Die Dürren der letzten Jahre, beginnend 2018, demonstrierten eindrucksvoll die bereits jetzt spürbaren Auswirkungen des Klimawandels auf Agrarökosysteme und damit auf die Landwirtschaft. Neben Trockenheit haben landwirtschaftliche Betriebe zunehmend mit Hitzestress, Verschiebungen in Vegetationsperioden und Niederschlagsmustern, neuen Schädlingen und Krankheiten sowie einem gestiegenen Erosionsrisiko durch Wind und Wasser zu kämpfen.
Unabhängig von etwaigen gesteigerten Ambitionen in der Klimapolitik (die sich aktuell nicht abzeichnen) kommt die Landwirtschaft in Deutschland nicht umhin, sich an die bereits jetzt bemerkbaren Auswirkungen des Klimawandels anzupassen. Weitermachen wie bisher ist nicht im Interesse der Betriebe, wofür es auch ein steigendes Bewusstsein zu geben scheint.
Nun haben Betriebe viele verschiedene Anpassungsoptionen zur Auswahl. Neben technischen Maßnahmen wie Bewässerung oder höhere – oder im Sinne des Precision Farming, gezieltere – Anwendung von Pflanzenschutz- und Düngemitteln geht es bei den meisten um verschiedene Formen der Versicherung. Dabei kann man zwischen finanzieller, natürlicher und sozialer Versicherung unterscheiden.
Multifunktionale Agrarlandschaften als Versicherung
Finanzielle Versicherung ist, was wir üblicherweise unter „Versicherung“ verstehen – der Kauf entsprechender Policen, auf Basis derer Agrarversicherer im Falle klar definierter Ereignisse (beispielsweise trockenheitsbedingte Ertragsausfälle) Zahlungen leisten. In der Versicherungsbranche wurde längst erkannt, dass es Sinn macht, hier neue Modelle zu entwickeln.
Natürliche Versicherung bedeutet, Anpassungen in der Bewirtschaftung vorzunehmen, die dabei helfen, extreme Ereignisse aufzufangen. Dazu gehört der Humusaufbau, die Diversifizierung von Fruchtfolgen, die Verwendung von auf Klimarobustheit gezüchteten Sorten oder die (Wieder-)Einführung von seminatürlichen Habitaten wie Hecken als Lebensraum für Nützlinge beziehungsweise als Windschutz.
Soziale Versicherungsoptionen dienen der Verteilung von Risiko zwischen dem Betrieb und anderen Akteuren, etwa Konsument:innen. Dies geschieht beispielsweise im Kontext solidarischer Landwirtschaft. Eine verwandte Strategie ist zuletzt die ökonomische Diversifizierung des Betriebs durch Direktvermarktung oder Tourismusangebote.
Farm-to-Fork-Strategie stieß auf wenig Gegenliebe
Schaut man sich die oben genannten Anpassungsstrategien an – insbesondere die natürlichen Versicherungsoptionen – dürfte auffallen, dass es sich um die gleichen handelt, die vielerorts als Beiträge zu multifunktionalen Agrarlandschaften diskutiert werden. Diese werden auf die Bereitstellung multipler Ökosystemleistungen hin bewirtschaftet: Neben Nahrungsmittelproduktion sind das unter anderem Klimaregulierung, Hochwasserschutz, Biodiversitätsschutz (ober- und unterirdisch) und Landschaftsästhetik.
Multifunktionalität im genannten Sinne wird von der Gesellschaft lautstark gefordert, was sich wiederum in politischen Strategien widerspiegelt, wie etwa in der Farm-to-Fork-Strategie der Europäischen Union. Mit der Umsetzung in konkrete Politikinstrumente, etwa in der Gemeinsamen Agrarpolitik, sieht es hingegen deutlich weniger konkret aus. Die geforderten Maßnahmen sind in der Landwirtschaft bisher auf wenig Gegenliebe gestoßen, was auch daran liegt, dass die Handlungsspielräume der Betriebe eng sind und die Agrarpolitik hier nicht genügend Unterstützung bietet – oder sie tut es auf eine recht inflexible Art und Weise.
So bleibt Multifunktionalität bis auf Weiteres ein gesellschaftliches Ziel, dem es an Umsetzungsmitteln akut mangelt. Ja, sie schwinden geradezu, wie die aktuellen Entwicklungen hinsichtlich der GAP-Konditionalität oder des Nature Restoration Law schmerzhaft vor Augen führen.
