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Verkehr & Smart Mobility

Standpunkte Kostengünstige Alternative zum Roaming

Stefan Pagenkopf-Martin, Geschäftsführer Parkstrom
Stefan Pagenkopf-Martin, Geschäftsführer Parkstrom Foto: promo

Die Diskussion um die Schaffung eines einheitlichen und nutzerfreundlichen Bezahlsystems an öffentlicher Ladeinfrastruktur ist nicht nachvollziehbar und sorgt für Irritationen, findet Stefan Pagenkopf-Martin. Der Geschäftsführer des Ladedienstleisters Parkstrom und Mitglied im Expertenbeirat des Bundesverbandes E-Mobilität plädiert dafür, bestehende Lösungsansätze zu nutzen, statt viel Geld und Energie auf technische Neuentwicklungen zu verwenden.

von Stefan Pagenkopf-Martin

veröffentlicht am 02.03.2021

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Im Dezember 2020 führte die Bundesregierung Spitzengespräche mit Vertretern der Energiewirtschaft, der kommunalen Unternehmen und der Automobilindustrie über den Ausbau der Ladeinfrastruktur in Deutschland. Im Zentrum des Interesses stand diesmal nicht nur die Errichtung einer flächendeckenden Ladeinfrastruktur, sondern auch der vereinfachte Zugang zu dieser.

In der Tat ist dies ein wichtiges Thema, wenn wir die Akzeptanz der Elektromobilität in diesem Land erhöhen wollen. Denn noch immer ist es leider so, dass Fahrerinnen und Fahrer von E-Autos eine ganze Reihe von Ladekarten unterschiedlicher Anbieter benötigen, um überall in Deutschland Strom tanken zu können. Und selbst wenn man die passende Karte zur Hand hat, ist man nicht selten mit intransparenten Tarifen und überhöhten Preisen konfrontiert – eine Nebenwirkung des Roamings.

Als Ergebnis der Gespräche bekräftigten Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) und Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) die Forderung, ein einheitliches, nutzerfreundliches Bezahlsystem für die Nutzung öffentlicher Ladesäulen einzurichten, mit einheitlichen technischen Standards. Aus der Sicht eines Praktikers kann ich nur sagen: richtig so, das muss das erste Ziel aller regulatorischen Bemühungen sein! Nur über den Weg dorthin sollten wir uns noch einmal unterhalten. Denn die Modifizierung von Softwarelösungen, um das aktuell verbreitete Roaming zu vereinfachen und somit zu verfestigen, stellt aus meiner Sicht insbesondere vor dem Hintergrund der Forderung nach nutzerfreundlichen Systemen keinen zukunftsfähigen Ansatz dar.

Laden unnötig teuer

Wenn ich die Diskussion um eine Vereinfachung des Zugangs sowie eine Vereinheitlichung des Bezahlsystems an öffentlichen Ladeinfrastruktur verfolge, bin ich doch überrascht. Denn für das vermeintlich schwierige Problem gibt es längst einfache und in der Praxis eingesetzte und erprobte Lösungen, die einen wesentlichen Beitrag zur Steigerung der Nutzerfreundlichkeit leisten könnten. Die Rede ist von Direktbezahlung mit kontaktloser Bankkarte.

Werfen wir einen kurzen Blick auf den Status quo, bevor wir uns einer möglichen Lösung widmen. Aktuell erfolgt die Freischaltung und Abrechnung von Ladevorgängen im öffentlichen Raum fast ausschließlich über die Ladekarten regionaler Ladeinfrastrukturbetreiber und übergeordnete Roaming-Netzwerke. Roaming-Systeme sind praktisch, da sie betreiberübergreifend die Nutzung von Ladeinfrastruktur ermöglichen. Die Kehrseite sind häufig intransparente Preisstrukturen sowie hohe Roamingkosten, die den Ladevorgang gegebenenfalls unnötig teuer machen.

