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Standpunkte Vor der Ampel: Aufbruch für digitale Daseinsvorsorge?

Ingbert Liebing, Hauptgeschäftsführer des Verbands kommunaler Unternehmen (VKU)
Ingbert Liebing, Hauptgeschäftsführer des Verbands kommunaler Unternehmen (VKU) Foto: VKU/Chaperon

Die Pläne der Ampel zeigen vielversprechende Ansätze, schreibt Ingbert Liebing vom VKU. Um kommunale Unternehmen bei der Digitalisierung von Städten zu unterstützen, müssen jetzt aber vor allem drei Felder entschlossen angegangen werden: Infrastruktur, Cybersicherheit und kommunale Daten.

von Ingbert Liebing

veröffentlicht am 23.11.2021

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Die Ampel-Verhandlungen sind auf der Zielgeraden. Gespannt blicken kommunale Unternehmen nach Berlin. Stadtwerke, Wasser- und Telekommunikationsversorger sowie Abwasser- und Abfallentsorger treiben den Wandel zu digitalen Städten und Gemeinden voran. Sie nutzen die Digitalisierung als Werkzeug, um die Daseinsvorsorge zu stärken. Für Investitionen brauchen sie Rechts- und Planungssicherheit.

So kann jeder Satz eines Koalitionsvertrags ein Aufbruchssignal für die Daseinsvorsorge sein. Im Ampel-Sondierungspapier deuten Digitalisierungscheck und neue digitalpolitische Strategien, etwa zur KI, in die richtige Richtung. Drei Handlungsfelder sind entscheidend: der flächendeckende Ausbau leistungsfähiger, digitaler Infrastrukturen, der Umgang mit Daten kommunaler Unternehmen und die Rahmenbedingungen für Cybersicherheit.

Glasfaser first: Jetzt Weichen stellen 

Schnelles Internet entscheidet über die künftige wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit und gesellschaftliche Teilhabe. Das setzt leistungsfähige digitale Infrastrukturen voraus. Die Ampel-Koalitionäre kündigen an, den Glasfaserausbau zu forcieren und dort zu fördern, wo der Nachholbedarf am größten ist. Das ist richtig. Um auf der Großbaustelle Glasfaserausbau weitere Kilometer zu machen, müssten die Koalitionäre zwei Paradigmenwechsel wagen: Wettbewerb auf Augenhöhe und Wettbewerb auf dem Netz statt zwischen Netzen.

Lange wurden lukrative Gebiete doppelt und dreifach, andere Gebiete gar nicht ausgebaut. Eine Ursache: das Recht auf Mitverlegung (Baustellenkoordinierung) wurde als Schlupfloch für strategischen Überbau genutzt, das heißt Glasfasernetze kommunaler Unternehmen überbaut und dadurch entwertet. Mit der TKG-Novelle wurde dieses „Wer gräbt, verliert“-Problem zwar angegangen, jedoch nicht vollständig gelöst. Volkswirtschaftlich sinnvoller wäre mehr Wettbewerb auf dem Netz statt zwischen unterschiedlichen Netzen.

Fast drei Viertel der kommunalen Unternehmen bieten deshalb schon jetzt „Open Access“ an oder stehen unmittelbar davor. Fachkräftemangel und fehlende Tiefbaukapazitäten zeigen schlicht: Kein Marktteilnehmer schafft den Glasfaserausbau allein. Wir brauchen Kooperationen zwischen den Marktteilnehmern – gerade für den Anschluss von wirtschaftlich schwer erschließbaren Gebieten. Dafür braucht es Anreize. Neben Glasfaser, klassischen Mobilfunkfrequenzen und lokalem WLAN sollte Politik zudem den Aufbau lokaler Rechenzentren unterstützen. Wirtschaft und Kommunen bekämen so sichere, digitale Heimathäfen für ihre Daten.

Zu Recht wollen die Koalitionäre wieder beträchtliche Mittel für den Glasfaserausbau insbesondere im ländlichen Raum zur Verfügung stellen. Das wäre ein wesentlicher Beitrag zu gleichwertigen Lebensverhältnisse. Notwendig wäre es aber auch, kleinere weiße und graue Flecken im städtischen Bereich zu schließen. Soweit dies eigenwirtschaftlich nicht möglich ist, ist ein neues Förderinstrument notwendig, um die Glasfaser-Nachfrage anzureizen: Voucher für Haus- und Wohnungseigentümer. Mit einem solchen Gutschein könnte die Nachfrage nach Glasfaseranschlüssen gesteigert und so die notwendige Quote für einen wirtschaftlichen Ausbau in einem Versorgungsgebiet erreicht werden.

