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Standpunkte Die Erfolgsorientierte Agrarprämie – eine Alternative für die GAP nach 2027?

Uwe Latacz-Lohmann
Uwe Latacz-Lohmann, Agrarökonom an der Uni Kiel

Die Gemeinsame Agrarpolitik wird von allen Seiten kritisiert. Der Agrarökonom Uwe Latacz-Lohmann von der Uni Kiel hat zusammen mit seinem Team ein alternatives Modell entwickelt, das ihre Probleme beheben soll. Es entlohnt Landwirte ausschließlich dafür, dass sie ihren Beitrag zu den Zielen des Green Deals leisten.

von Uwe Latacz-Lohmann, Christian Albrechts-Universität zu Kiel

veröffentlicht am 23.05.2025

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Aus aller Munde hört man, dass die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) in ihrer gegenwärtigen Form – milde formuliert – an ihre Grenzen gestoßen ist. Selbst bei ihren Adressaten, den Landwirtinnen und Landwirten, verfängt die aktuelle Agrarpolitik nicht mehr: zu kompliziert, zu bürokratisch, kaum noch zu durchblicken. Die Landwirte fühlen sich als Getriebene, Gegängelte und Bittsteller. Die Bauernproteste im vorletzten Winter haben das eindrucksvoll zum Ausdruck gebracht.

Dennoch hat der neue Agrarkommissar Christophe Hansen angekündigt, dass er sich für die nächste Förderperiode ab 2028 eine Evolution, keine Revolution der GAP wünscht. Der neue Bundeslandwirtschaftsminister Alois Rainer schlägt in die gleiche Kerbe.

Also wieder nur kleine Stellschrauben statt ein grundsätzlicher Neuanfang? Von außen betrachtet drängt sich die Frage auf, warum eine Politik, mit der offensichtlich kaum noch jemand zufrieden ist, dermaßen reformresistent ist.

Wie konnte es so weit kommen?

In den letzten drei Jahrzehnten hat die EU versucht, mittels der GAP stärker auf umweltrelevante betriebliche Entscheidungen Einfluss zu nehmen. Dazu ist der Instrumentenkoffer der GAP sukzessive erweitert worden. Ein Ergebnis dieses Prozesses ist das Nebeneinander von drei konzeptionell sehr ähnlichen Politikinstrumenten zur Förderung der Nachhaltigkeit: den Agrarumweltprogrammen der zweiten Säule, der Konditionalität und den Ökoregelungen.

Diese Trias ist nicht nur unübersichtlich, sondern führt auch zu Widersprüchen, Abgrenzungsfragen, komplizierten Anrechnungsregelungen und erhöhter Fehleranfälligkeit. Damit verliert die GAP an Akzeptanz und an Schlagkraft.

Zeit für einen Neustart

Einfach alles auf null setzen und die Agrarpolitik auf einem weißen Blatt Papier neu erdenken – das fordert die Wissenschaft schon seit langem. Mittlerweile steigen auch immer mehr Landwirte und Landwirtinnen und sogar einige Bauernverbände auf diese Forderung ein.

Denn durch eine organische Weiterentwicklung der GAP, wie wir sie in den letzten 30 Jahren gesehen haben, lässt sich der Knoten nicht durchschlagen. Der Prozess der kleinen Änderungen hat die Agrarpolitik in eine Sackgasse manövriert. Die Befreiung aus diesem „Lock-in“ bedarf mutiger politischer Entscheidungen für einen grundsätzlichen Kurswechsel.

Und: Wenn wir die sechs Milliarden Euro, die jedes Jahr an deutsche Landwirtinnen und Landwirte ausgereicht werden, nicht mit einem glaubhaft leistungsbezogenen Prämienmodell untermauern, dürften Teile des Agrarhaushalts bald in anderen Ressorts landen. Doch das Geld wird gebraucht, denn die Baustellen der Landwirtschaft sind groß und teuer: Klimaschutz, Erhalt der Artenvielfalt, Verbesserung der Gewässergüte und Tierwohl gibt es nicht zum Nulltarif.

Den Instrumentenkoffer der GAP gründlich aufräumen

An dieser Stelle setzt das Konzept der Erfolgsorientierten Agrarprämie an, das wir am Institut für Agrarökonomie der Uni Kiel seit dem Jahr 2022 entwickeln. Sie rechnet die Ziele des europäischen Green Deals auf einzelne Betriebe herunter und knüpft die Prämien daran, ob die Betriebe diese Ziele erreicht haben. Je mehr Ziele erreicht werden, desto höher die Betriebsprämie. Wer kein Green Deal-Ziel erreicht, bekommt auch kein Geld aus der GAP.

Die Erfolgsorientierte Agrarprämie ersetzt alle flächengebundenen Prämien der aktuellen GAP – also die Basisprämie, Ökoregelungen sowie die Agrarumwelt- und Klimaschutzmaßnahmen der 2. Säule. Die GLÖZ-Standards der Konditionalität werden entweder in das Prämienmodell aufgenommen (und somit finanziell gefördert) oder sie gehen ins Ordnungsrecht über. Bestehen bleiben lediglich die nicht an die Fläche gebundenen Prämien wie die Junglandwirtsprämie, die Tierwohlförderung oder die Investitionsförderung.

