Verkehr-Smart-Mobility icon

Verkehr & Smart Mobility

Standpunkte Das E-Auto als Cash Cow

Alexander Landia, Vorsitzender des Verwaltungsrates von The Mobility House
Alexander Landia, Vorsitzender des Verwaltungsrates von The Mobility House Foto: promo

E-Autos sollten Strom auch ins Netz zurückgeben können. Dann könnten ihre Besitzer durch smarte Regulierung rund 1300 Euro pro Jahr verdienen. Indem sie sich vollautomatisch „grün“ verhalten und den teuersten Teil ihres Autos – die Batterie – zugleich zur Kosten- wie auch Emissionsreduzierung nutzen. Wenn dieser Ansatz durch einen sicheren regulatorischen Rahmen ermöglicht wird, könnte die KfW den Autokäufern ohne Risiko Kredite von bis zu 6000 Euro für den Fahrzeugkauf einräumen.

von Alexander Landia

veröffentlicht am 31.03.2021

Lernen Sie den Tagesspiegel Background kennen

Sie lesen einen kostenfreien Artikel vom Tagesspiegel Background. Testen Sie jetzt unser werktägliches Entscheider-Briefing und erhalten Sie exklusive und aktuelle Hintergrundinformationen für 30 Tage kostenfrei.

Jetzt kostenfrei testen
Sie sind bereits Background-Kunde? Hier einloggen

Mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) aus dem Jahr 2000 hat Deutschland weltweit Maßstäbe gesetzt. Viele andere Staaten sind diesem Beispiel gefolgt. Hierzulande lag der Anteil der Erneuerbaren am gesamten erzeugten Strom 2020 bei 46 Prozent. Das war bereits mehr, als im gleichen Jahr mit fossilen Energiequellen erzeugt wurde.

In den vergangenen Jahren sind die Kosten für die Erzeugung erneuerbarer Energien wegen des technischen Fortschritts stetig gesunken. Gleichzeitig hat die Volatilität des Stromangebots massiv zugenommen. Zuverlässigkeit und Stabilität des Stromnetzes sind daher weitere neue Herausforderungen für Staat und Netzbetreiber. Diesen kann am effizientesten durch Flexibilität begegnet werden. Dafür braucht es einen Wechsel von harter zu smarter Regulierung. Denn Flexibilität und ein starrer Regulierungsrahmen passen nicht zusammen.

Aktuelles Beispiel hierfür ist die Debatte um die sogenannte „Spitzenglättung“, die ein im Januar 2021 vorgelegter Gesetzentwurf des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie zur Reform von Paragraf 14a des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) zum Thema hatte. Dabei wurde allerdings wieder angedacht, ein Problem durch starre Regulierung zu lösen, statt deutlich nachhaltiger die Flexibilität des Systems zu erhöhen beziehungsweise erst zu ermöglichen. Nach öffentlicher Kritik, unter anderem durch den Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) und den Verband der Automobilindustrie (VDA), hat Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) den Entwurf nach wenigen Wochen zunächst jedoch wieder zurückgezogen.

2030 bis zu 35 Millionen E-Autos in der EU

Das vorgelegte Gesetz hätte den potenziellen Beitrag von Elektrofahrzeugen zur Glättung von Spitzen und Stabilisierung der Netze stark gemindert. Am 8. Januar 2021 haben zum Beispiel rund 2500 gebrauchte und neue Elektroauto-Batterien, die mit der Technologie von The Mobility House intelligent gesteuert werden, in Deutschland vier Prozent der schnellen Flexibilität bereitgestellt, die so dringend gebraucht wurde, um einen Stromausfall im europäischen Stromnetz zu vermeiden. Das führt zu der Frage: Was wäre möglich, wenn es bis 2030 in Deutschland zehn bis 14 Millionen in das Netz eingebundene Elektrofahrzeuge gäbe? Oder in der Europäischen Union bis zu 35 Millionen? 

Noch befanden sich die genannten 2500 Elektroauto-Batterien nicht in Autos, sondern in stationären Speichern. Bidirektional (auch genannt Vehicle to Grid, V2G) in Autos hätten sie nicht „netzdienlich“ genutzt werden können und dürfen. Denn in Autos werden sie heute als sogenannte Endverbraucher doppelt mit Steuern und Gebühren belastet: Sowohl für den Fahrstrom wie auch für die vorübergehend gespeicherte und ins Netz eingespeiste Energie – anders als bei stationären Batterien. Dies soll eigentlich im Zuge der RED-II-Richtlinie der Europäischen Union korrigiert werden. Ein gutes Beispiel für smarte Regulierung – eine nationale Umsetzung ist aber noch nicht in Sicht. Dabei ist sie dringend nötig.

