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Agrar & Ernährung

Standpunkte Der gnadenlose Kampf gegen Glyphosat

Theodor Friedrich, bis zum Ruhestand Berater bei der FAO
Theodor Friedrich, bis zum Ruhestand Berater bei der FAO

Als Nackenschlag für alle, die sich ernsthaft für die Biodiversität einsetzen, bezeichnet Theodor Friedrich den Kampf gegen Glyphosat. Vorteil des Herbizids sei vor allem, dass es eine mechanische Bodenbearbeitung überflüssig mache. Dennoch sollte es sparsam eingesetzt werden und dürfe nicht auf Flächen außerhalb der Landwirtschaft gelangen.

von Theodor Friedrich

veröffentlicht am 05.10.2023

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Glyphosat ist das weltweit am meisten angewendete Herbizid und wird damit pauschal für die Umweltbelastungen durch die Landwirtschaft verantwortlich gemacht. Der Verdacht auf die krebserregende Wirkung von Glyphosat konnte jedoch in wissenschaftlichen Studien nicht erhärtet werden, weshalb die Europäische Union eine Verlängerung der Zulassung von Glyphosat für weitere zehn Jahre erwägt.

Glyphosat ist weder gesundheitsfördernd für den Menschen, noch hilft es der Natur. Aber nun wird Glyphosat auch für den Rückgang der Biodiversität verantwortlich gemacht. Glyphosat wurde ursprünglich als Totalherbizid zur Bereinigung der Felder vor der Aussaat und vor dem Auflaufen der gesäten Kultur entwickelt. Verglichen mit dem zu der Zeit einzigen vergleichbaren Produkt, Paraquat, ist es wesentlich weniger toxisch und hat den Vorteil, systemisch zu sein, das heißt, die Pflanzen auch mit der Wurzel zu töten.

Als Totalherbizid ist Glyphosat jedoch nicht sofort schlecht für die Biodiversität. Man könnte es besser als Breitbandherbizid bezeichnen, denn es tötet die meisten breitblättrigen Unkräuter, aber auch vor allem Gräser ab. Vielen Leguminosen, wie zum Beispiel Wicken oder auch Weißklee, ist mit Glyphosat jedoch nicht beizukommen.

Auch tötet Glyphosat nur die Pflanzen ab, bei denen es auf grüne Blattflächen gelangt. Pflanzen, die noch nicht gekeimt und aufgegangen sind, sterben nicht ab. Darüber hinaus wird Glyphosat im Zusammenkommen mit organischer Substanz sehr schnell deaktiviert und damit unwirksam. Nach der Ausbringung keimende Pflanzen haben kein Problem.

Chemische Alternativen sind wesentlich giftiger

Andererseits ist zu bedenken, dass der Pflanzenbau selbst ja ein erheblicher Eingriff in die Biodiversität ist, indem auf den Ackerflächen möglichst nur die gewünschte Kulturpflanze wachsen soll. Aber was ist die Alternative zum Pflanzenbau? Würden wir damit nicht noch mehr Anlass geben, bisher vollständig naturbelassene Flächen im Amazonasgebiet, den brasilianischen Cerrados, dem Pantanal oder dem Gran Chaco Argentiniens, Paraguays und Boliviens zu roden, um bei uns die Natur zu erhalten?

Wenn wir weiterhin in Deutschland unsere Nahrung möglichst regional und saisonal erzeugen wollen, müssen wir uns mit Alternativen zur Kontrolle der unerwünschten Beikräuter und deren Auswirkung auf die Biodiversität auseinandersetzen. Die chemische Unkrautkontrolle mit Herbiziden ist nach wie vor die am meisten genutzte Technik.

Leider sind alle Alternativprodukte zu Glyphosat wesentlich toxischer, aber auch belastender für die Umwelt. Da es sich größtenteils um selektive, also spezifische Produkte handelt, müssen zur Kontrolle einer vielfältigen Beikrautflora oft Mischungen aus verschiedenen Produkten eingesetzt werden. Das heißt, es wird noch mehr Chemie ausgebracht, als das mit Glyphosat der Fall wäre – schlecht für die Umwelt und auch für den Geldbeutel der Bauern. Viele Herbizide haben auch Langzeitwirkung, sodass nach deren Einsatz nicht jede beliebige Kultur angebaut werden kann, was vielfältige Fruchtfolgen einschränkt.

