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Verkehr & Smart Mobility

Standpunkte Warum der Staat private Ladestationen und DC-Schnellladestationen fördern sollte

Peter Marx, emeritierter Professor für Elektro- und Feinwerktechnik, Beuth Hochschule Berlin
Peter Marx, emeritierter Professor für Elektro- und Feinwerktechnik, Beuth Hochschule Berlin Foto: privat

Der geplante umfangreiche Ausbau von öffentlichen AC-Ladepunkten im öffentlichen Straßenraum ist nicht zielführend, sondern kontraproduktiv, denn das öffentliche Laden ist teuer und umständlich, schreibt Professor Peter Marx im Standpunkt. Er rechnet vor, warum sich dagegen die Förderung von privaten Ladestationen auf vermieteten Pkw-Stellplätzen dagegen lohnt.

von Peter Marx

veröffentlicht am 04.12.2020

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In Deutschland gibt es rund 42 Millionen Wohnungen, davon sind etwa die Hälfte Mietwohnungen. Zum gesamten Mietwohnungsbestand gibt es viele Millionen vermietete Pkw-Stellplätze im Freien oder in Tiefgaragen. Wenn diese Stellplätze mit preiswerten privaten, persönlichen Ladestationen ausgerüstet werden, sind diese Mieter zukünftig auch potenzielle E-Autokäufer, da sie ebenso wie Eigenheimbesitzer ihr E-Auto bequem und zum Haushaltsstromtarif zu Hause aufladen können. 

Wie die Situation für E-Autobesitzer bisher aussieht

Bisher ergeht es einem E-Autobesitzer mit einer Mietwohnung und ohne eigenen Parkplatz in der Großstadt wie folgt: Er kommt zum Beispiel im Winter gegen 18 Uhr von der Arbeit und sucht eine Lademöglichkeit. Wenn er Glück hat, findet er eine freie öffentliche Ladesäule in seiner Wohnstraße, wenn nicht, dann muss er in der weiteren Umgebung eine freie öffentliche Ladestation suchen. Der Rückweg zu Fuß – möglicherweise mit Gepäck – zu seiner Wohnung kostet weitere Zeit.

Nach der teuren Ladung – die kWh-Preise liegen deutlich über dem Haushaltsstromtarif – muss er dann nach einigen Lade-Stunden sein Fahrzeug umparken wegen des üblichen Zeittarifs. Der Ladesäulen-Stellplatz soll ja nicht als kostenloser Parkplatz missbraucht werden.

Er muss nun einen neuen Parkplatz in der Nähe seiner Wohnung finden, was um diese späte Abendzeit in Innenstädten mit großen Schwierigkeiten verbunden ist, da um diese Zeit in der Regel alle Straßen-Parkplätze belegt sind. Fazit: Diese teure und unbequeme Lademethode ist nicht geeignet, Mieter zu motivieren, ein E-Auto anzuschaffen.

Wie sich die Hürden abbauen ließen 

Um die Hürden für den Umstieg auf ein Elektrofahrzeug auch für Mieter so gering wie möglich zu halten, können vermietete Stellplätze im Freien beziehungsweise in Tiefgaragen mit vergleichsweise kostengünstigen Ladeboxen mit personengebundenen kWh-Zählern ausgestattet werden.

So kann das Elektroauto zum preiswerteren Haushaltsstromtarif aufgeladen werden. Der in der Ladebox eingebaute kWh-Zähler ist nur dem Mieter des Stellplatzes persönlich per Vertrag mit dem Stromanbieter zugeordnet, und der kWh-Verbrauch wird zum Haushaltsstromtarif inklusive Grundgebühr – gegebenenfalls auch zu einem noch günstigeren speziellen Lade-Nachtstromtarif – bezahlt, wie beim kWh-Zähler in der Wohnung.

Zusatzkosten durch aufwendige Technik – wie bei öffentlichen Ladesäulen – zur Datenübermittlung mit Zähler-Fernablesung und Rechnungserstellung durch einen Ladesäulenbetreiber entfallen. Auch die Wartungskosten einer Ladebox sind minimal.

Auf die öffentlichen teuren Wechselstrom-Ladesäulen bis 44 kW kann man weitgehend verzichten, da rund 80 Prozent der Ladevorgänge mit privaten Ladeboxen zum preisgünstigen Haushaltsstromtarif erfolgen. Nur rund ein Fünftel der Ladevorgänge findet an öffentlichen Strom-Tankstellen statt.

Es ist auch möglich, auf Parkplätzen von Arbeitgebern die Ladeboxen mit persönlichen kWh-Zählern auf dem Arbeitnehmer zugewiesenen Parkplätzen zu installieren und diese als Messstelle beim Stromlieferanten anzumelden. Der Mitarbeiter zahlt dann auch nur den Haushaltsstromtarif für seine Messstelle, und der Arbeitgeber muss sich um die Abrechnung, eventuelle Steuern sowie andere Kosten und Abgaben nicht kümmern.

Für die verbleibenden 20 Prozent ist die beste Lade-Möglichkeit das Schnell-Gleichstromladen an zentralen Lade-Tankstellen – wie das bisherige Tanken von Benzin und Diesel. Da die Reichweite der neuen E-Autos mindestens 400 km beträgt, genügt ein Voll-Laden zirka alle zehn Tage, wobei die Ladezeit weniger als eine halbe Stunde beträgt.

Die Bezahlung kann hier wie beim bisherigen Tanken nach den geladenen und exakt gemessenen DC-kWh an der Kasse der Stromtankstelle erfolgen. Eine teure Informationsverarbeitung durch ein Backend kann entfallen, diese erhöht nur den DC-Ladestrom-kWh-Preis, wobei dieser ebenfalls nicht teurer als der Haushaltsstromtarif sein sollte.

Und es gibt weitere Vorteile: Da hier der kWh-Zähler – dieser wird vom Stromversorger beigestellt, wie in der Wohnung – vor die Ladebox geschaltet ist, wird auch der Ruhestromverbrauch der Ladebox korrekt miterfasst und dem Stromversorger mitvergütet. Bei üblichen Ladesäulen wird dagegen nur die abgegebene Ladeenergie bezahlt, das heißt, der Ruhestromverbrauch der Ladesäule wird nicht berücksichtigt, zum Nachteil des Stromlieferanten.

Vermieter und Arbeitgeber sollten deshalb ihre Mieter (Arbeitnehmer) über die Möglichkeit in Kenntnis setzen, dass eine persönliche Ladestation auf vermieteten Stellplätzen mit der Option Kauf oder Miete installiert werden kann.

Eine einfache Wallbox kostet etwa 400 Euro. Die skalierbare Leistung beträgt 2,1 kW/3,7 kW/7,2 kW/11 kW. Damit kann sehr einfach die Ladeleistung an die vorhandenen Leitungskapazitäten des Stromanschlusses angepasst werden.

Vorteile der Kombination Wallbox-Drehstromzähler:

  • der Mieter zahlt nur den Haushaltsstromtarif
  • die Bezahlung erfolgt durch jährliches Ablesen des Verbrauchs, wie beim kWh-Zähler in der Wohnung
  • der Mieter hat seinen eigenen Stellplatz mit der eigenen Ladestation
  • die verschließbare Ladebox ist exklusiv nur für den Besitzer des Stellplatzes zugänglich
  • das E-Fahrzeug kann problemlos im Winter vorgeheizt und im Sommer vorgekühlt werden, ohne die Batterie zu entladen
  • umfangreiche behördliche Genehmigungen – wie bei Ladestationen im öffentlichen Bereich – sind nicht erforderlich

Ein Rechenbeispiel: Autos fahren im Mittel etwa 12.000 km im Jahr. Bei einem Verbrauch von rund sieben Litern Benzin pro 100 km kostet das 120 x 7 x 1,40 Euro = 1.176,00 €. Ein E-Auto benötigt etwa 15 kWh für 100 km, das heißt 120 x 15 kWh x 0,30 € = 540 Euro. Die Ersparnis bei den Fahrtkosten beträgt also 636 Euro. Für die monatliche Stellplatzmiete – diese kostet im Mittel etwa 50 Euro – steht dem Mieter dann der Betrag von 636 Euro pro Jahr beziehungsweise 53 Euro monatlich zur Verfügung. Die Ersparnis durch das elektrische Fahren ist etwas größer als die Stellplatzmiete.

Fazit: Nichts ist preiswerter und komfortabler für Mieter als das Laden am gemieteten Stellplatz zum Haushaltsstromtarif! Auf die bisherigen öffentlichen AC-Ladesäulen (Preis mehr als 7000 Euro) kann weitgehend verzichtet werden. Der Staat sollte vorrangig kostengünstige private Ladestationen und DC-Schnellladestationen fördern.

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