Agrar-Ernaehrung icon Agrar & Ernährung

Standpunkte Technologische Lösungen und regulatorische Hürden für Agrarbetriebe

Peter Münch
Peter Münch, Research Partnerships Manager für Europa bei John Deere Foto: John Deere

Veränderungen des Klimas, schrumpfende Ackerflächen, steigende Nachhaltigkeitsanforderungen und anspruchsvolle Verbraucher: Eine Vielzahl von Herausforderungen wirkt sich auf landwirtschaftliche Betriebe aus. Präzisionslandwirtschaft und innovative Antriebsalternativen sind die Lösung – doch nur, wenn die Politik regulatorische Freiräume schafft, schreibt Peter Münch, Research Partnerships Manager für Europa bei John Deere, in seinem Standpunkt.

von Peter Münch

veröffentlicht am 15.05.2025

Lernen Sie den Tagesspiegel Background kennen

Sie lesen einen kostenfreien Artikel vom Tagesspiegel Background. Testen Sie jetzt unser werktägliches Entscheider-Briefing und erhalten Sie exklusive und aktuelle Hintergrundinformationen für 30 Tage kostenfrei.

Jetzt kostenfrei testen
Sie sind bereits Background-Kunde? Hier einloggen

Der Tag beginnt um 7 Uhr. Nach einem Blick auf die Smartwatch oder das Tablet weiß der Landwirt genau Bescheid, wo welche Maschine aus seinem Fuhrpark unterwegs ist. Die geringe Bodenfeuchte des Feld-Teils im Nordwesten muss nachjustiert werden. Mit wenigen Fingertippern ist dies erledigt. Die Fahrerinnen und Fahrer sind auf einem anderen Feld des Betriebes unterwegs und senden Ertragsdaten, die direkt beim Schnitt erfasst werden. Der Landwirt bekommt eine Zusammenfassung auf den Online-Account seines Hofes und sieht: Die Ernte ist nährstoffreich, doch sie hätte üppiger ausfallen können.

Vieles von diesem Idealbild der modernen Landwirtschaft ist auf Betrieben in Deutschland und in der EU bereits möglich. Das muss auch so sein, denn mit Blick auf eine stetig wachsende Weltbevölkerung, die – richtigerweise – immer höhere Transparenzansprüche an die Herkunft und Inhaltsstoffe ihrer Lebensmittel hat, ist Effizienz auf jedem Hof unerlässlich.

Fakt ist: Der Schlüssel zur Wirtschaftlichkeit moderner Agrarbetriebe liegt in der Präzisionslandwirtschaft. Der Einsatz modernster Technologien trägt dazu bei, den vielfältigen Herausforderungen, denen sich die Landwirtschaft ausgesetzt sieht, entgegenzuwirken. Es gilt, mit weniger Einsatz von Ressourcen größere Erträge zu erzielen und dabei politischen Vorgaben zu entsprechen sowie das Vertrauen der Verbraucher zu erhalten.

EU Green Deal: Strenge Vorgaben erfordern innovative Lösungen

Mit der sich weltweit verändernden politischen Lage durch wechselnde Regierungen können sich in Zukunft auch bestehende Regularien verändern. Noch ist der EU Green Deal die regulatorische ‚Messlatte‘ für die Landwirtschaft. Es geht darum, eine Überbeanspruchung der Agrarflächen zu vermeiden und Landwirtschaftsformen zu entwickeln, welche die wachsende Bevölkerung auch in Zukunft ernähren können. Doch was fehlt, sind Lösungswege, die den Hofbetreibern wirtschaftliche Perspektiven bieten.

Stattdessen setzt die EU-Kommission auf strenge Regularien und Auflagen, besonders beim Einsatz von Pflanzenschutzmitteln. Technologie ist hier der Schlüssel, um dieses Vorgehen einzuhalten und gleichzeitig die Wirtschaftlichkeit des Betriebs zu sichern. Hochgeschwindigkeitskameras, KI und Hightech-Sensorik können immer sicherer Unkräuter von Kulturpflanzen unterscheiden. Durch eine gezielte Applikation lassen sich bis zu 70 Prozent der Pflanzenschutzmittel einsparen.

Sensoren sammeln ebenso Daten zu Tieren sowie von Erträgen und Inhaltstoffen der Feldfrüchte und bieten Erkenntnisse, um die Nutzung von Nährstoffen zu verbessern. Dies sorgt auch für Transparenz dem Verbraucher gegenüber, da genau nachgewiesen werden kann, mit welchem Aufwand an Energie und Nährstoffen etwa Milch produziert wurde.

Doch bei all diesen Dokumentationsmöglichkeiten bleibt der Nachweisprozess eine Herausforderung. Betriebsdaten vom Boden über Pflanzen bis zu Maschinen und Verbrauch werden in Echtzeit erfasst und online mit Zahlen der vorigen Jahre verglichen. Dies lichtet aber nicht den bürokratischen Dschungel für die Hofbetreiber.

In Deutschland gibt es für 16 Bundesländer 13 verschiedene Antragsformen und -prozesse für Nachhaltigkeits- und Umweltschutznachweise. Trotz fortgeschrittener Digitalisierung vieler landwirtschaftlicher Betriebe können die meisten Behörden die Daten von deren Accounts nicht übernehmen. Der aktuelle Koalitionsvertrag bietet eine Perspektive: Einheitliche Anträge über Ländergrenzen hinweg, weniger Bürokratie, vereinfachte Meldeformen und Aufzeichnungspflichten.

