Wir stecken in einer Wirtschaftskrise fest. Um wieder in die Erfolgsspur zu kommen, fordern Wirtschaftsexpertinnen und -experten unter anderem sinkende Bürokratiekosten und einen Ausbau der Digital-Infrastruktur. Auch die Europäische Kommission sieht bei der Digitalisierung Handlungsbedarf für Deutschland. Eine Ifo-Studie aus dem Jahr 2024 zeigt, dass das Brutto-Inlandsprodukt um bis zu 4,5 Prozent pro Kopf gesteigert werden könnte, wenn die Politik konsequent Bürokratieregelungen verschlanken und wichtige bürokratische Prozesse durchgängig digitalisieren würde.
Die gleiche Studie beziffert die in Deutschland entgangene Wirtschaftsleistung durch unzureichende Entschlackung und fehlende Digitalisierung bürokratischer Prozesse auf etwa 146 Milliarden Euro pro Jahr.
Etablierte Lösungen mit Schlüsseltechnologien kombinieren
Es gibt verschiedene Hebel, um den dringend erforderlichen Digitalisierungsschub in Wirtschaft und Verwaltung substanziell zu beschleunigen. Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) gepaart mit modernen Cybersicherheitslösungen spielt dafür eine zentrale Rolle. Aus meiner Sicht braucht es dafür vor allem
- mehr Mut in der Wirtschaft und der öffentlichen Hand zur Entwicklung hybrider Digitalisierungslösungen als ein Mix aus etablierten Marktlösungen und individuell angepassten, innovativen Schlüsseltechnologien.
- die Entschlossenheit von Politik und Wirtschaft, massiv in die Forschung und Entwicklung der dafür erforderlichen Schlüsseltechnologien, wie vertrauenswürdige Künstliche Intelligenz und innovative Cybersicherheitslösungen zu investieren.
- mehr Unerschrockenheit in der Politik, konsequent bürokratische Rahmenbedingungen zu verschlanken und unverzichtbare Prozesse effizient und zukunftssicher digital zu gestalten.
- eine selbstbewusste Fehlertoleranz, die als Teil des Innovationsprozesses akzeptiert wird und mit der Wertschätzung von Pilotprojekten einhergeht, auch wenn sie scheitern.
- die Bereitstellung von Kapital für junge Unternehmen, die in Schlüsseltechnologien wie KI oder Quantencomputing arbeiten, wobei der Staat zugleich eine Vorreiterrolle in der Anwendung von Zukunftstechnologien wie KI-gestützter Verwaltung einnehmen sollte.
- mehr Unterstützung durch die Medien, um das Verständnis, die Akzeptanz und das Vertrauen in der Zivilbevölkerung für die so entstehenden Digitalisierungslösungen zu erhöhen.
Meine zentrale These ist, dass wir die Digitalisierungsvorhaben in der öffentlichen Verwaltung und in der Wirtschaft nur dann beschleunigen, wenn wir
- einerseits offener dafür sind, auf erprobten und im Markt etablierten Lösungen aufzusetzen,
- und andererseits den Mut haben, die Marktdifferenzierung über individuell angepasste, innovative Schlüsseltechnologien, die „by design“ resilient, vertrauenswürdig und konform mit Regularien sind, zu erzielen.
So lässt sich der Vorsprung in wichtigen Wirtschaftsbereichen halten und verlorener Boden bei etablierten Branchen nicht nur wettmachen, sondern eine Kehrtwende herbeiführen. Hierbei spielen die Themen KI, Datenräume und Cybersicherheit eine zentrale Rolle.
Um die Vorteile von etablierten Marktlösungen ohne Kontrollverluste und mit einem hohen Maß an Vertrauenswürdigkeit und Sicherheit zu nutzen, müssen wir dafür sorgen, dass moderne Sicherheitstechnologien in der Fläche zum Einsatz kommen. Denn mit solchen innovativen Technologien ist es möglich, Daten und Programme geschützt in kontrollierbaren Vertrauensdomänen auf etablierten Marktlösungen wie Cloud- und Edge-Plattformen zu verwalten.
Mit vertrauenswürdigen Elektronik-Bauteilen, sicheren Hardware-Chips und Konzepten zur Umsetzung vertrauenswürdiger Verarbeitungsumgebungen kann bereits heute eine sichere Basis bereitgestellt werden. Berechtigten Datenschutz- und Sicherheitsbedenken kann mit dem korrekten Einsatz moderner Sicherheitstechnologien wirksam begegnet werden.
Moderne Cybersicherheitstechnologien in der Breite in die Anwendung bringen
Sichere Datenräume und digitale Selbstbestimmung sind essenziell, um die Potenziale von Digitalisierung und KI zu nutzen. Dafür werden Technologien benötigt, die es Unternehmen und Verbrauchern ermöglichen, Daten auf sichere Weise auszutauschen. Gleichzeitig muss gewährleistet sein, dass Nutzerinnen und Nutzer die Kontrolle über ihre Daten behalten.
