroffen wären: Die amerikanische Entwicklungsorganisation USAID finanziert seit Jahren umfassende Programme zur HIV/Aids-Bekämpfung sowie Therapieprogramme. Dementsprechend wären steigende Neuinfektionen mit HIV und Todesfälle aufgrund mangelnder Therapie vorprogrammiert. In manchen Regionen des Globalen Südens würde die medizinische Grundversorgung zusammenzubrechen, die dort maßgeblich von Hilfsorganisationen getragen wird.

Doch auch wenn Kamala Harris die erste Frau im Oval Office werden sollte, wird sie mit den nicht nur im eigenen Land, sondern weltweit immer stärker werdenden ultrakonservativen Bewegungen konfrontiert sein, die den über Jahrzehnte hart erkämpften Fortschritt auf dem Gebiet der sexuellen und reproduktiven Gesundheit und Rechte nicht nur in Frage stellen, sondern mit allen politischen, gesellschaftlichen und finanziellen Mitteln bekämpfen.

Hier ist es mit der Gegenwehr alleine aus Washington nicht getan. Es braucht eine starke und entschlossene internationale Gemeinschaft, die das Thema weit oben auf der politischen Agenda hält. Es braucht eine deutsche Bundesregierung, die im Sinne der proklamierten feministischen Außen- und Entwicklungspolitik klar Position bezieht und sich beispielsweise in den Gremien der Vereinten Nationen proaktiv für den Schutz und die Umsetzung der Rechte von Mädchen und Frauen einsetzt. Es braucht aber auch die finanzielle Unterstützung aus Deutschland – einem der wichtigsten Geberländer. Will heißen: mehr Mittel für Organisationen wie UNFPA und nicht, wie im aktuellen Haushaltsentwurf vorgesehen, massive Kürzungen. Jener UN-Behörde, deren Kernaufgabe die sexuelle und reproduktive Gesundheit und Rechte sind, werden 7,5 Millionen Euro gestrichen, das sind über 90 Prozent dessen, was insgesamt im UN-Titel gekürzt wird (8 Millionen Euro). Es braucht also eine Politik, die „feministisch“ nicht nur als Etikett auf ihr Programm klebt, sondern tatsächlich in die Praxis umsetzt – heute dringender denn je!

Angela Bähr ist stellvertretende Geschäftsführerin und Direktorin Projekte und Programme bei der Deutschen Stiftung Weltbevölkerung (DSW).

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