Harte Ziele: CO2-Ausstoß bis 2030 halbieren

Noch ein sensibler Punkt des Green Deals ist die Düngung. Die Vorgaben sind an den Grundwasserschutz geknüpft: Landwirte dürfen zum Schutz des Grundwassers nur so viel Düngemittel verwenden, wie tatsächlich von den jeweiligen Pflanzen benötigt wird. Klingt logisch, ist aber schwer zu messen. Bestimmt wird dies durch eine kulturbezogene und ertragsabhängige Düngebedarfsermittlung für Stickstoff und Phosphat.

Beim Green Deal sollen im Vergleich zu 1990 bis 2030 55 Prozent der Treibhausgase reduziert werden, während gleichzeitig eine Verringerung der Nährstoffverluste und der Düngermittelmenge angestrebt wird. Weniger Bedarf für sehr energieintensiv produzierten Mineraldünger wäre demnach sehr vorteilhaft.

Bei einem heterogenen Stoff wie Gülle war der Nährstoffgehalt lange nicht leicht zu messen. Doch mit einem Nahinfrarotsensor an einem Güllefass ist dies möglich. Bei der Ausbringung erfasst der Sensor die wichtigsten Nährstoffe. Die Gülle wird dann nach Kilogramm Nährstoff pro Hektar ausgebracht - ganz nach Pflanzenbedarf vollautomatisch und in Echtzeit.

Jede Pflanzenschutzmaßnahme muss gemäß des Green Deals in einem elektronischen Register erfasst und begründet werden. Wenn also eine Konnektivität der bürokratischen Institutionen mit den Onlinetools der Landwirte möglich ist, lassen sich die Ziele des Green Deals einfacher erreichen.

Die Zukunft gehört alternativen Antrieben

Der CO2-Ausstoß von Traktoren kann durch die Nutzung alternativer Biokraftstoffe um 80 Prozent gesenkt werden. Projekte wie „ResiTrac“ erforschen und testen den Betrieb von Traktoren mit Diesel, Biodiesel, HVO oder Rapsöl. „ResiTrac“ steht für „Resilient Food Production with Green Tractors“. Im Rahmen der Kreislaufwirtschaft lassen sich viele Kraftstoffalternativen auf dem Hof selbst produzieren. Transportwege werden so verkürzt und die Landwirtschaft könnte sich von fossilen Kraftstoffen entkoppeln.

Hier tut sich jedoch eine regulatorische Sackgasse auf. Zwar wird über den Einsatz der Kraftstoffalternativen kontrovers diskutiert. Allerdings sind die Rahmenbedingungen für deren Einsatz noch nicht gegeben. Die Bauernproteste im letzten Jahr haben gezeigt, wie sehr Agrarbetriebe unter Druck stehen. Mit der Umsteuerung der Agrardieselsubventionen auf alternative Kraftstoffe wäre also ein großer Beitrag für die Umwelt und die Landwirtschaft geleistet.

Umweltschutz und Wirtschaftlichkeit im Fokus

Aktuell gibt der Koalitionsvertrag hierzulande einen versöhnlichen Ton an. Die Agrardieselbesteuerung wird darin wieder auf den europäischen Durchschnitt zurückgeführt. Dies ist ein wichtiger Impuls, welcher der Landwirtschaft eine große Sorge nimmt, weitere Schritte werden folgen.

So hat das Kuratorium für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft einen Maßnahmenkatalog veröffentlicht, der Handlungsoptionen für den Ersatz von Dieselkraftstoffen identifiziert und bewertet. Das Ziel ist es, die Anforderungen des Green Deals zu erfüllen. Aber damit eine Umstellung der Landwirtschaft auf erneuerbare Antriebsenergien gelingt, müssen verschiedene Akteursgruppen zusammenarbeiten: Politik und Administration, Wissenschaft und Bildung, Landtechnikhersteller, -händler und -fachbetriebe, Kraftstoffproduzenten und -händler sowie Stromversorger und selbstverständlich die landwirtschaftliche Praxis.

Zu den politischen und finanziellen Forderungen des Maßnahmenkataloges gehört unter anderem die Beseitigung rechtlicher Unsicherheiten beim Einsatz erneuerbarer Kraftstoffe in Bestandsfahrzeugen. Dies, im Zusammenhang mit einer schrittweisen Erhöhung der Preise für Emissionszertifikate, soll die Wettbewerbsfähigkeit erneuerbarer Energieträger steigern.

Wird die Besteuerung von Bestandsmaschinen dann auch im Energiesteuergesetz angepasst, hören erneuerbare Kraftstoffe schließlich auf, eine Alternative zu sein und könnten zum Status quo werden.

Lernen Sie den Tagesspiegel Background kennen

Sie lesen einen kostenfreien Artikel vom Tagesspiegel Background. Testen Sie jetzt unser werktägliches Entscheider-Briefing und erhalten Sie exklusive und aktuelle Hintergrundinformationen für 30 Tage kostenfrei.

Jetzt kostenfrei testen
Sie sind bereits Background-Kunde? Hier einloggen