Moderne Verschlüsselungskonzepte, wie beispielsweise Attribut-basierte Verschlüsselung, Proxy Re-Encryption oder homomorphe Verschlüsselung, ermöglichen eine solche differenzierte, souverän kontrollierbare gemeinsame Nutzung von Daten sowohl in zentral als auch dezentral organisierten Infrastrukturen.
Um die bereits vielfach angestoßenen, wichtigen Initiativen zur Etablierung von gemeinsamen Datenräumen in der Breite zum Einsatz zu bringen, müssen jetzt die innovativen Schutzkonzepte integriert und an individuelle Anforderungen von Branchen und Unternehmen gezielt angepasst werden. Insbesondere KMU können dann aus den Daten mithilfe von KI neues Wissen gewinnen, um neue Geschäftsmodelle für sich zu erschließen. Politik und Wirtschaft sind gefordert, die Kräfte zu bündeln, um diese Konzepte jetzt schnell und konsequent in Datenrauminfrastrukturen zu integrieren.
KI zuverlässig und sicher machen
Um die Chancen von KI zu nutzen, müssen wir sie mit dem Wertversprechen der Zuverlässigkeit und Sicherheit verknüpfen. Mit innovativen Cybersicherheitstechnologien kann der gesamte Lebenszyklus von Daten geschützt werden – von ihrer Erfassung durch sichere Sensorik, über ihren sicheren Transfer bis hin zu ihrer Verarbeitung und Speicherung lokal oder auf Edge- oder Cloudplattformen. Solche Sicherheitskonzepte begegnen wirksam den berechtigten Datenschutzbedenken beziehungsweise Befürchtungen von Unternehmen, dass ihr unternehmerisches Know-how durch Digitalisierung in unberechtigte Hände gelangt oder sensitive Daten abfließen.
Moderne Sicherheitstechnologien sind deshalb Wegbereiter für den vertrauenswürdigen Einsatz von KI-Verfahren bei Unternehmen und Behörden. Sie ermöglichen es, dass Firmen ihre marktdifferenzierenden Werte wie beispielsweise Engineering-Know-how und Fertigungsdaten gezielt zum Trainieren spezialisierter KI-Verfahren verwenden und nutzen können.
Mit dediziert trainierten KI-Verfahren können beispielsweise Fertigungsprozesse optimiert werden, um Kosten zu reduzieren. Die zugeschnittene KI kann aber auch genutzt werden, um Produkte in hoher Qualität zu produzieren und über deren gesamten Lebenszyklus wirtschaftlich und nachhaltig zu betreiben. Gleichzeitig ist vertrauenswürdige KI ein Wegbereiter für den Effizienzschub bei der zukunftssicheren Digitalisierung von Bürokratieprozessen.
Wissensträger intensiver in Meinungsbildungsprozesse einbinden
Die Medien tragen eine große Verantwortung, den dringend erforderlichen technologischen Umschwung in Deutschland kritisch und konstruktiv zu begleiten. Die Öffentliche Meinung, die durch die mediale Berichterstattung geprägt wird, beeinflusst stark das politische Handeln. Deshalb ist es unerlässlich, dass dieser Meinungsbildung eine unbeeinflusste, faktenbasierte Bewertung aller Technologie-Alternativen voraus geht. Neutrale Forschungs- und Beratungsinstitutionen wie wissenschaftliche Akademien und wissenschaftliche, unabhängige Stiftungen sollten deshalb von den Medien noch stärker in den Meinungsbildungsprozess eingebunden werden.
Zusammenfassend möchte ich festhalten, dass über einen mutigen und entschlossenen Einsatz von marktgängigen Lösungen und marktdifferenzierenden Individualkomponenten 2025 ein deutlicher Digitalisierungsschub erreicht werden kann. Moderne Sicherheitslösungen zusammen mit KI und sicheren Datenräumen spielen hierbei eine zentrale Rolle. Diese Schlüsseltechnologien müssen dringend weiter gefördert werden, um eine schnelle Kehrtwende in der Wirtschaft und die Entlastung der Wirtschaft durch effektive Verwaltungsprozesse herbeizuführen.
Eine mutige Industriepolitik sollte noch gezielter die innovativen Ergebnisse aus der angewandten Forschung einsetzen und deren flächendeckenden Einsatz fördern. Lassen Sie uns das Jahr 2025 gemeinsam anpacken und wichtige Weichen stellen, um die deutsche Wirtschaft bei der Bewältigung der Krise effektiv und nachhaltig zu unterstützen.
Claudia Eckert leitet das Fraunhofer-Institut für Angewandte und Integrierte Sicherheit AISEC in Garching b. München und hat als Professorin an der Technischen Universität München den Lehrstuhl für Sicherheit in der Informatik an der Fakultät für Informatik inne. Sie leitet außerdem das Projekt Cybersicherheit bei Acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften.