Wer Anfang des Jahres zum Hörer griff, um etwa einem Menschen, der im Krankenhaus arbeitet, ein frohes neues Jahr zu wünschen, der wird als Antwort wenig an Erleichterung ob des nun nahenden Endes der Pandemie und viel an Verzweiflung über die immer unerträglicheren Zustände in der Versorgung gehört haben. Dabei sind nicht die zuletzt Atemwegserkrankungs-bedingten Rekordzahlen an Personalausfällen gemeint, sondern vor allem die toxische Melange aus 20 Jahren substantiellem Reformstau in der deutschen Krankenhauspolitik und einer sich immer dramatischer entwickelnden, doppelt negativen Demographie-Krise, mit der Folge des sich dadurch immer weiter verschärfenden Fachkräftemangels im Gesundheitswesen.
Offensichtlich ist, dass ein einseitig auf ökonomische Anreize ausgerichtetes Vergütungssystem der Fallpauschalen in Deutschland immer absurdere Fehlanreize geschaffen hat, indem es Krankenhäuser einerseits zu immer mehr Leistungen und mithin Belastungen des Personals zwingt und andererseits die Qualität der Versorgung immer weiter in den Hintergrund rückt. Gleichzeitig ist die für eine zukunfts- und wettbewerbsfähige Krankenhausversorgung unerlässliche Investitionsfinanzierung seit Jahren in empfindlichem Maße unzureichend und hat bisher weder auf den erforderlichen Digitalisierungsschub oder den Beitrag des Gesundheitswesens für den Schutz des Klimas noch den nötigen Strukturwandel hin zu einer sektorenübergreifend ausgerichteten Gesundheitsversorgung angemessene Antworten parat.
Im Zentrum steht eine neue Finanzierung
Anstatt mit kleinen Reförmchen die Symptome eines krankenden Systems zu kaschieren, braucht es nun vielmehr eine umfassende Reform, die die systemischen Ursachen heilt. Vor diesem Hintergrund hat sich die Ampelkoalition in ihrem Koalitionsvertrag ein anspruchsvolles Reformprogramm in der Krankenhauspolitik vorgenommen, in deren Zentrum eine wissenschaftliche Regierungskommission steht, die insbesondere Vorschläge für ein neues Finanzierungssystem entwickeln soll. Ein Teil der Wegstrecke wurde mit der Ende 2022 vorgelegten dritten „Stellungnahme zur grundlegenden Reform der Krankenhausvergütung“ nun zurückgelegt, wenngleich die gewichtigsten Aufgaben mit der konkreten Gesetzgebung und deren Umsetzung natürlich noch vor uns liegen.
Das von der Kommission vorgeschlagene Konzept aus Vorhaltepauschalen, Versorgungsstufen und spezifischen den Häusern zugeordneten Leistungsgruppen bildet eine verbundene Einheit. Nur wenn alle Elemente in dieser Form realisiert werden können, kann der erhoffte Zugewinn für eine verlässliche Finanzierung, für die Qualität und die Wirtschaftlichkeit der Versorgung erreicht werden. In manchen Bundesländern lediglich die Vorhaltepauschalen umzusetzen und etwa auf die Orientierung der Versorgungsstufen an Leistungsgruppen zu verzichten, wäre nicht nur mit Blick auf das intendierte Ziel unangemessen. Es würde auch dazu führen, dass die Vorhaltepauschalen nicht sachgerecht kalkuliert werden könnten.
Probleme durch Fehlversorgung gemeinsam beheben
Selbstverständlich muss das neue System auch eine gewisse Flexibilität dort vorsehen, wo es in gut begründeten Einzelfällen Abweichungsmöglichkeiten braucht, um eine qualitative Versorgung flächendeckend sicherstellen zu können. Ohnehin kann und soll es nicht das Ziel sein, von Berlin aus zu planen, wo in Deutschland welche Krankenhäuser stehen. Krankenhausplanung ist Ländersache und das ist auch richtig so. Allerdings muss es der gemeinsame Anspruch aller in Regierungsverantwortung sein, mit dieser Reform die unübersehbaren Probleme in der durch regionale Über-, Unter- und Fehlversorgung gekennzeichneten Krankenhauslandschaft in Deutschland gemeinsam zu beheben und die Ursachen dieser Fehlentwicklungen klar zu adressieren.