Hinzu kommen Kosten für die Backend-Software, die nötig ist zur Authentifizierung, Verwaltung sowie Abrechnung der Ladevorgänge und die auch als Schnittstelle für das Roaming fungiert. Diese Backend-Kosten steigen in den letzten Jahren kontinuierlich. Roaming- und Backend-Kosten können für die Verbraucher einen Aufschlag von bis zu 80 Prozent auf den Stromabgabepreis des Betreibers bedeuten. Das ist enorm. Zusammengenommen haben wir aktuell ein kompliziertes System, das hohe Zusatzkosten für die Verbraucher verursachen kann – und für die Betreiber von Ladestationen unter Umständen auch umsatzsteuerrechtliche Probleme mit sich bringt.

Die Menschen wollen bestehende Zahlungsmittel nutzen

Wir sollten uns fragen, was die Wünsche und Erwartungen von Elektroauto-Fahrerinnen und -Fahrern sind. Diese wollen Ladestationen, an denen sie ihr E-Fahrzeug einfach, unkompliziert und kostentransparent laden können. Betreiber regionaler Ladenetze haben übrigens eine ähnliche Interessenlage und wollen kosteneffiziente sowie technisch und administrativ unaufwendige Lösungen.

Etablierte Direktbezahl-Systeme bieten genau dies. Eines der kostengünstigsten Systeme für Ad-Hoc-Laden ist das von der GLS-Bank entwickelte Giro-e, das mit jeder kontaktlosen Girokarte eines deutschen Bankinstituts funktioniert, ohne Vertragsbindung. Nahezu jeder Bundesbürger hat eine solche kontaktlose Girokarte in der Brieftasche, rund 75 Millionen sind derzeit im Umlauf mit steigender Tendenz (insgesamt gibt es rund 100 Millionen Giro-Karten in Deutschland laut Dachverband der Banken und Sparkassen).

Aktuell wird auch an der Einbindung von Kreditkarten gearbeitet, um allen E-Mobilisten, etwa aus dem Ausland, einen Zugang mit Direktbezahlung zu ermöglichen. Giro-e ist derzeit eines der offensten Bezahlsysteme für Ladestrom in Deutschland. In der Praxis hat es sich bewährt und bietet meines Erachtens ausschließlich Vorteile, sowohl für Betreiber als auch für Nutzer. Immer mehr Hersteller bieten schon heute oder in naher Zukunft Giro-e-kompatible Ladestationen an. In Zukunft werden zudem weitere Direktbezahlsysteme von anderen Anbietern auf den Markt kommen.

Einfluss auf den Betriebs- und Verwaltungsaufwand

Das Direct Payment ermöglicht die direkte Freischaltung und Abrechnung des Ladestroms ohne Mittler und ohne Vertragsbindung. Das Laden und Bezahlen von Strom für das E-Auto wird damit so einfach wie das Tanken an konventionellen Tankstellen oder das Bezahlen an der Supermarktkasse. Und genau das wollen Kunden und Betreiber. Auch die Abrechnung ist denkbar einfach: Bei Giro-e erfolgt die Abbuchung vom jeweiligen Konto in der Regel zwei Werktage nach dem Ladevorgang, so wie bei jedem anderen Einkauf auch, den man mit der Girokarte tätigt.

Über einen Link in den Buchungsdetails lässt sich bei Bedarf eine Rechnung aufrufen, die die Kosten für den Ladevorgang transparent und kWh-genau aufschlüsselt. Mit dem Vorhandensein solch ebenso einfacher wie funktionaler Lösungen steht die Frage im Raum, warum neue Lösungen ersonnen werden sollen. Vielmehr wäre es angebracht, vor dem Hintergrund des jüngsten Vorstoßes der Regierung bestehende Ansätze, die die Anforderungen an einen einfachen Zugang längst erfüllen, mit regulatorischen und förderpolitischen Maßnahmen zu stärken.

Schließlich: Die Gegenüberstellung von  Roaming und Direct Payment verdeutlicht, dass auch aus Betreibersicht nicht nur die Hardware beim Ladeinfrastruktur-Aufbau berücksichtigt werden sollte, sondern auch das künftige Betreibermodell. Denn dieses hat einen erheblichen Einfluss auf den Betriebs- und Verwaltungsaufwand sowie die Flexibilität bei der Tarifgestaltung für den Ladestrom.

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