Agrar-Ernaehrung icon

Agrar & Ernährung

Standpunkte Was bei der GAP ab 2028 gelingen muss

Henrik Maaß (AbL) und Daniela Wannemacher (BUND)
Henrik Maaß (AbL) und Daniela Wannemacher (BUND) Foto: Simone Neumann/BUND, privat

Die Positionen der Verbände-Plattform zur GAP für eine krisenfeste, ökologischere und gerechte EU-Agrarpolitik nach 2027 erneuern Daniela Wannemacher vom Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland und Henrik Maaß von der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft. Sie fordern, Bürokratie ohne Absenkung ökologischer Standards abzubauen, die Honorierung von Umweltleistungen der Landwirtschaft zu stärken und faire Preise zu ermöglichen.

von Henrik Maaß und Daniela Wannemacher

veröffentlicht am 10.12.2024

Lernen Sie den Tagesspiegel Background kennen

Sie lesen einen kostenfreien Artikel vom Tagesspiegel Background. Testen Sie jetzt unser werktägliches Entscheider-Briefing und erhalten Sie exklusive und aktuelle Hintergrundinformationen für 30 Tage kostenfrei.

Jetzt kostenfrei testen
Sie sind bereits Background-Kunde? Hier einloggen

Im kommenden Jahr stehen EU-weit nicht nur die ersten Festlegungen zum künftigen mehrjährigen Finanzrahmen, sondern auch schon die ersten Vorschläge für die kommende Förderperiode der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) ab 2028 auf der Tagesordnung. Aus unserer Sicht ist klar: Es braucht einen klaren Transformationspfad und es darf keine weiteren Rückschritte bei der europäischen Agrarpolitik geben.

Vor einem Jahr haben die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft und der Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland gemeinsam mit weiteren Verbänden ihre Position und ihre Forderungen für die kommende Förderperiode der GAP veröffentlicht (Background berichtete). Die zeichnenden Verbände kommen aus den Bereichen Landwirtschaft, Umwelt-, Natur-, Klima-, Verbraucher- und Tierschutz sowie der Entwicklungszusammenarbeit.

Gemeinsame Kernforderung der Verbände-Plattform ist, die GAP als zentrales Instrument für die Transformation des Agrar- und Lebensmittelsystems umzubauen und weiterzuentwickeln. Insbesondere muss die Förderung umfassend auf die Erbringung gesellschaftlicher Leistung ausgerichtet werden, also eine positive Wirkung auf Umweltgüter und Ökosysteme sowie die Betriebsstruktur oder den ländlichen Raum entfalten. Die Zahlungen müssen so ausgestaltet werden, dass sie für Bäuerinnen und Bauern einkommenswirksam sind.

Die Verbändeplattform hat zudem eine Stärkung der Marktposition der Bäuerinnen und Bauern gefordert. Denn nur mit fairen Preisen und einer einkommenswirksamen Honorierung von Maßnahmen für Umwelt, Klima, Naturschutz und Tierwohl – begleitet davon, dass insgesamt sozioökonomische Faktoren in der Förderung besser berücksichtigt werden – kann es gelingen, diverse Betriebsformen zu erhalten und Betriebsübernahmen und Neugründungen stärker und gezielter zu unterstützen. Und auch die Arbeitnehmenden müssen mit einer Weiterentwicklung der sozialen Konditionalität gestärkt werden.

Vereinfachung ja, Standardsenkung nein

Nicht zuletzt gilt es auch aus Sicht der Verbände der Plattform, den bürokratischen Aufwand der Betriebe und der Agrarverwaltung einzudämmen. Dabei muss klar sein: Die GAP zieht ihre gesellschaftliche Legitimation daraus, dass damit Leistungen honoriert werden, die gesamtgesellschaftlich wichtig sind. Sei es, dass damit Maßnahmen bezahlt werden, die besonders zum Schutz bestimmter Umweltgüter beitragen (wie die Erhaltung von Dauergrünland, das für die Biodiversität in der Agrarlandschaft besonders wichtig ist, oder die Sicherung von Pufferstreifen und Strukturelementen). Oder dass durch die Förderung umweltschonender Bewirtschaftungsmaßnahmen langfristig die Grundlagen unserer Ernährung gesichert werden (beispielsweise durch den Aufbau von Humus im Boden) und dass Fördergelder so eingesetzt werden, dass Landwirt:innen Höfe führen und übernehmen wollen.

