Darüber, was der beste Weg ist, mehr Lademöglichkeiten für E-Pkw zu schaffen, herrscht Uneinigkeit durch sämtliche Ebenen der Politik und Branchen hindurch. Vom Politiker bis zur Elektroinstallateurin hat jede und jeder etwas beizutragen – vollkommen zu Recht, denn es sind ja auch alle involviert.
Um auch nur eine einzige Ladesäule aufzubauen, benötigt man zunächst einmal Geld. Das kann man in Form von Fördermitteln etwa beim Bundesverkehrsministerium (BMVI) oder den Länderverwaltungen beantragen. Deren jeweilige Förderbedingungen ermöglichten es aber in der Vergangenheit oft nicht allen wichtigen Akteuren, ihren Ladepunkt am gewünschten Standort aufzubauen, da jede Abweichung von den Förderkriterien die Förderquote reduzierte oder eine Förderung gar ausschloss. Hier hat sich nun einiges getan: Es wird Förderprogramme für private Ladeinfrastruktur geben, und auch die Bedingung der 24/7-Zugänglichkeit wurde gelockert.
Viele Akteure am Aufbau öffentlicher Ladepunkte beteiligt
Wie sieht es mit Ladepunkten im öffentlichen Straßenland aus? Da haben oft Stadtverwaltungen Bedenken, die dem öffentlichen Raum keine weiteren Stadtmöbel zumuten wollen, und dazu zählen auch Ladesäulen. Weitere Behörden machen Auflagen zum Mindestabstand zu Bäumen und Fußgängerüberwegen. Zudem sollte man im Hinterkopf behalten, dass Ladesäulen im öffentlichen Raum den üppigen Raumbedarf von Fahrzeugen im Vergleich zu anderen Fortbewegungsmitteln für die Zukunft zementieren. Hat man dann trotz alledem einen Ort für eine Ladesäule gefunden, murren Anwohnende, weil ein weiterer Parkplatz für Verbrenner wegfällt.
Dann besser privates Laden fördern? Leider verfügt nicht jede Person, die ein Auto besitzt, auch über einen privaten Parkplatz. Zudem sorgt sich der Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie, da sich in mehr als 70 Prozent der deutschen Gebäude Elektroleitungen befinden, die älter als 35 Jahre sind. Ehe man hier ein Elektroauto anschließen kann, müsste man sanieren – und das kostet. Fraglich also, ob bis zum Jahr 2025 die notwendigen 2,4 bis 3,5 Millionen Ladepunkte im privaten Bereich entstehen werden.
Einzelhandel und Wohnungswirtschaft noch nicht voll mit an Bord
Wie sieht es mit Laden auf dem Supermarktparkplatz aus? Der Einzelhandel ist sich uneins darüber, ob Lademöglichkeiten auf dem hauseigenen Parkplatz ein Verlustgeschäft sind oder doch ein Anreiz für die Kundschaft. Soll das Laden während des Einkaufs etwas kosten? Wenn ja, wie rechnet man das ab? Und braucht man dann Schnellladepunkte oder reicht langsames Laden?
Ähnlich verhält es sich mit der Wohnungswirtschaft. Viele stehen der E-Mobilität grundsätzlich sehr aufgeschlossen gegenüber, haben Studien und Pilotvorhaben gestartet. Trotzdem ist ein großer Rollout von Ladeinfrastruktur noch nicht zu beobachten, obwohl allein in Berlin in den nächsten Jahren ein Bedarf von mehreren 10.000 Ladepunkten in diesem Bereich entstehen wird. Wird der Ladebedarf nicht am Wohnort gedeckt, muss im öffentlichen Bereich entsprechend mehr aufgebaut werden – und wir stehen wieder am Anfang unserer Überlegungen.
Jeder Akteur, der an der Energiewende im Verkehr beteiligt ist, hat eine eigene, absolut berechtigte Perspektive auf das Problem und genug Gelegenheit zu sagen: So geht es aber nicht! Doch die eine Wahrheit gibt es nicht. Wenn alle nur auf die eigene Baustelle schauen, besteht die Gefahr, dass wir den Ausbau von Ladeinfrastruktur und die Antriebswende im Verkehr so lange verschieben, bis es zu spät ist. Wir brauchen Dialog und ein Verständnis für die Perspektiven aller Beteiligten.
Genau hier liegt aus meiner Sicht die größte Herausforderung der Energiewende im Verkehr: Es müssen Menschen konstruktiv zusammenarbeiten, die noch nie zuvor miteinander gesprochen haben. Die zum Teil wenig Verständnis für die Probleme und Sichtweisen der anderen haben. Und es muss sich die Erkenntnis durchsetzen, dass niemand allein Recht hat. Der Ladeinfrastrukturaufbau wird nur dann erfolgreich sein können, wenn er als gemeinsame Herausforderung begriffen wird, deren Lösung nur eine Mischung aus verschiedenen Möglichkeiten sein kann.
Forschung sieht starke Wechselwirkungen bei Ladeoptionen
Auch bei der wissenschaftlichen Methodik, mit der Ladebedarf berechnet und prognostiziert wird, setzt sich diese Haltung langsam durch. Das Modell der „Lade-Use-Cases“, bei dem die verschiedenen Ladeoptionen – zu Hause, bei der Arbeit, Schnellladen an den Autobahnen, langsames Laden am Straßenrand etc. – in sieben Kategorien eingeteilt werden, verdeutlicht, dass die Standorte an denen geladen wird, in Wechselwirkung miteinander stehen.
Das heißt, die Ladung an Standorten einer Art beeinflusst die geladene Energiemenge an Standorten einer anderen Kategorie. Gibt es etwa irgendwo viele private Ladepunkte, kann dort der Ladebedarf auf Kundenparkplätzen des Einzelhandels sinken. Denn wer morgens mit vollem Akku losfährt und sicher weiß, dass das Auto nach Feierabend wieder laden wird, hat unterwegs keinen Bedarf.
Dieser einfache Zusammenhang wird in der aktuellen Planung von Ladeinfrastruktur noch nicht genug berücksichtigt. Dies muss in Zukunft stärker geschehen, denn nur so lässt sich abschätzen, wie viele öffentlich zugänglichen Ladepunkten an einem bestimmten Ort benötigt werden. Und nur so kann man Städten und Kommunen halbwegs realistische Prognosen an die Hand geben.
Die aktuelle Studie der Förderorganisation NOW „Ladeinfrastruktur nach 2025/2030 – Szenarien für den Markthochlauf“ und auch die Studie „Elektromobilität Berlin 2025+“ des Berliner Senats setzen genau da an und ordnen die Anzahl der benötigten Ladepunkte den „Lade-Use-Cases“ zu. Außerdem werden die benötigten Energiemengen räumlich verteilt angegeben. Somit kann sich der tatsächliche Aufbau an diesen Energiemengen orientieren und bietet damit einerseits Verbindlichkeit für die Betreiber der Ladeinfrastruktur und andererseits genügend Flexibilität bei der Wahl der „Lade-Use-Cases“ mit den beschriebenen Wechselwirkungen.
Quote für Ladepunkte ist nicht die beste Lösung
Darum sind auch starre Vorgaben wie zum Beispiel ein Verhältnis von E-Fahrzeugen zu Ladepunkten in der Europäischen Union nicht hilfreich, weil jede Kommune eigene Anforderungen vor Ort hat. Was für die eine Kommune in der Stadt eine gerade so ausreichende Ladeinfrastruktur darstellt, kann für eine Gegend mit anderer Siedlungsstruktur völlig überdimensioniert sein. Demografie, Wohnsituation und Mobilitätsverhalten der Einwohnerinnen und Einwohner geben den Ausschlag. Man muss individuell planen und mit allen Akteuren vor Ort in den Dialog treten. Das kostet Zeit und manchmal auch Nerven.
Zukünftig sollten wir aus den Runden Tischen und Pilotvorhaben aber skalierbare Prozesse gestalten. Denn der Aufbau von Ladeinfrastruktur wird über viele Jahr zum Tagesgeschäft werden. Hierbei wird es ohne Standardisierung nicht gehen, die DIN SPEC 91433 und erste digitale Planungs-Tools sind ein guter Anfang.
Ist das Problem also unlösbar? Sicherlich nicht. Doch es braucht Dialog, es braucht Verständnis für andere Perspektiven und am besten gleich digitale und skalierbare Standards für das Tagesgeschäft Ladeinfrastruktur. Nur bis zum eigenen Tellerrand gucken wird nicht reichen. Das gemeinsame Ziel muss sein, eine vor allen Dingen bedarfsgerechte Ladeinfrastruktur zu schaffen. Denken Sie daran, wenn Ihnen das nächste Mal jemand kopfschüttelnd erzählt, dass die vom Bezirksamt oder die vom Verkehrsministerium oder der Vermieter echt keine Ahnung von E-Mobilität hätten.