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Gesundheit & E-Health

Standpunkte Versorgungsforschung wird immer wichtiger

Gründungssprecherin der Plattform – Charité Versorgungsforschung
Gründungssprecherin der Plattform – Charité Versorgungsforschung Foto: Peitz, Charité

Neue Technologien bedeuten mehr Möglichkeiten, verlangen aber auch mehr Wissen. Die Versorgungsforschung kann dabei helfen zu klären, ob und inwiefern digitale Versorgungsansätze Patientinnen und Patienten wirklich nutzen, meint Adelheid Kuhlmey von der Plattform – Charité Versorgungsforschung.

von Prof. Dr. Adelheid Kuhlmey

veröffentlicht am 13.08.2020

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Mit Beginn des Jahres 2020 ist das Digitale Versorgung-Gesetz (DVG) in Kraft getreten und die Digitalisierung in der gesundheitlichen Versorgung in Deutschland trat in einen neuen Abschnitt ein. Viele Versorgungsansätze, die in den letzten Jahren in Modell-Projekten vorbereitet wurden, können nun in der Routine-Versorgung zum Einsatz kommen. Umso bedeutsamer wird es, diese digitalen Versorgungsansätze zu überprüfen, ob sie unseren Patientinnen und Patienten wirklich nutzen und ob diese Technologien helfen können, die bisherigen Abläufe zu verschlanken, zu verbessern und medizinische sowie psychosoziale Angebote gegebenenfalls auch kostengünstiger für alle anbieten zu können. Zu diesen Fragestellungen konnten wir in den letzten Monaten vor dem Hintergrund der Covid-19-Pandemie wichtige neue Erkenntnisse gewinnen. Wichtig ist hierbei vor allem auch die Akzeptanz der digitalen Technologien durch die, die sie nutzen. Dabei sind die Bedürfnisse vieler verschiedener Gruppen zu berücksichtigen. Genau solchen Fragen widmet sich die Versorgungsforschung. 

Die Versorgungsforschung untersucht prinzipiell den Zugang zur Gesundheitsversorgung, deren Qualität und Wirtschaftlichkeit sowie den individuellen Patientennutzen unter Alltagsbedingungen. Ein solcher Forschungsansatz, der in Deutschland nunmehr auf eine über 20-jährige Forschungsförderung zurückblicken kann, soll neue Versorgungsformen begründen oder Anpassungsnotwendigkeiten in sich ständig verändernden modernen Gesellschaften aufzeigen. Zurzeit sind es insbesondere die Digitalisierung im Gesundheitswesen, der demographische Wandel und die Alterung unserer Bevölkerung, aber auch der Mangel an Fachkräften, sowie die kulturelle Diversifizierung, die die Gesundheitsversorgung und ihre Akteure herausfordern und die nach neuen Lösungsansätzen verlangen.

Bessere Vernetzung der Versorgungsforschung an der Charité

Diese Suche nach begründeten innovativen Ansätzen motiviert auch die Versorgungsforscherinnen und -forscher der Charité – Universitätsmedizin Berlin. Wir möchten nicht bei tradierten Versorgungsstrukturen stehen bleiben, sondern unsere modernen Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung und der klinischen Forschung direkt in die Versorgung von Patientinnen und Patienten einbringen – und dies möglichst effizient und effektiv. Dafür brauchen wir moderne Versorgungsansätze und belastbare Forschungsergebnisse in diesem Bereich. Anlass genug, um im letzten Jahr die Plattform – Charité Versorgungsforschung zu schaffen und damit die Vernetzung der Versorgungsforschung an der Charité zu forcieren und den dringend benötigten wissenschaftlichen Nachwuchs stärker zu unterstützen.

Aktuell kümmern sich die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Charité in mehr als 150 Versorgungsforschungsprojekten mit ihren regionalen, nationalen und internationalen Partnern um zahlreiche Fragestellungen zu ganz verschiedenen Aspekten. Die Versorgungsforschungsplattform hat bisher fünf Themenbereiche identifiziert, die Schwerpunkte bilden und im Folgenden stärker entwickelt werden sollen. 

