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Standpunkte Über Mehrkosten und mehr Kosten

Eberhard Schmidt, Präsident der Bundesinnung der Hörakustiker (biha)
Eberhard Schmidt, Präsident der Bundesinnung der Hörakustiker (biha) Foto: Bundesinnung der Hörakustiker

Die Verhandlungen mit den Krankenkassen zu neu zu verhandelnden Versorgungsverträgen für die Versicherten werden immer langwieriger, schreibt Eberhard Schmidt, Präsident der Bundesinnung der Hörakustiker (biha), im Standpunkt. Ursache sei vor allem die finanzielle Situation in der GKV. Ob Prävention und Gehörschutz weiterhin von den Versicherten vollständig privat gezahlt werden sollten, darüber müsse jedoch diskutiert werden.

von Eberhard Schmidt

veröffentlicht am 09.05.2023

aktualisiert am 15.05.2023

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Das Gesundheitssystem muss sparen. Das gilt auch für die gesetzlichen Krankenversicherer und betrifft damit auch Leistungen, die gesetzlich Versicherte erhalten. Der Kostendruck steigt. Die GKV versucht massiv, ihre Ausgaben zu senken. Den akuten Spar- und Kostendruck merken wir selbst in einer systemrelevanten Branche wie der Hörakustik. Bei den regelmäßig neu zu verhandelnden Versorgungsverträgen für die Versicherten werden die Verhandlungen immer langwieriger.

Nachvollziehbar, weil die Kosten für die GKV allein aufgrund der wachsenden Zahl der Menschen mit Altersschwerhörigkeit und der wachsenden Zahl der Menschen mit Lärmschwerhörigkeit steigen werden. Nicht nachvollziehbar, wenn dies Diskussionen an Stellen entfacht, wo Sparen keinen Sinn ergibt – nämlich bei der Qualität der Versorgung. Sollte sich die flächendeckende Versorgung mit Hörsystemen verschlechtern, steigen am Ende die Folgekosten für die Volkswirtschaft. Davor warnt die Weltgesundheitsorganisation. Sparen an der falschen Stelle wäre also gesellschaftlich und volkswirtschaftlich alles andere als erstrebenswert.

Qualitätsgesicherte Versorgung

Wer zahlt wofür? Einem von Hörverlust Betroffenen wird im Versorgungsfall immer die Wahl gelassen zwischen einer aufzahlungsfreien Versorgung – zuzüglich gesetzlichen Zuzahlung von zehn Euro, die seine Versicherung trägt – und einer Versorgung mit zusätzlichen Funktionen, Komfort oder einer besonderen Ästhetik. Hier können private Aufzahlungen möglich sein – die Entscheidung liegt ganz allein beim Einzelnen.

Kurioserweise sind Hörakustiker schon seit längerem dazu verpflichtet, diese privaten Aufzahlungen an die Krankenversicherer zu melden. Die Patienten werden dabei von ihrem Versicherer überprüft. Er erhält einen ganz genauen Einblick, wer sich welchen Komfort leisten kann. Ob das im Sinne der Versicherten ist, steht auf einem anderen Blatt und darf meiner Meinung nach durchaus angezweifelt werden.

Gleichzeitig wird aber auch klar: Über 90 Prozent der Versicherten sind mit einer Versorgung voll und ganz zufrieden, völlig unabhängig davon, ob sie sich für eine private Aufzahlung entschieden haben oder nicht. Die Kosten spielen dabei keine Rolle. Dies bestätigt zuletzt die bislang größte Befragung der gesetzlichen Krankenkassen unter Millionen Versicherten.

Verkehrte Annahmen

Wie also sparen? Grundfalsch wäre die Annahme, dass man Einschnitte in der bisher so guten Versorgungspraxis hinnehmen könnte, schließlich bedeutet gutes Hören gesellschaftliche Teilhabe. Falsch wäre auch die Annahme, dass die Versicherten aus Kostengründen ihr Hörgerät länger tragen sollten, auch wenn es technisch längst veraltet ist.

Gleichzeitig wäre es ebenso falsch, die Versichertengemeinschaft für zusätzlichen Komfort, Funktionen oder Ästhetik aufkommen zu lassen. Das ist eine individuelle Wahlleistung. Wo sind Kostendämpfer im System? Nicht nur Komfort fürs gute Hören, auch Prävention vor Hörverlust wird heute üblicherweise vollständig privat gezahlt.

Prävention als Privatsache?

An dieser Stelle lässt sich fragen, ob die Investition in rechtzeitige Prävention nicht langfristig günstiger für die Versicherer wäre? In einigen Fällen könnten vermutlich die Kosten einer späteren Hörsystemversorgung eingespart werden – wenn der Versicherte rechtzeitig guten Gehörschutz trägt. Das wäre ein Weg zu weniger statt mehr Kosten, und noch dazu ein sehr gesunder. Schließlich lässt sich eine Schwerhörigkeit, die meist schleichend kommt, nicht mehr rückgängig machen.

Das aktuelle System der wohnortnahen Hörsystemversorgung in Deutschland mit einer sehr guten aufzahlungsfreien Versorgung und privaten Aufzahlungen für mehr Komfort, Funktionen und Ästhetik hat sich bewährt und wird nicht umsonst in aller Welt als hervorragendes positives Beispiel angesehen. Ob Prävention und Gehörschutz weiterhin vollständig privat gezahlt werden sollten, darüber könnte man jetzt nachdenken – und sollte bei den Überlegungen nicht auf die Qualität der Versorgung verzichten.

Eberhard Schmidt ist Präsident der Bundesinnung der Hörakustiker (biha).

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