Multifunktionalität nützt Vielen
Allerdings kommen landwirtschaftliche Betriebe in absehbarer Zukunft um Klimaanpassung nicht herum. Die Frage ist, wie sie sich anpassen werden. Unter den oben genannten Anpassungsoptionen gibt es einige, die hinsichtlich Multifunktionalität von Agrarlandschaften neutral bis negativ zu bewerten sind. Doch diejenigen, die auf natürliche Versicherung abzielen, tragen eben auch zur Steigerung der Multifunktionalität bei.
Während das Anpassungsinteresse primär privater Natur ist, hat die Gesellschaft als Ganzes ebenfalls Interesse an multifunktionalen Agrarlandschaften als Quelle von Gemeinschaftsgütern. Daraus kann man eine Möglichkeit, ja Notwendigkeit für die Gesellschaft und Politik ableiten, Betriebe bei der Klimaanpassung zu unterstützen – und zwar gerade diejenigen Anpassungsoptionen, die der Multifunktionalität zuträglich sind.
Der richtige Weg ist schwer zu finden
Investitionsförderprogramme könnten hier eine wichtige Rolle spielen, um die Umstellung auf multifunktionalitätsfördernde, klimaangepasste Bewirtschaftung zu ermöglichen. Dabei gilt es zu beachten, dass finanzielle und natürliche Versicherungen aus Sicht der Betriebe Substitute sind – wenn man in das eine investiert hat, verliert das andere an Attraktivität.
Das ist wichtig, wenn beispielsweise über eine mögliche Subventionierung von Versicherungen diskutiert wird. Allerdings haben die Versicherer durchaus ein Interesse an natürlicher Versicherung, denn sie senkt das Risiko aus ihrer Sicht, sodass entsprechende Bedingungen in die Versicherungspolicen Eingang finden könnten. Dass landwirtschaftliche Betriebe bei der Anpassung an den Klimawandel unterstützt werden sollten, ist relativ unstrittig. Wie man es macht, ist aber alles andere als trivial.
Das übliche Mittel zur Unterstützung und Lenkung der Landwirtschaft – die Agrarpolitik im engeren Sinne – stößt hier an Grenzen. Denn landwirtschaftliche Betriebe agieren innerhalb eines engen Handlungsspielraums, der von anderen Akteuren mitbestimmt wird. So ist beispielsweise eine Erweiterung von Fruchtfolgen schwierig, wenn die zusätzlich angebauten Kulturen einem nicht abgenommen werden – sei es wegen fehlender regionaler Strukturen zur Lagerung und Verarbeitung, sei es aufgrund mangelnder Nachfrage durch Konsument:innen.
Förderung neu strukturieren
So gesehen ist die notwendige Klimaanpassung ein Gelegenheitsfenster gleich in zweierlei Hinsicht – zum einen im Sinne der Förderung multifunktionaler Agrarlandschaften; zum anderen für die Erweiterung der Perspektive von Agrar(umwelt)politik auf die nachfolgenden Stufen in der Wertschöpfungskette, bis hin zu den Konsument:innen.
Beides würde ein Überdenken der aktuellen Agrarpolitik erfordern. Zum einen durch einen stärkeren Fokus auf antizipierender Unterstützung der Betriebe bei der Bewältigung künftiger, klimawandelbedingter Herausforderungen (anstatt pauschaler Flächenprämien), bei gleichzeitiger Berücksichtigung gesellschaftlicher Interessen an Multifunktionalität.
Dies dürfte unter anderem eine Verschiebung von Mitteln hin zu Anschubfinanzierungen und Investitionsförderung bedeuten, neben einer stärkeren Ausrichtung der Agrarpolitik an der Bereitstellung von öffentlichen Gütern. Zum anderen müsste die Agrarpolitik aber endlich in einen breiteren Rahmen eingebettet werden, in dem gezielte politische Anreize nicht nur einseitig auf Betriebe, sondern auch auf andere Akteure entlang der Wertschöpfungskette einwirken.
Bartosz Bartkowski ist Juniorprofessor für Land Economics am Department Ökonomie des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung in Leipzig und am Wirtschaftswissenschaftlichen Bereich der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Er leitet mit Andrea Kaim die Nachwuchsgruppe AgriScape – Zielkonflikte auf dem Weg zu multifunktionalen Agrarlandschaften im Förderprogramm Sozial-ökologische Forschung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung.