Handelsunternehmen engagieren sich seit Jahren freiwillig beim Ausbau von Ladeinfrastruktur auf ihren Kundenparkplätzen. So stellt der Handel mehr als 15 Prozent aller öffentlich zugänglichen Ladepunkte bereit und jeder dritte Schnellladepunkt in Deutschland steht auf einem Handelsparkplatz.
Ladeinfrastruktur ist ein zusätzlicher Kundenservice und inzwischen für einige Handelsunternehmen auch ein Nebengeschäft. Schon heute besteht jedoch zudem über das Gebäude-Elektromobilitätsinfrastruktur-Gesetz (GEIG) auch eine gesetzliche Verpflichtung zum Ausbau von Ladeinfrastruktur.
Diese Verpflichtungen werden nun über die in der EU-Gebäudeeffizienzrichtlinie (EPBD) festgelegten gesetzlichen Ausbaupflichten erweitert. Problematisch hierbei: Sie sind rein quantitativ ausgerichtet, anstatt sich am Bedarf der Kundi:nnen des Handels zu orientieren.
Auf Kundenparkplätzen laden Kundi:nnen Ihre Fahrzeuge während des Einkaufs, und das nicht stundenlang, sondern durchschnittlich zwischen 30 und 60 Minuten. Dies erfordert jedoch die wesentlich kostspieligeren DC-Schnellladepunkte. Wenn der Gesetzgeber dabei bleibt sich bei den Ausbaupflichten nur auf die Anzahl der Ladepunkte zu konzentrieren, anstatt eine anzustrebende Gesamtladeleistung in den Mittelpunkt zu stellen, ist es absehbar, dass dieses Gesetz am Bedarf der Menschen vorbei gehen wird.
Gesamtladeleistung in den Mittelpunkt stellen
Es ist wichtig zu differenzieren: Bei Bürogebäuden, wo die Verweildauer bei den Parkplätzen für Mitarbeitende mehrere Stunden beträgt, können Ladepunkte eine sinnvolle Zielgröße sein. Auf Parkflächen des Handels hingegen sollte eine Gesamtladeleistungs-Pflicht beschlossen werden. Mit wenigen DC-Schnellladepunkten können an Handelsstandorten aufgrund von kurzen Ladezeiten der Kundschaft wesentlich mehr Fahrzeuge versorgt werden. Gerade zu Stoßzeiten zeigt sich der Mehrwert der DC-Schnellladestationen, da in kürzerer Zeit mehr Pkw abgefertigt werden können.
Hoffnung gibt, dass die Bundesregierung im Strategiepapier der kürzlich vorgestellten Wachstumsinitiative gleichfalls von der Notwendigkeit einer bedarfsgerechten Ladeinfrastruktur spricht, hier sollte sie nun auch mit der entsprechenden Konsequenz bei der Umsetzungsgesetzgebung der EPBD handeln.
Bündelung von Standorten weiter ermöglichen
Darüber hinaus sollte es weiterhin möglich bleiben, Standorte zu bündeln beziehungsweise zu kumulieren, wie es im aktuellen GEIG möglich ist. Auf diese Weise bleibt ein nutzer- und kundenfreundlicher Ausbau von Ladeinfrastruktur möglich. Wo mehr Bedarf ist, sollten auch mehr Ladepunkte zur Verfügung stehen.
Aktuell liegt die Auslastung bei jedem vierten Handelsunternehmen bei rund zehn Prozent. Nur bei zehn Prozent der Befragten ist eine Auslastung von 75 Prozent gegeben (Quelle: EHI Retail Institute). Deshalb ist es jetzt höchste Zeit, die Elektromobilität ganzheitlich zu denken. Der Handlungsdruck sollte auf alle beteiligten Akteure gleichermaßen aufgeteilt werden.
Gerade vor dem Hintergrund des Überangebots an Ladeinfrastruktur im Verhältnis zur Anzahl der aktuellen Nutzeri:nnen sollte auch an die Erhöhung der Auslastung der bestehenden Ladepunkte gedacht werden, bevor man zum Aufbau weiterer Ladepunkte verpflichtet.
Die Strategie, abzuwarten, bis die Ladeinfrastruktur flächendeckend ausgebaut ist und dadurch die Nutzerzahlen steigen, ist falsch. Der Handel geht hier aufgrund der gesetzlichen Verpflichtungen und aus eigener Verantwortung seit Jahren in Vorleistung. Es ist in der Verantwortung der Fahrzeughersteller, ein Angebot zu machen, das Kund:nnen überzeugt, sowie die notwendige Infrastruktur mitzudenken, statt mit dem Finger auf Dritte zu zeigen.
Ein Ladestandort mit vier bis fünf HPC-Ladesäulen kostet durchschnittlich 500.000 Euro – mit heute teilweise noch geringen Nutzungszahlen. Diese zu steigern, muss beim Ausbau klimafreundlicher Ladeinfrastruktur ebenfalls im Fokus stehen.
Netzkapazitäten als Faktor bei Ausbaupflichten
Massive Verzögerungen bei der Bearbeitung der Netzanschlussanfragen durch die Verteilnetzbetreiber gehören seit Monaten zur Realität des Ausbaus von Ladeinfrastruktur. Aktuell warten tausende Anträge aus dem Handel auf eine Bearbeitung durch die Verteilnetzbetreiber. HDE-Mitgliedsunternehmen berichten, dass sie bis zu 18 Monate auf die Rückmeldung der Verteilnetzbetreiber warten. Immer häufiger verweigern sich die Verteilnetzbetreiber zu einem Netzanschluss, oder verschieben diesen auf „ungewisse Zeit“.
Immer strengere und ambitioniertere Ausbaupflichten werden, vor dem Hintergrund der Krise in den Verteilnetzen, nicht zu einer Beschleunigung des Ausbaus von Ladeinfrastruktur in der Praxis führen. Wir gehen davon aus, dass die zusätzliche Netzanschlussleistung, die nach der EPBD-Umsetzung eingebaut werden muss, in den meisten Fällen nicht von Ortsnetzstationen (ONS) bereitgestellt werden kann, auch nicht bei AC-Ladesäulen.
Die Ausbaupflichten für die Ladeinfrastruktur sollten deshalb an diese Realität angepasst werden. Beschleunigung der Netzanschlüsse und des Netzausbaus sind Aufgaben, die nicht von heute auf morgen gelöst werden. Deshalb sollte der Gesetzgeber die Regulierung dringend überdenken.
Wenn Verteilnetzbetreiber nicht die nötigen Netzkapazitäten zur Verfügung stellen können, dürfen Anschlussnehmer nicht mit einer Verschärfung der Ausbaupflichten belastet oder mit Bußgeldern bestraft werden. Dies ist jedoch nach dem aktuellen GEIG der Fall. Bei der nationalen Umsetzung der EPBD sollte sich das dringend ändern.