Im zu Ende gehenden Jahr sahen wir jedoch das Gegenteil. Unter dem Vorwand des Abbaus von Bürokratie wurden ökologische und soziale Ziele der GAP geschliffen. So wurden unter dem Vorwand der Vereinfachung in erster Linie Grundanforderungen für die GAP-Direktzahlungen abgebaut, ohne gleichzeitig das Budget für die freiwilligen Maßnahmen in den Öko-Regelungen oder den Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen entsprechend zu erhöhen. Es wurde unter anderem die europäische Rechtsgrundlage so geändert, dass keine verpflichtenden Brachflächenanteile mehr eingehalten werden müssen – mit der Folge teils erheblicher Rückschritte hinsichtlich der Umwelt- und Klimawirkung der GAP.

Hier könnte allerdings die deutsche Bundesregierung die Lücke füllen, und über die ab 2026 geplanten neuen Ökoregelungen für Weidehaltung und Biodiversität hinaus weitere Spielräume nutzen: Etwa, das Budget für Ökoregelungen und Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen erhöhen, über eine Degression der Basisprämie und höhere Umverteilung eine gezieltere Verwendung und gerechtere Verteilung der Förderung erreichen sowie über das Aktivieren von Artikel 148 der Gemeinsamen Marktordnung die Verhandlungsposition von Milchbäuer:innen stärken.

Insgesamt muss es in Zeiten knapper Kassen schnellstmöglich aufhören, dass ein knappes Drittel des gesamten EU-Haushalts in großen Teilen pauschal über die Flächenprämien ausgeschüttet wird. Erste geleakte Diskussionspapiere zeigen, dass es für den nächsten mehrjährigen Finanzrahmen schon Begehrlichkeiten gibt, die bisherigen Fondsstrukturen aufzulösen und die Verausgabung von Geldern für den Agrarsektor nur noch anhand grober Leitlinien auf EU-Ebene und für spezifische nationale Maßnahmen zu bewilligen. Auch wenn das bekannt gewordene Papier nur erste Ideen enthielt, zeigt es: Wenn mit der Förderung nicht mehr breit gesellschaftliche Ziele angestrebt werden, gerät das Agrarbudget im Gesamten unter Druck.

Grundanforderungen sichern, Transformation ermöglichen

Deshalb bleibt es aus unserer Sicht auch dabei, dass der große Hebel für den Umbau der europäischen Land- und Lebensmittelwirtschaft die Ausgestaltung der GAP-Rahmengesetzgebung auf europäischer Ebene ist. Insbesondere die Beendigung des Systems der pauschalen Direktzahlungen als Einkommensgrundstützung für jeden Hektar könnte bestehende Ungerechtigkeiten der europäischen Agrarförderung beseitigen und das wirkungslose Durchreichen von öffentlichen Geldern an die, die Land besitzen, unterbinden.

Stattdessen stünden künftig mehr Mittel zur Verfügung, Fördergelder qualifiziert auszuzahlen, also zur Honorierung von ökologisch und agrarstrukturell positiven Maßnahmen, und dies wirklich einkommenswirksam für die Betriebe zu gestalten.

Die GAP muss konsequent so reformiert werden, dass es in Zukunft besser und effizienter gelingt, ökologische und soziale Ziele zu erreichen. Solange der Rahmen aus Förder- und Ordnungsrecht nicht ausreichend installiert ist, um in der Agrarlandschaft einen ausreichenden Schutz von Biodiversität und Klima zu sichern, sollten flächenwirksame Anforderungen wie eine vielfältige Fruchtfolge, die Erhaltung von Brachflächen und Dauergrünland sowie der Schutz von Mooren und Feuchtgebieten auch weiterhin die Eintrittskarte für die Teilnahme an der Agrarförderung sein.