Daseinsvorsorge: Wettbewerb auf Augenhöhe

Ob Datennutzungsgesetz oder künftig der europäische Data Act: Viele Gesetze regeln den Umgang mit Daten als Ressource der Zukunft. Im Regelfall stehen die Daten der öffentlichen Verwaltung im Fokus der Open-Data-Debatte. Zunehmend sollen allerdings auch für kommunale Unternehmen strenge Datenteilungspflichten gelten, was die digitale Daseinsvorsorge am Ende schwächen würde. Grund hierfür ist offenbar die Annahme des europäischen Gesetzgebers, dass kommunale Unternehmen aufgrund ihrer Eigentümerstruktur ihre Dienste mit Steuermitteln erbringen. Tatsächlich stehen sie in vielen Bereichen, zum Beispiel Energiesektor, im Wettbewerb mit privaten Unternehmen und finanzieren sich im Regelfall über private Entgelte. Wenn nur kommunale Unternehmen ihre Daten offenlegen müssen, ist das ein struktureller Nachteil gegenüber privaten Unternehmen.

Die Marktmacht großer privater Anbieter würde so zulasten der kommunalen Daseinsvorsorge zementiert. Deshalb brauchen wir künftig einen verlässlichen, transparenten und fairen Rechtsrahmen, der Wettbewerb auf Augenhöhe ermöglicht. Konkret: ein level-playing-Field bei der Daseinsvorsorge – gleicher Sektor, gleiches Spiel, gleiche Regeln.

Zudem sollte die Bundesregierung an die Länder appellieren, ihre Gemeindewirtschaftsregeln einem Digital-Check zu unterziehen: Denn diese Regeln stehen dem Datenteilen für Kooperationen oder dem bundesweiten Ausrollen von best-practice-Lösungen für digitale Daseinsvorsorge oft im Weg. Gleiche Datenteilungspflichten in der Daseinsvorsorge, Digital-Check: Für die digitale Daseinsvorsorge brauchen wir einen Aufbruch in die richtige Richtung. Davon profitieren Bürgerinnen und Bürger in Stadt und Land.

Cybersicherheit: Abwehrzentrum statt Zuständigkeitsdschungel

Je digitaler unsere Städte und Gemeinden, desto wichtiger ist der Schutz vor Cyber-Angriffen. Jede Smart-City-Strategie braucht eine Cyber-Sicherheitsstrategie. Weil Cybersicherheit kein Zustand, sondern ein Prozess ist, entwickeln kommunalen Unternehmen ihre IT-Sicherheitskonzepte und -maßnahmen kontinuierlich fort. Für diesen Weg brauchen sie Unterstützung von der Politik. Dazu zählt unter anderem, den „Security by design“-Ansatz zu forcieren, um Hersteller in die Verantwortung zu nehmen und das Bekenntnis: IT-Sicherheit gibt es nicht zum Nulltarif. Förderprogramme sollten ausgeweitet und entbürokratisiert werden, um den kommunalen Mittelstand zu unterstützen.

Am wichtigsten ist: Die Stromversorgung muss Teil der nationalen Cyber-Sicherheitsarchitektur werden. Denn ohne Strom steht alles still. Konkret brauchen wir ein nationales Cyberabwehrzentrum nach dem Vorbild des Nationalen Lage- und Führungszentrums für Sicherheit im Luftraum. Aktuell gleichen die föderalen Strukturen einem Zuständigkeitsdschungel. Im Krisenfall werden so schnelle und koordinierte Maßnahmen erschwert. Im nationalen Cyberabwehrzentrum sollten die zuständigen Sicherheits- und Aufsichtsbehörden, die IT-Branche und die Unternehmen in der Daseinsvorsorge eng und koordiniert zusammenarbeiten.

Ingbert Liebing ist seit April vergangenen Jahres Hauptgeschäftsführer des Verbandes kommunaler Unternehmen (VKU) in Berlin. In der Landesregierung Schleswig-Holsteins war er zuvor drei Jahre lang Staatssekretär und Bevollmächtigter beim Bund. Von 2005 bis 2017 saß Liebing im Deutschen Bundestag und war vier Jahre lang Bundesvorsitzender der Kommunalpolitischen Vereinigung der CDU und CSU Deutschlands. Von 2014 bis 2016 war er Landesvorsitzender der CDU Schleswig-Holstein.

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