Vom Bedürftigkeitsprinzip zum Leistungsprinzip

Und wo bleibt die Einkommensstützung? Die ist im Prämienmodell integriert, denn die Prämienhöhen sind so bemessen, dass man mit der Erreichung der Green-Deal-Ziele Geld verdienen kann. Schließlich werden dadurch gesellschaftlich nachgefragte Leistungen erzeugt, die angemessen vergütet werden müssen.

Die Bereitstellung öffentlicher Leistungen wie Artenvielfalt und Klimaschutz sind Teil des Outputs landwirtschaftlicher Betriebe – neben Weizen, Milch und Co. In diesem leistungsbezogenen Prämienmodell gibt es keine Umverteilungsprämie mehr, denn diese ist dem „alten“ Credo verhaftet, das die GAP als eine Geldverteilungsmaschine nach Bedürftigkeitskriterien sieht. Das „neue“ Credo lautet „öffentliches Geld für öffentliche Leistungen“ – und zwar so, dass damit ein auskömmliches Einkommen erwirtschaftet werden kann.

Von den Zielen rückwärts gedacht

Die Erfolgsorientierte Agrarprämie wurde konzipiert, als die Green Deal-Ziele noch hoch auf der politischen Agenda standen. Die Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat der Landwirtschaft seinerzeit folgende Ziele ins Pflichtenheft geschrieben: Reduktion der Stickstoffdüngung um 20 Prozent, Verringerung der Stickstoffverluste um 50 Prozent, Halbierung des Einsatzes chemisch-synthetischer Pflanzenschutzmittel, Aufstockung der nicht-produktiven Fläche auf zehn Prozent und die Förderung der Artenvielfalt.

Mittlerweile ist die Safe Use Regulation – die Rechtsgrundlage für die Halbierung des Pflanzenschutzmitteleinsatzes – im politischen Prozess durchgefallen. Und inzwischen verfolgt die neue EU-Kommission die ursprünglich formulierten Ziele des Green Deals nicht mehr ganz so ernsthaft.

Dennoch bestehen die fünf Ziele des Green Deal im Prinzip fort. Die Erfolgsorientierte Agrarprämie entwickelt daraus eine Metrik, die die einzelbetriebliche Erreichung dieser Ziele messbar macht.

Die Mechanik der Erfolgsorientierten Agrarprämie

Ein Beispiel: Ein Hektar der Maßnahme „Anbau von großkörnigen Leguminosen“ liefert, da diese überhaupt nicht mit Stickstoff gedüngt werden, den gleichen Beitrag zur Erreichung des Ziels „Reduktion der Stickstoffdüngung um 20 Prozent“ wie fünf Hektar einer anderen Frucht, auf denen die Düngung um 20 Prozent reduziert wird.

Ein 100-Hektar-Ackerbaubetrieb könnte das Ziel zur Düngerreduktion erreichen, indem er auf 20 Hektar Leguminosen anbaut. Er könnte es aber auch durch den Anbau von zehn Hektar Leguminosen und zehn Hektar Grünbrache erreichen, auf denen überhaupt kein Stickstoffdünger anfällt. In diesem Fall hätte der Betrieb neben der Reduktion der Stickstoffdüngung auch noch das Ziel zur Aufstockung der nicht-produktiven Fläche erreicht.

Für die Erreichung der Ziele wird jeweils eine Prämie fällig, und je mehr Ziele erreicht werden, desto höher fällt die Betriebsprämie aus. Jeder Landwirt kann sich aus dem Maßnahmenkatalog einen Maßnahmenmix zusammenstellen, der zu seinem Betrieb passt. Wer nicht teilnehmen möchte, muss sein Geld am Markt verdienen.

Landwirtinnen und Landwirte als Unternehmer abholen

Insgesamt bietet die Erfolgsorientierte Agrarprämie viele Vorteile gegenüber dem jetzigen Modell: Sie ermöglicht Landwirten und Landwirtinnen die Integration des Betriebszweigs Umwelt in das Betriebsgeschehen und schafft damit eine zusätzliche Einkommensquelle für die Betriebe. Die angestrebten gesellschaftlichen sowie politischen Ziele werden genau angesteuert, und der Steuerzahler wird nur zur Kasse gebeten, wenn die Ziele nachweislich erreicht wurden.

Zudem bietet das Modell Vorteile in der Kommunikation: Die Erfolgsorientierte Agrarprämie holt die Landwirte als Unternehmer ab. Sie können auf freiwilliger Basis sowie standortangepasst der Frage nachgehen: Welche Green Deal-Ziele lassen sich mit welchen Maßnahmen in meinem Betrieb erreichen, um wirtschaftlich erfolgreich zu sein?

Der Landwirt ist so Teil der Lösung und nicht Teil des Problems. Er wird für eine Leistung bezahlt, die gesellschaftlich nachgefragt wird. Er ist nicht mehr Subventionsempfänger, sondern Leistungsanbieter. Also vielleicht doch einen grundlegenden Neustart statt an kleinen Stellschrauben zu drehen, Herr Hansen?

Uwe Latacz-Lohmann ist gelernter Landwirt und Professor für Agrarökonomie an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Das Konzept der Erfolgsorientierten Agrarprämie stellte er unter anderem in der Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur GAP nach 2027 vor.

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