Gesundheitsminister Karl Lauterbach hat im Dezember 2022 die Debatte um investorengeführte Medizinische Versorgungszentren (iMVZ) ins Rollen gebracht. Und das mit Recht, denn das Problem existiert: Erste Untersuchungen weisen auf lokale Monopolisierungstendenzen hin, auf überflüssige Behandlungen und hoch verschuldete Arztpraxen. Dennoch fehlt das Thema im aktuellen Entwurf des Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetzes (GSVG).
Doch auch wenn der politische Wille fehlt, gefährlichen Investoren das Handwerk zu legen, ließe sich in einem ersten Schritt wenigstens das Transparenzproblem lösen: Alle ambulanten Versorger sollten verpflichtet werden, ihre wirtschaftlichen Eigentümer offenzulegen. Denn weder das Bundesministerium für Gesundheit noch die Kassenärztlichen Vereinigungen wissen derzeit überhaupt, welche Arztpraxen fachfremden Investoren gehören.
Private Equity auf dem Vormarsch
Seit etwa 2015 verzeichnen wir in Deutschland einen starken Anstieg der Übernahmen von Arztpraxen durch Finanzinvestoren, insbesondere durch Private-Equity-Firmen. Diese gehen oft aggressiv vor, um innerhalb weniger Jahre die erwartete Rendite von 20 Prozent zu erzielen.
Dafür kaufen sie einzelne Praxen und bauen diese zu großen Ketten aus, indem sie Medizinische Versorgungszentren (MVZ) gründen. Nach der Übernahme laden Sie die Praxen mit Schulden auf, um über interne Kredite möglichst viel Gewinn abzuschöpfen.Berichten zufolge üben sie zudem Druck auf die angestellten Ärzte aus, um den Verkauf von profitablen Leistungen zu steigern. Steuern zahlen sie im Übrigen kaum, da sie komplexe Unternehmensstrukturen in Schattenfinanzzentren nutzen und damit auch die Eigentümerschaft verschleiern. Genau diese Art der Eigentümerschaft wollte Gesundheitsminister Lauterbach einschränken, scheint bisher jedoch daran zu scheitern.
Intransparente Besitzverhältnisse
Ein zentrales Hindernis in der politischen Debatte ist das fehlende Wissen über das Ausmaß und die Vorgehensweisen der Finanzinvestoren – denn die Verschleierung der Besitzverhältnisse gehört zum Geschäftsmodell. Zwar müssen Arztpraxen und MVZ gegenüber den jeweiligen Kassenärztlichen Vereinigungen offenlegen, wem sie gehören, aber nur auf der ersten Ebene. Ist der praktizierende Arzt in der Praxis auch Eigentümer, funktioniert das. Doch investorengeführte MVZ gehören meist einer Klinik oder einem kleinen Krankenhaus, und bereits hier endet die Transparenz. Weder Kassenärztliche Vereinigungen noch die Krankenkassen oder das Bundesgesundheitsministerium haben Kenntnis darüber, welche Investoren tatsächlich dahinterstehen und wo möglicherweise bereits monopolartige Strukturen entstehen. Genau dieser Mangel an Transparenz behindert die Debatte. Wie wollen wir Lösungen finden, wenn wir nicht einmal das Ausmaß des Problems kennen?
Um dem etwas entgegenzusetzen, hat beispielsweise die Kassenärztliche Vereinigung Bayern eine Studie in Auftrag gegeben, bei der Wissenschaftler mithilfe teurer globaler Unternehmensdatenbanken die Eigentümerverhältnisse jedes MVZ in Bayern recherchierten. Das Ergebnis: Schon 2019 gehörten zehn Prozent aller MVZ in Bayern Private-Equity-Firmen – Tendenz steigend.Recherchen des NDR zeigten 2022, dass investorengeführte MVZ der Augenheilkunde in Städten wie Kiel und Augsburg bereits eine monopolartige Stellung erreicht haben.
Parlamentarier müssen aktiv werden
Schon jetzt gibt es genug Evidenz, um rigoros gegen aggressive Finanzinvestoren im Gesundheitssystem vorzugehen. Eine Studie der Harvard Medical School zeigt, dass investorengeführte Krankenhäuser in den USA ernsthafte Risiken für die Qualität der Gesundheitsversorgung darstellen. Für Pflegeheime wurden in den USA höhere Sterblichkeitsraten nach Übernahme durch Finanzinvestoren nachgewiesen. Eine Studie von Finanzwende Recherche zeigte bereits besorgniserregende Verschuldungstrends bei deutschen Arztpraxen.
Doch wenn die Bundesregierung den Einstieg der Finanzinvestoren nicht regulieren will, sollten die Parlamentarier zumindest eine verpflichtende Transparenzregelung im GSVG schaffen. Unabhängig davon, ob es sich um eine Einzelpraxis, eine Gemeinschaftspraxis oder ein MVZ handelt, sollte jede Form der ambulanten Gesundheitsversorgung den wirtschaftlich Berechtigten – also den letztendlichen Eigentümer – offenlegen. Diese Informationen könnten öffentlich zugänglich in einem Transparenzregister hinterlegt werden. Denn nur auf Grundlage einer soliden Faktenbasis kann eine fundierte und sachliche Diskussion darüber geführt werden, was zu tun ist. Finanzinvestoren dürfen nicht länger im Verborgenen agieren.
Michael Peters ist Leiter des Bereichs Finanzsystem und Realwirtschaft bei der Bürgerbewegung Finanzwende.