Pflügen und Hacken schaden der Biodiversität genauso

Die derzeit favorisierte Alternative zur Unkrautkontrolle ist die mechanische Bodenbearbeitung, angefangen mit dem Pflügen, das die gesamte Pflanzenmasse tief im Boden vergräbt, bis hin zum mechanischen Hacken der Unkräuter. Diese Verfahren werden derzeit in Deutschland noch von mehr als 95 Prozent der Landwirte eingesetzt, meist zusätzlich zu den oben beschriebenen chemischen Verfahren.

In der Biolandwirtschaft ist dies die einzige Art, die Bestände halbwegs sauber zu halten. Da hier keine Chemie eingesetzt werden darf, wird daher umso intensiver bearbeitet, unter großem Aufwand von Arbeitszeit und Dieselkraftstoff. Abgesehen davon, dass auch Bodenbearbeitung nicht die perfekte Unkrautkontrolle darstellt, da sie zur Konservierung und Vermehrung von Unkräutern beiträgt, ist sie zunächst nicht selektiv, also im oben genannten Sinne ein Totalherbizid. Sie tötet jegliches Pflanzenwachstum ab und sollte nach der Argumentation also auch verboten werden.

Schlimmer noch ist die Bodenbearbeitung nicht nur ein Totalherbizid, sondern auch generell ein Breitbandbiozid. Neben Pflanzen zerstört es den Lebensraum von allen im Boden und an der Bodenoberfläche lebende Arten, angefangen von Pilzen, die für die Ernährung der Pflanzen eine große Rolle spielen, über Insekten wie bodenlebende Bestäuber, Würmer bis hin zu Wirbeltieren, wie beispielsweise bodenbrütende Wildvögel.

Nur Bakterien überleben – und das auch nur so lange, wie sie noch organische Substanz im Boden finden, die mit der Bodenbearbeitung ebenfalls verloren geht. Unsere derzeitigen mechanisch bearbeiteten „Kulturböden“ in Deutschland sind überwiegend tot, arm an organischer Substanz und Biodiversität.

In diesem Sinne will es wohlüberlegt sein, ob man der Biodiversität mit einem Glyphosatverbot nicht einen Bärendienst erweist.

Grenzabstände und Driftkontrolle müssen eingehalten werden

Das heißt nicht, dass Glyphosat weiter so eingesetzt werden sollte, wie bisher. Auch wenn bisher noch keine gesundheitsrelevanten Grenzwerte ermittelt werden konnten, hat Glyphosat nichts in der Nahrungskette oder im Wasser zu suchen. Es darf daher niemals auf Ackerkulturen ausgebracht werden, etwa zur Reifebeschleunigung vor der Ernte, und es sollte ein striktes Importverbot für so behandelte Produkte durchgesetzt werden.

Auch sollte Glyphosat niemals dort ausgebracht werden, wo es direkt ins Wasser gelangen kann, etwa auf Böden, die mechanisch bearbeitet werden (Erosion), mit Flugzeugen oder Drohnen oder in direkter Gewässernähe; Grenzabstände und Maßnahmen zur Driftkontrolle sind durchzusetzen. Ferner gehört es nicht auf Flächen außerhalb der Landwirtschaft. Es sollte nur auf nicht mechanisch bearbeiteten Böden mit einer entsprechend schützenden Mulchschicht vor dem Auflaufen der Kultur eingesetzt werden dürfen.

Im Übrigen sollte man, um die Biodiversität zu schützen und zu regenerieren, vor allem die mechanische Bodenbearbeitung verbieten und die regenerative Landwirtschaft ohne Bodenbearbeitung fördern. Diese Art der Landwirtschaft kann durch Untersaaten und Mischkulturen sowie vielfältige Fruchtfolgen auch das Problem der reduzierten Biodiversität im Pflanzenbau verringern und es fördert in kurzer Zeit die gesamte Biodiversität unter und über der Bodenoberfläche.

Mittel- bis langfristig lässt sich so auch der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln einschließlich der kritischen Herbizide reduzieren und eventuell ganz vermeiden. Dies schließt Glyphosat mit ein. Bis dahin sollte es aber als die am wenigsten schädliche Alternative erhalten bleiben.

Theodor Friedrich hat als promovierter Landwirt in 75 Ländern als Berater für die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen gearbeitet. Er setzt sich für eine konservierende Landwirtschaft ein. Das bedeutet: möglichst wenig Bodenbewegung, möglichst viel Bodenbedeckung und vielfältige Fruchtfolgen.

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