Stärkung der Betriebe in der Wertschöpfungskette steht noch aus

Mit Blick auf wichtige Arbeitsfelder der neuen Kommission war neben der sogenannten „Vereinfachung“ das zweite Versprechen, das die Kommission den protestierenden Bäuerinnen und Bauern im vergangenen Frühjahr gab, mit einem Katalog von Maßnahmen endlich die überfällige Stärkung der Betriebe in der Wertschöpfungskette zu sichern.

Die notwendigen Schritte dafür wurden jedoch nicht im Eiltempo angegangen, sondern stehen zum größten Teil noch immer aus. Das muss die Kommission sowohl 2025, aber insbesondere in die Programmierung der kommenden Förderperiode, als zentralen Baustein aufnehmen.

Denn bei einem immer knapper werdenden EU-Agrarbudget werden faire Preise zur Grundvoraussetzung dafür, dass die Fördergelder auf Anreize für den notwendigen sozialökologischen Wandel ausgerichtet werden können und Landwirtinnen und Landwirte für ihre gesellschaftlichen Leistungen entlohnt werden. Bäuerinnen und Bauern müssen auskömmliche Preise erzielen können und besser gegen Marktkrisen abgesichert werden – unter anderem, indem ihre Stellung in der Wertschöpfungskette gestärkt wird. Darüber hinaus erhöhen gerechtere Märkte mit der Aussicht auf auskömmliche Einkommen auch den Anreiz für junge Menschen zur Hofnachfolge. Und das mehr als jede Junglandwirt:innen-Förderung.

Gleichzeitig muss die Transformation der Land- und Lebensmittelwirtschaft weiter begleitet und gefördert werden. Unter anderem muss die kommende GAP umfassend Instrumente und Mittel bereitstellen, die tierhaltende Betriebe beim Umbau stützen.

Verbändevorschläge zur GAP nach 2027 sind anschlussfähig

In vielen Forderungen stimmen die Vorschläge der Verbändeplattform – oftmals in konkretisierender Weise – überein mit der jüngst bekanntgewordenen Position der Bundesregierung zur GAP nach 2027 sowie den GAP-Empfehlungen des Strategischen Dialogs zur Zukunft der Landwirtschaft in der EU, der im September veröffentlicht wurde.

Auch diese betonen die Notwendigkeit von Veränderungen der GAP, um für eine gerechtere und umweltwirksamere Vergabe der EU-Agrargelder zu sorgen. Und auch der neue EU-Kommissar für Landwirtschaft und Ernährung, Christophe Hansen, hat angekündigt, sein Amt in diesem Sinne auszufüllen. Als Verbändeplattform sind wir gerne bereit, den weiteren Prozess um die Ausgestaltung der kommenden Förderperiode ab 2028 mit dem Ziel einer effizienteren und ökologischeren GAP zu begleiten, um Verbesserungen für unsere Betriebe, für unsere Umwelt und unseren ländlichen Raum zu erreichen.

Die Verbände-Plattform zur Gemeinsamen Agrarpolitik der Europäischen Union besteht seit 2001 und wird von BUND und AbL koordiniert. Daniela Wannemacher ist Teamleiterin Landnutzung und Leiterin Gentechnikpolitik beim BUND. Henrik Maaß ist Referent für europäische Agrarpolitik bei der AbL.

Lernen Sie den Tagesspiegel Background kennen

Sie lesen einen kostenfreien Artikel vom Tagesspiegel Background. Testen Sie jetzt unser werktägliches Entscheider-Briefing und erhalten Sie exklusive und aktuelle Hintergrundinformationen für 30 Tage kostenfrei.

Jetzt kostenfrei testen
Sie sind bereits Background-Kunde? Hier einloggen