Wenn die nationalen Regierungen diese smarte Regulierung zügig umsetzen, könnten 35 Millionen Elektrofahrzeuge in der EU im Jahr 2030 bis zu einem Drittel der täglichen Flexibilität des Stromnetzes bereitstellen. Im Jahr 2050 sogar 100 Prozent. In Deutschland würde dies bereits 2030 bis zu 24 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr einsparen. Ich bin überzeugt: Nur so wird der deutsche Verkehrssektor in der Lage sein, den Trend der steigenden Emissionen und Stromkosten der vergangenen Jahre zu brechen und die Klimaziele für 2030 zu erreichen.

Für einen durchschnittlichen Elektroautobesitzer würde eine smarte Regulierung die Möglichkeit eröffnen, während der Parkzeit – die durchschnittlich über 90 Prozent der Tagesdauer entspricht – einen echten Gewinn von knapp 650 Euro pro Jahr durch Marktmechanismen zu erzielen. Und das nur, indem er den in seinem Auto gespeicherten Strom zum richtigen Zeitpunkt über Aggregatoren dem Energiemarkt zu Verfügung stellt, vollautomatisch und intelligent gesteuert. Wenn diese Batterien nicht netzdienlich genutzt werden, würde diese vorhandene Kapazität verschwendet. Denn bis 2030 werden die deutschen Autofahrer 60 Milliarden Euro für Fahrzeugbatterien ausgeben.

Beitrag von Elektroautos zur CO2-Reduktion genauer messen

Wenn die Implementierung der RED-II-Richtlinie gelingt, könnten die Elektroauto-Besitzer zudem nochmals bis zu 730 Euro jährlich beim Fahren verdienen, falls sie durch intelligente Netzsteuerung und Strommärkte ausschließlich „grünen“ Strom laden. Denn der Beitrag jedes Fahrzeugs zur Reduzierung der CO2-Emissionen kann anhand der Daten von Batterie und EDV-Systemen der Automobilhersteller exakt bestimmt werden. Aktuell wird dieser Beitrag lediglich pauschal geschätzt und vermutlich bis zu Faktor 13 unterschätzt.

Durch smarte Regulierung könnten Elektroauto-Besitzer also rund 1300 Euro pro Jahr verdienen. Indem sie sich vollautomatisch „grün“ verhalten und den teuersten Teil ihres Autos – die Batterie – zugleich zur Kosten- wie auch Emissionsreduzierung nutzen. Wenn dieser Ansatz durch einen sicheren regulatorischen Rahmen ermöglicht wird, könnte die KfW den Autokäufern ohne Risiko Kredite von bis zu 6000 Euro für den Fahrzeugkauf einräumen. Das ist mehr als der Anteil des Bundes an den heutigen Kaufprämien. Diese Kredite könnten die Fahrzeughalter alleine durch „grünes“ Nutzungsverhalten anstatt durch Bargeld zurückzahlen. Somit wird Elektromobilität auch für niedrigere Einkommensgruppen schneller erschwinglich.

Komplexe Probleme erfordern komplexe Lösungen, und im Falle von Elektrofahrzeugen ist gerade in Deutschland ein integriertes Denken über die Grenzen von Ministerien hinweg notwendig. Dabei sind die Prinzipien, nach denen gehandelt werden sollte, überzeugend und einfach: Erstens den Beitrag von Elektroautos zur CO2-Reduktion genauer messen und zweitens den Markt dafür bezahlen lassen. Dieses Modell mit bereits erprobten Technologien könnte Deutschland exportieren und so erneut zum globalen Vorreiter der Energie- und Verkehrswende werden. Das würde Arbeitsplätze schaffen und den Wohlstand für die nächsten Jahrzehnte sichern.

Lernen Sie den Tagesspiegel Background kennen

Sie lesen einen kostenfreien Artikel vom Tagesspiegel Background. Testen Sie jetzt unser werktägliches Entscheider-Briefing und erhalten Sie exklusive und aktuelle Hintergrundinformationen für 30 Tage kostenfrei.

Jetzt kostenfrei testen
Sie sind bereits Background-Kunde? Hier einloggen