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Standpunkte Kreislaufwirtschaft für Kunststoffverpackungen: Was nun zu tun ist

Georg Pescher
Georg Pescher, Präsident der IK Industrievereinigung Kunststoffverpackungen

Die Stärkung von Kreislaufwirtschaft und Rezyklateinsatz, die angekündigte Reform des Verpackungsgesetzes und eine innovationsfreundlichere Genehmigungspolitik sind wichtige Signale im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung, schreibt Georg Pescher, Präsident der IK Industrievereinigung Kunststoffverpackungen. Nun komme es auf die konsequente Umsetzung dieser Pläne an.

von Georg Pescher, Industrievereinigung Kunststoffverpackungen

veröffentlicht am 11.06.2025

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299-mal – so oft haben Union und SPD im vorliegenden Koalitionsvertrag das Wort „wollen“ statt „werden“ gewählt. Fest steht: Die neue Bundesregierung will den Wirtschafts- und Industriestandort Deutschland sowie die Kreislaufwirtschaft stärken. Das ist ökologisch notwendig und ökonomisch sinnvoll. Die Kreislaufwirtschaft macht uns unabhängiger von fossilen Rohstoffen, schafft Wertschöpfung und sichert Arbeitsplätze.

Recycling-Offensive für Deutschland: Auf Erfolge aufbauen

Anders als vielfach angenommen hat sich das Recycling von Kunststoffverpackungen in Deutschland in den letzten Jahren erheblich verbessert. Industrie, Handel und Konsumenten haben gerade in den letzten fünf Jahren viel gemeinsam erreicht. Die Recyclingquote für Kunststoffverpackungen im Gelben Sack liegt aktuell bei 68 Prozent – ein Spitzenwert in Europa. 82 Prozent der Verpackungen für Endverbraucher sind recycling- oder mehrwegfähig – ein bedeutender Fortschritt auf dem Weg zu unserem Ziel von 90 Prozent bis 2025. Zudem bestehen über 17 Prozent der Verpackungen aus recyceltem oder biobasiertem Material. Das beweist: Innovation und Nachhaltigkeit gehen bei uns Hand in Hand.

Doch das reicht nicht. Wir müssen auf diesem Erfolg aufbauen. Die Branche ist bereit, mehr zu leisten. Wir entwickeln nachhaltige Verpackungslösungen, investieren in Recyclingtechnologien und setzen auf Qualität. Doch das alles funktioniert nur, wenn die Politik uns den Rücken stärkt. Wir brauchen Verbündete. In der Politik, bei den Verbrauchern, in der Gesellschaft.

Die neue EU-Verpackungsverordnung wird diese Entwicklung beschleunigen. Wichtig ist, dass sie praktikabel bleibt und sowohl ökologische als auch wirtschaftliche Aspekte berücksichtigt. Gleiches gilt für die Leitplanken der neuen Bundesregierung und die nationale Gesetzgebung.

Konkrete Handlungsempfehlungen aus der Industrie

Entscheidend ist, dass die Politik konkrete Anreize setzt, auf faire Marktbedingungen achtet und dadurch Innovationen fördert. Nur so lassen sich die ambitionierten Ziele für Kreislaufwirtschaft und Recycling erreichen – und Deutschland kann Vorreiter in der Circular Economy werden. Was bedeutet das konkret?

Erstens: Das Verpackungsgesetz muss reformiert werden, insbesondere Paragraf 21. Er regelt die ökologische Gestaltung von Beteiligungsentgelten für Verpackungen, die am dualen System beteiligt sind. Der Paragraf muss so gestaltet werden, dass recyclingfähige Verpackungen bei der Lizenzierung finanziell bessergestellt werden als weniger recyclingfähige. Das Ziel ist eine materialneutrale, ökologische Bewertung mit echter Lenkungswirkung.

Zweitens: Das mechanische Recycling muss gestärkt werden. Es ist die nachhaltigste und effizienteste Methode, Ressourcen zu schonen. Daher müssen für die Berechnung des mechanischen Recyclings die gleichen flexiblen Standards gelten, wie sie für das chemische Recycling vorgeschlagen werden – beispielsweise mit einem Zertifikatsystem für mechanische Rezyklate analog zum Massebilanzverfahren bei chemischen Rezyklaten. Zudem muss die Marktaufsicht deutlich verbessert werden, damit importierte Produkte tatsächlich die hohen EU-Standards erfüllen.

Drittens: Um genügend Rezyklate zur Wiederverwendung in Verpackungen und damit zur Erfüllung der hohen EU-Quoten zu erhalten, schlagen wir vor, die werkstoffliche Recyclingquote in Deutschland auf 75 Prozent ab 2030 zu erhöhen und gleichzeitig eine darüber hinausgehende allgemeine Recyclingquote einzuführen, zu deren Erreichung auch andere Recycling-Technologien genutzt werden können.

Viertens: Bürokratierückbau ist dringend notwendig. Von der neuen Bundesregierung erwarten wir, dass sie sich auch in Brüssel für einen Bürokratierückbau einsetzt. Die neue EU-Verpackungsverordnung zeigt exemplarisch, wie gut gemeinte Ziele durch realitätsferne Detailregulierung scheitern. Die Probleme im Einzelnen:

  • Die im Gesetzgebungsendspurt überhastet beschlossenen Mehrwegvorgaben für Industrie- und Gewerbeverpackungen sind so nicht umsetzbar und müssen zügig korrigiert werden.
  • Zudem müssen die vorgesehenen Berichtspflichten zum Nachweis der Mehrwegvorgaben gestrichen werden.
  • Auf die Schaffung einer neuen EU-Behörde zur Überwachung der Mehrwegquoten sollte verzichtet werden.
  • In Deutschland stellt das Einweg-Kunststoff-Fonds-Gesetz derzeit viele Unternehmen vor unlösbare Aufgaben: Auch ein Jahr nach Inkrafttreten ist die Reichweite des Gesetzes weiterhin völlig unklar. Wir setzen uns dafür ein, dass die EU-Vorgaben nicht vom Umweltbundesamt, sondern, wie in anderen Ländern auch, privatwirtschaftlich umgesetzt werden.

Fünftens: Zielkonflikte müssen gelöst werden. Die EU-Rezyklateinsatzquoten für Lebensmittelverpackungen sollten an die Anforderungen der lebensmittelrechtlichen Vorschriften angepasst werden: Sofern der Einsatz von mechanisch hergestellten Rezyklaten in Lebensmittelverpackungen nicht zugelassen ist, sollte es auch keine Quoten geben. Denn der Ausbau der chemischen Recyclingkapazitäten in Europa läuft viel zu langsam.

Die über 250 Hersteller von Kunststoffverpackungen in Deutschland stehen bereit, die Kreislaufwirtschaft aktiv weiterzuentwickeln – vorausgesetzt, die Politik schafft faire, materialneutrale Rahmenbedingungen und entlastet Unternehmen von regulatorischem Ballast. Nur so bleibt Deutschland Vorreiter einer Kreislaufwirtschaft, die ökologische Ziele mit industrieller Wettbewerbsfähigkeit verbindet. Der Koalitionsvertrag bietet hierfür erste Ansätze – nun kommt es auf die konkrete Umsetzung an.

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