Die EU will per Verordnung, die in den EU-Mitgliedsstaaten zwingend umzusetzen sind, den Ausbau der Ladeinfrastruktur für Elektromobile nicht nur „fördern“, sondern sogar konkrete quantitative Vorgaben machen sowie die Privatwirtschaft unmittelbar in die Verpflichtungen zum Aufbau mit einbeziehen.
Diese Vorgehensweise, per gesetzlichen Pflichten die Privatwirtschaft in „staatliche“ Zielerfüllung mit einzubeziehen ist nicht neu. Ob diese Maßnahmen allerdings erfolgreich sein werden, ist insbesondere im Bereich der Elektromobilität höchst fraglich.
Die EU hat schon im Jahr 2014 versucht, über eine Richtlinie 2014/94/EU über den Aufbau der Infrastruktur für alternative Kraftstoffe (sog. AFI-Richtlinie), die nicht unmittelbar in den EU-Mitgliedsstaaten gilt, die Rahmenbedingungen für einen „Markt“ für von den Stromkonzernen unabhängige Ladeinfrastrukturbetreiber zu schaffen. Es sollte ein „level playing field“ geschaffen werden.
Damals war die Subventionierung von Ladeinfrastruktur (noch) nicht vorgesehen – man dachte, dieser Markt würde sich entwickeln. Allerdings verlief die Entwicklung nicht, wie die Politik sich dies vorstellte, also schuf man weitere Erleichterungen für Ladeinfrastrukturbetreiber. Diese waren schon alleine deswegen notwendig, weil der Aufbau von Ladeinfrastruktur – auch im privaten Bereich – unmittelbar Teil eines EU-weit regulierten Wirtschaftszweigs ist: der regulierten Energiewirtschaft.
Anpassungen des Rechhtsrahmens gingen ins Leere
Merkmal regulierter Wirtschaftszweige ist immer das engmaschige Netz an Rechtsvorschriften, die zwingend einzuhalten sind, insbesondere beim Betrieb von Infrastruktur. Und so war es auch wenig überraschend, dass diese Regulierungsdichte die Realisierung von Ladeinfrastruktur fast unmöglich machte. Zumal auch der Vertrieb von Strom über die Ladepunkte sehr margenschwach war und immer noch ist. Dennoch gingen die – homöopathischen – Anpassungen im Regulierungsrahmen bis heute ins Leere.
Dies blieb der Politik natürlich nicht verborgen, so dass nunmehr u.a. auch die Privatwirtschaft mit gesetzlichen Verpflichtungen zum Aufbau von Infrastruktur gezwungen wird. Vor allem das Gebäude-Elektromobilitätsinfrastruktur-Gesetz (kurz: GEIG) aus 2021 verpflichtet Gebäudeeigentümer, bei Neubauten und Renovierungen, Stellplätze mit Ladeinfrastruktur auszurüsten.
In die gleiche Richtung geht nunmehr auch die EU, die aus der AFI Richtlinie nun eine Verordnung mit konkreten quantitativen Vorgaben zum Ausbau der Ladeinfrastruktur machen wird. Zum Beispiel, in welchem Abstand an Autobahnen Ladeinfrastruktur zu errichten ist.
Die Bundesregierung hat im Rahmen ihres (von der EU geforderten) Masterplans auch zusätzlich Subventionen für den Aufbau von Schnellladeinfrastruktur auf Grundlage des Schnellladegesetzes im Jahr 2021 bereitgestellt, um den Ausbau zu forcieren.
Unternehmen müssen in Ladeinfrastruktur investieren
Zu einem zufriedenstellenden und ausreichenden Ausbau von Ladeinfrastruktur im öffentlichen wie privaten Bereich hat dies bisher dennoch nicht geführt. Warum? Zum einen fehlt oft die Wirtschaftlichkeit bei Betrieb der Infrastruktur und zum anderen ist der Rechtsrahmen nach wie vor ein massives Investitionshindernis.
