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Standpunkte Wir brauchen keine neuen Förderprogramme für Ladesäulen

Kerstin Andreae, Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft
Kerstin Andreae, Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft Foto: BDEW

1,9 Milliarden Euro sind im Bundeshaushalt für die Förderung von Lade- und Tankinfrastruktur vorgesehen. Das ist eine Verschwendung von Steuergeld. Bessere Rahmenbedingungen für privatwirtschaftliche Investitionen und niedrigere Anschaffungskosten für E-Autos wären viel effizienter.

von Kerstin Andreae

veröffentlicht am 18.01.2024

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1,9 Milliarden Euro sind viel Geld. Es ist die Summe, die nun, zwar gekürzt nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Klima- und Transformationsfonds, im Haushalt für die Förderung von Lade- und Tankinfrastruktur vorgesehen ist. Und das, während zugleich der Umweltbonus für E-Fahrzeuge abgeschafft wurde. Um es klar zu sagen: Wir brauchen keine neuen Förderprogramme für öffentliche Ladesäulen. 1,9 Milliarden Euro sind überdimensioniert und am falschen Ende investiert. Um zum Hochlauf der Elektromobilität beizutragen, muss das Geld richtig kanalisiert werden. 

Drei Gründe sprechen gegen neue Förderprogramme für öffentliche Ladesäulen:

Erstens die fehlende Effizienz der Programme für öffentliche Ladesäulen: Die bisherigen Förderprogramme waren überkomplex in der Beantragung und vor allem sehr langwierig in ihrer Bewilligung und nicht praxisgerecht. Nach der Zuschlagserteilung sind enge Fristen für den Aufbau einzuhalten, gleichzeitig jedoch wird die effiziente Nutzung von Rahmenverträgen mit Ladesäulenherstellern versagt, und die Beschaffung muss einzeln für das jeweilige Projekt erfolgen.

Hinzu kommen aufwändige Berichtspflichten im Nachgang sowie vorgegebene Mindestbetriebsdauern. Letztere passen wiederum nicht zu den schnellen Innovationsentwicklungen der Ladeinfrastrukturtechnologie und laufenden Veränderungen des Rechtsrahmens – zum Beispiel die anstehende Ausstattungspflicht mit PIN-Pads und dynamischen QR-Codes. Teilweise kommen bei der Förderung auch noch Auflagen hinzu, die dem Ladesäulenbetreiber Vorgaben zu seinem Geschäftsmodell an den geförderten Ladesäulen machen. 

Der Markt baut schneller, als der Staat fördert

All diese Punkte haben dazu geführt, dass die im Bundeshaushalt vorgesehenen Mittel für Ladesäulenförderung in den vergangenen fünf Jahren nie ausgeschöpft wurden. In der Spitze wurden 2021 40 Prozent der vorgesehenen Mittel abgerufen. Der Höchstbetrag lag 2022 bei 481 Millionen.

Zweitens spricht die Effektivität der bisherigen Programme für öffentliche Ladesäulen gegen die Auflage neuer Programme. Die Bedeutung der Förderprogramme des Bundes für den Ladesäulenausbau ist zu vernachlässigen: So war in der Spitze im Jahr 2019 jede dritte öffentliche Ladesäule vom Bund gefördert, Ende 2023 war es nur noch jede fünfte. Das heißt, der Markt baut schneller, als der Staat fördert

Besonders offensichtlich wird dies beim Deutschlandnetz. Ein flächendeckendes Schnellladenetz wurde vom damaligen Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) im August 2021 als „Ladeturbo“ angekündigt, der „bis 2023 kommt“. Nach der Förderausschreibung im Oktober 2021 erfolgten erst im September 2023 die Zuschläge für 900 zuvor definierte regionale Suchräume. In demselben Zeitraum wurden in mehr als der Hälfte der Suchräume bereits privatwirtschaftlich Schnellladestandorte errichtet. Die über 450 Standorte erstrecken sich dabei über das gesamte Bundesgebiet inklusive vermeintlich strukturschwacher Regionen.

Das Bundeskartellamt hat deshalb bereits 2021 in seinem Sachstandsbericht zu Recht darauf hingewiesen, dass anstelle des umfassenden staatlichen Engagements im Ladeinfrastrukturmarkt „marktorientierte und ordnungsrechtliche Steuerungsinstrumente wie der CO2-Preis oder ein Auslaufpfad für Verbrennungsmotoren als die geeigneteren Maßnahmen“ erscheinen. Der Staat ist nicht der bessere Unternehmer.

Der dritte Grund, der aus Sicht der Energie- und Ladebranche gegen weitere Förderprogramme für öffentliche Ladesäulen spricht, ist der damit verbundene Eingriff in den sich dynamisch entwickelnden Markt. Es wird deutlich, dass sich Standorte in den staatlich definierten Suchräumen signifikant verteuern. Andere Flächen werden zudem nicht dem Markt zur Verfügung gestellt: So fehlt es nach wie vor an Flächen des Bundes, insbesondere auch entlang der Autobahnen. Entgegen der seit 2020 wiederholt erfolgten Zusage der Bundesregierung, ihre Flächen zeitnah für die Errichtung von Ladesäulen bekannt zu geben, werden sie immer noch intern auf ihre Eignung geprüft und im Zweifelsfall nur im Rahmen eigener Förderprogramme angeboten.

Nächste Fehlentwicklung: Ladenetz für E-Lkw

Deutlichster Fall dieser Fehlentwicklung ist der geplante Aufbau eines „initialen Ladenetzes“ für E-Lkw entlang der Autobahnen, das eigentlich bis 2025 stehen soll. Anstatt die Flächen pragmatisch den Ladesäulenbetreibern anzubieten, wird noch immer geprüft, ob das „initiale Ladenetz“ so wie das Deutschlandnetz als Dienstleistung ausgeschrieben werden soll.

Statt eines schnellen Aufbaus von E-Lkw-Ladesäulen durch Unternehmen und Pachteinnahmen für den Staat wird also wieder erwogen, über Staatsausgaben und langwierige Förderprogramme zum Erfolg zu kommen. So kommen wir nicht voran. Baden-Württemberg hat mit der Meldung von 130 landeseigenen Liegenschaften im Flächen-Tool der Bundesregierung gezeigt, dass man auch als öffentliche Hand ein-fach seine Flächen für den Ausbau dem Markt zur Verfügung stellen kann. 

Die Energie- und Ladebranche unterstützt ganz klar das Ziel der Bundesregierung, im Jahr 2030 15 Millionen vollelektrische Pkw auf Deutschlands Straßen zu haben. Dafür bauen die Unternehmen das Ladeangebot weiter massiv aus.  Die Haushaltspolitik der Bundesregierung muss daher darauf ausgerichtet sein, dass die 15 Millionen E-Autos kommen. Das größte Problem für die Elektromobilität in Deutschland sind heute die hohen Anschaffungspreise für E-Pkw – und künftig auch für E-Lkw –, deren Förderung aber gestrichen wurde. Hier wird das Missverhältnis in der Förderpolitik deutlich. Über die Hälfte der Bevölkerung will nicht mehr als 30.000 Euro für einen Neuwagen zahlen. Dafür gibt es aber nach einer Untersuchung des ADAC gerade einmal drei vollelektrische Kleinwagenmodelle.

Statt zusätzliche Mittel für neue öffentliche Ladeinfrastrukturprogramme aufzuwenden, sollte der Staat bessere Rahmenbedingungen schaffen, die die Anschaffungskosten von E-Fahrzeugen senken. E-Fahrzeuge werden durch eine Ladesäulenförderung nicht billiger.

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