Dazu gehören auch Defizite in der Krankenhausplanung der Länder, wie fehlende gemeinsame Standards der Planung. So gibt es nur in einigen Bundesländern abgrenzbare Versorgungsstufen, in anderen wiederum nicht. Ein einheitliches System notwendiger Strukturvorgaben oder fachabteilungsbezogener definierter Leistungsspektren fehlt vollständig. Somit mangelt es an einer bedarfsgerechten Planung, die darauf setzt, dass dort, wo Krankenhaus drauf steht auch Krankenhaus drin ist, an wesentlichen Grundlagen. Ohne diese bleiben abgestimmte, über einzelne Bundesländer hinausgehende Planungen unmöglich. Grade deshalb ist es so wichtig, eine solche Reform gemeinsam durch Bund und Länder zu erarbeiten und umzusetzen.
Geld des Bundes nicht mehr bedingungslos
Der Elefant im Raum ist die Investitionsfinanzierung. Dabei ist der nicht bedarfsgerechte Umfang der öffentlichen Investitionsmittel eine der Ursachen für die wirtschaftlichen Probleme vieler insbesondere öffentlich getragener Krankenhäuser und somit letztlich auch für den Privatisierungsdruck. Ein Abbau des Investitionsstaus durch einen finanziellen Kraftakt der Länder war bisher zwar wünschenswert, aber wenig realistisch. Von Bundesebene wurden daher in der Vergangenheit mehrfach Mittel zur Verfügung gestellt, um etwa bei den nötigen Investitionen für die Digitalisierung voranzukommen oder Konzentrationsprozesse in der Krankenhauslandschaft anzustoßen. Angesichts der, insbesondere durch den Personalmangel bedingten, gravierenden wirtschaftlichen Schieflage einer Mehrheit der deutschen Kliniken bedarf es keines Blicks in die Glaskugel, um zu prophezeiten, dass lautstarke Rufe nach weiterer Unterstützung des Bundes zur Rettung der Krankenhäuser, trotz kürzlich erst verabschiedetem acht Milliarden schwerem Energie-Hilfspaket, nicht all zu lange auf sich warten lassen dürften.
Es ist schwer vorstellbar, dass der Bund, angesichts der großen Herausforderungen in der nachhaltigen Stabilisierung von gesetzlicher Kranken- und sozialer Pflegeversicherung, dann erneut einspringt, ohne das zeitgleich die Länder bei der Investitionsfinanzierung auch ihrer Verantwortung künftig vollständig gerecht werden. Dass jedenfalls auch in Zukunft Geld des Bundes bedingungslos zum Erhalt des Ist-Standes der Krankenhauslandschaft fließt, ist weder sinnvoll noch wahrscheinlich, sondern sollte zielgerichtet den mit einer Vergütungsreform notwendigerweise verbundenen Strukturwandel anreizen und unterstützen.
Die nun gestarteten Gespräche zwischen Bund, Ländern und Ampel-Fraktionen bieten die Chance, ein gemeinsames Verständnis der notwendigen Reform zu entwickeln. Trotz berechtigter Fragen zu Details, stellt die Stellungnahme der Regierungskommission die zentrale Basis für die Gespräche dar. Ziel muss es sein, zügig einen Referentenentwurf zu erarbeiten und die Gesetzgebung noch in diesem Jahr abzuschließen. Denn die aktuelle Lage in vielen Krankenhäusern duldet keinen weiteren Aufschub.
Janosch Dahmen (41) ist Notfallmediziner und Sprecher für Gesundheitspolitik der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen.