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Gesundheit & E-Health

Standpunkte Rehabilitation neu denken

Max Michels, CEO von Caspar Health
Max Michels, CEO von Caspar Health Foto: Caspar Health

Max Michels, CEO des Berliner Start-ups Caspar Health, beschreibt im Standpunkt seine Vision einer effektiven Rehabilitation, zu der Patient:innen jederzeit Zugang haben. Und zwar zeit- und ortsunabhängig.

von Max Michels

veröffentlicht am 09.03.2022

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Während unsere Welt Kopf steht und noch vor ein paar Wochen die momentanen Zustände in unserem Europa völlig ausgeschlossen schienen, fürchten wir heute, dass wenig so bleibt, wie es ist. Während Krieg zerstört und die Leben und die Gesundheit vieler Menschen massiv einschränkt, darf ich mit meiner Arbeit dazu beitragen genau das Gegenteil zu versuchen: In der Rehabilitation arbeiten wir mit daran, die Gesundheit, die Arbeitsfähigkeit und die Möglichkeit zur aktiven Teilnahme am Leben für jeden zu ermöglichen, indem körperliche, psychische oder soziale Einschränkungen nach einer Krankheit oder einem Unfall nachhaltig minimiert werden

Mit unserem Start-Up haben wir uns 2016 auf den Weg gemacht, die Welt der Rehabilitation zu modernisieren. Das ist kein leichtes Unterfangen  obwohl Rehabilitation ein Zweig der Medizin ist, der in keinem anderen Land so entwickelt ist und so gefördert wird, wie in Deutschland. In Deutschland hat jeder Sozialversicherte Anspruch auf eine Rehabilitation. Unser Rehabilitationssystem wird im Vergleich zu vielen Ländern gerühmt - und dafür gibt es gute Gründe. 

Kritische Fragen sollten gestellt werden

Bis heute tauschen sich beim 31. Reha-Kolloquium in Münster Wissenschaft und Praxis darüber aus, wie unser System verbessert werden kann. Ich denke, wir sollten uns auch einige kritische Fragen stellen: 

  • Handeln wir in der Rehabilitation wirklich im besten Sinne vorausschauend und ist unser Rehabilitationssystem wirklich an Wohl und Lebenswirklichkeit der Patient:innen orientiert?
  • Agieren alle Institutionen, welche am Rehabilitationsprozess arbeiten, gut abgestimmt und auf informierter Grundlage?
  • Setzen wir in der Rehabilitation die richtigen Anreize und gelingt es uns, den Erfolg der Rehabilitation angemessen zu bewerten?
  • Bestimmen sich Dauer und Ausgestaltung der Rehabilitation nach dem konkreten, individuellen Bedarf? Und kann unser derzeitiges Reha-System einen Rückfall nach der Rehabilitation, wirksam verhindern, weil Patient:innen genau die Therapie erhalten haben, die ihre Gesundheit auf Dauer, also wirklich nachhaltig, wiederherstellt und stärkt? 

Hohe Ausgaben, keine Patient Journey

Mein Eindruck ist: Rehabilitation ist viel zu oft noch von Silodenken geprägt. Heute sehen wir keine Patient Journey, sondern eher eine Stotterfahrt von Patient:innen durch die Stationen der Reha. Wir geben in Deutschland rund 38 Milliarden Euro für Rehabilitation aus  aber Patient:innen werden auf ihrem oft langwierigen und individuellen Genesungsprozess nicht begleitet, sondern eher durchgereicht. Im Mittelpunkt der Rehabilitation steht nicht der Mensch, sondern die “Fall-Abarbeitung in den einzelnen Institutionen” – und ein Abrechnungssystem, das längst noch nicht im möglichen Maße an Evidenz ausgerichtet ist.

Mit diesem Zustand sollten wir uns nicht zufrieden geben  und ich sehe Anzeichen dafür, dass wir vor einer Wende zum Besseren stehen. Wir können unser Rehabilitationssystem transformieren, wir können es patientenorientierter und nachhaltig wirksamer machen  wenn wir die Stellung der Patient:innen im System stärken, die Qualität in den Mittelpunkt stellen und dabei digitale Möglichkeiten sinnvoll nutzen. Dazu haben wir in Deutschland mit dem ausgebauten Rehabilitationssystem sogar besonders gute Voraussetzungen.

Ein Motor der Veränderung in Deutschland ist die Deutsche Rentenversicherung (DRV). Sie hat weitaus stärker als andere Kostenträger die Potenziale einer modernen Rehabilitationsversorgung erkannt und mit der Einführung digitaler Nachsorge ein wichtiges Zeichen gesetztIn der Nachsorge lässt sich anhand von Studien der Beweis führen, dass eine digital unterstützte kombinierte Versorgung aus digitaler Therapie sowie einer kontinuierlichen Begleitung durch qualifiziertes medizinisch-therapeutisches Personal nicht nur besonders patientenorientiert ist. Diese Art der Versorgung liefert auch besonders überzeugende Ergebnisse, gemessen in Adhärenz und Zufriedenheit. Wenn man sich anschaut, was kombinierte Versorgung aus Patientensicht bedeutet, sind die guten Ergebnisse gar nicht sonderlich überraschend: Einerseits können Patient:innen so flexibel jederzeit an ihrer Gesundheit arbeiten, wenn es ihnen passt. Andererseits können sie die Angebote dort nutzen, wo sie gerade sind, ohne viel Zeitverluste. Außerdem haben sie fortlaufend persönliche Ansprechpartner an ihrer Seite, nicht nur bei Fragen zu den diagnosespezifischen und indikationsrelevanten Übungen.  

Therapiedesign optimieren

Für die Behandelnden und Kostenträger besonders relevant sind darüber hinaus die grundsätzlichen Möglichkeiten der Digitalisierung: Fortlaufend erhobene Daten helfen nämlich nicht nur dem Behandelnden dabei, die individuelle Therapie zu verbessern. Sie können auch genutzt werden, um das Therapiedesign fortlaufend zu optimieren. 

Deshalb sollten wir uns fragen: Wie viel besser könnten wir in der Rehabilitation werden, wenn die Menschen von Anfang an und kontinuierlich durch digitale Systeme begleitet, unterstützt und angeleitet würden? Wenn sie selbst ihre Gesundheitsentwicklung fortlaufend nachvollziehen und aktiv selbst mit steuern könnten, ganz wie es Rehabilitation erreichen will? 

Meine Vision ist eine moderne Gestaltung von Rehabilitation. Zeitgemäße Rehabilitation ist konsequent am Patient:innenwohl orientiert und auf Basis echter Evidenz organisiert. Zeit- und ortsunabhängige Angebote auf digitaler Basis sind ebenso Bestandteil des Genesungsprozesses wie Präsenzphasen - sie sollten sich nach dem individuellen Bedarf und dem bestmöglichen Outcome richten. 

Digitalisierung ermöglicht es uns im Jahr 2022, Patient:innen viel stärker in die Rehabilitation einzubeziehen und sie so fortlaufend durch den Genesungsprozess zu begleiten. So kann es gelingen die wichtigsten Ziele der Rehabilitation, also die Wiedererlangung der Unabhängigkeit, die Förderung der Gesundheit und den nachhaltig gesicherten Erfolg der Therapie ins Zentrum des Handelns zu stellen. 

Darüber sollten wir in den nächsten Monaten reden! 

Max Michels ist der CEO von Caspar Health.

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