Sektorenübergreifende Versorgung im Fokus

Zum einen ist dies die ambulante und sektorenübergreifende Versorgung, hier mit dem Ziel, Patientinnen und Patienten die bestmögliche Versorgung durch Behandlungsschritte ohne Schnittstellenprobleme zu bieten. 

Der Fokus liegt auch auf der Forschung zur Versorgung in so genannten vulnerablen Gruppen und bei Personen mit chronischen Langzeiterkrankungen. In diesem Bereich geht es auch darum, hochbetagten Menschen, Personen mit Migrationshintergrund oder solchen mit unzureichender Gesundheitskompetenz einen uneingeschränkten Zugang zu medizinischen und sozialen Dienstleistungen und ihren Gesundheitsversorgern zu ermöglichen. 

Aber auch die Notfall- und Akutversorgung ist ein wichtiges Gebiet der Versorgungsforschung, nimmt doch, nach den Erfassungen der letzten Jahre, die Häufigkeit der Inanspruchnahme von Notfallversorgungsstrukturen immer mehr zu. 

Weitere wichtige Themen der Versorgungsforschung sind Telemedizin und digitale Ansätze, die auf ihren Nutzen für eine Versorgungsmodernisierung geprüft und ihre Anwendungstauglichkeit sowie Nutzerfreundlichkeit unter Alltagsbedingungen getestet werden sollen. 

Förderlandschaft in Deutschland gut aufgestellt

Die seit mehr als einem halben Jahr andauernde Covid-19-Pandemie stellt die Gesundheitssysteme weltweit vor zahlreiche Herausforderungen. Daher haben wir aus aktuellem Anlass dieses wichtige neue Thema in den Fokus zahlreicher neuer Forschungsprojekte gerückt. Nicht zuletzt haben die derzeit erforderlichen Schutzmaßnahmen, wie spezielle Hygieneanforderungen und Gebote zur sozialen Distanz, Auswirkungen auf die Durchführung vieler bereits laufender Studien zu anderen Fragestellungen. Dies birgt jedoch auch Chancen, unter anderem für die Entwicklung und den Einsatz neuer digitaler Technologien.

Forschung braucht Förderer – hier ist die Situation zurzeit in Deutschland gut. Durch die Fördermöglichkeiten des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, aber auch von Ministerien mit Ressortforschung, können bereits viele relevante Fragestellungen bearbeitet werden. Eine wichtige Säule der Förderung in diesem Bereich sind die seit 2016 regelmäßig wiederkehrenden Ausschreibungen des Innovationsausschusses des Gemeinsamen Bundesausschusses. Hierdurch entstehen Möglichkeiten, neue Versorgungsformen und Forschungsprojekte zur Verbesserung der medizinischen und pflegerischen Versorgung der Bevölkerung voranzutreiben. Wir alle hoffen auf möglichst viele erfolgreiche Projekte, die auch von den evaluierenden Institutionen und den entsprechenden Entscheidungsgremien positiv bewertet werden. Denn nur, wenn erfolgreiche Innovationen auch die Regelversorgung erreichen, können wir alle profitieren und die derzeitigen sowie zukünftigen Herausforderungen der Gesundheitsversorgung einer modernen, sich wandelnden Gesellschaft erfolgreich meistern. 

Ziel ist nach wie vor eine optimale medizinische, pflegerische und psychosoziale Versorgung, die für alle Seiten finanzierbar bleibt. Hier dürfen wir nicht nachlassen und müssen gemeinsam Wege beschreiten, um dies zu ermöglichen.

Prof. Dr. Adelheid Kuhlmey ist Direktorin des Instituts für Medizinische Soziologie und Rehabilitationswissenschaft der Charité – Universitätsmedizin Berlin, Mitglied des Ethikrats und Gründungssprecherin der Plattform – Charité Versorgungsforschung.

Co-Autorin: Dr. Verena Materna ist Wissenschaftliche Koordinatorin der 2019 neu gegründeten Plattform – Charité Versorgungsforschung.

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