Als Betreiber hat man in Deutschland eine Vielzahl von überzogenen Rechtsvorschriften zu erfüllen, wie etwa das restriktive Mess- und Eichrecht, Anforderungen an Smart Meter nach dem MsbG, Verbraucherschutzvorschriften nach Preisangabenverordnung, die teilweise innovative Preisstellungen verhindern, energieregulatorische Vorschriften und nicht zuletzt das komplizierte Umsatz- und Stromsteuerrecht.
Da die meisten Betreiber oder Stakeholder wie Immobilienbestandshalter nicht aus der Energiewirtschaft stammen, stellt insbesondere die Regulierung der Energiewirtschaft eine bürokratische und faktische Hürde dar, die die Umsetzung der Betreibermodelle verkompliziert und die Wirtschaftlichkeit in Frage stellt.
Es sind aber gerade die Unternehmen der Privatwirtschaft, die nicht Teil der Energiewirtschaft sind, die ein hohes Interesse an dem Aufbau von Ladeinfrastruktur im privaten, aber auch öffentlichen Bereich haben. Denn diese Unternehmen sind „getrieben“ von den eigenen Nachhaltigkeitszielen und den entsprechenden Zielen der Kunden bzw. Mieter (z.B. mit einer elektrifizierten Fahrzeugflotte) und müssen daher Ladeinfrastruktur anbieten.
Weniger ist mehr
Insofern ist es durchaus fraglich, ob weitergehende gesetzliche „Ausstattungspflichten“ einen zusätzlichen Anreiz überhaupt schaffen können, wenn ein solcher Anreiz bereits aus den vorgenannten Gründen besteht. Viel wichtiger erscheint vor dem Hintergrund der bisherigen schleppenden Entwicklung die „Simplifizierung“ sämtlicher regulatorischer Vorgaben für die Ladeinfrastruktur. Denn die Komplexität der gesetzlichen Regelungen, die Deutschland in diesem Bereich vorsieht, sucht in der EU ihresgleichen. Vielleicht bedürfte es daher weniger Subventionen und staatlich verordnete Ausstattungspflichten, wenn es den Investoren einfacher gemacht würde.
Eine weitere Schwierigkeit, die sich dabei in der Praxis zeigt: die Partikularinteressen der unterschiedlichen Marktteilnehmer und Behörden sind nicht deckungsgleich. Stromnetzbetreiber, Stromvertriebsunternehmen, Ladesäulenbetreiber, Automobilhersteller, Ladesäulenhersteller, Eichbehörden, Bundesnetzagentur, Gebäude- und Grundstückseigentümer und Kommunen haben oft sich diametral entgegenstehende Interessen.
Beispielhaft sei genannt, dass Stromnetzbetreiber aus europarechtlicher Sicht keine Ladeinfrastruktur betreiben dürfen, um keine Monopolwirtschaft entstehen zu lassen. Dies kann man als richtig oder falsch ansehen. Es gilt daher auch die Interessen zwischen dem für die Infrastruktur erforderlichen Flächenbedarf, der benötigten Stromnetzkapazität sowie dem Stromvertrieb über die Infrastruktur und die Bedürfnisse der E-Auto-Fahrer, Verbraucherschutz und Netzsicherheitsaspekte in einen Ausgleich zu bringen.
Anhand des Rechtsrahmens für Ladeinfrastruktur lässt sich sehr gut erkennen, dass die unterschiedlichen staatlichen „Lenkungsziele“ mit gesetzlichen Ausstattungspflichten, moderaten Entlastungen und Subventionen nur bedingt erreicht worden sind. Im Gegenteil: je mehr gesetzliche Vorgaben mit unterschiedlicher Zielrichtung bzw. unterschiedlichen Adressaten hinzukommen, weil die Ziele nicht erreicht werden, desto komplexer wird der Rechtsrahmen, der dadurch selbst zu einem Hemmnis wird.
Er hemmt die Innovationskraft der Privatwirtschaft und behindert somit die Erreichung der „eigentlichen“ staatlich gesetzten Ziele. Vielleicht müsste also die Maßgabe eher sein: weniger ist mehr.