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Digitalisierung & KI

Standpunkte Digitale Bildung: Die Planungssicherheit, die wir meinen

Angela Büttner und Oliver Pfleiderer, Co-Koordinierende der AG Bildung von D64
Angela Büttner und Oliver Pfleiderer, Co-Koordinierende der AG Bildung von D64 Foto: Privat/Inklusiva

Beim Digitalpakt 2.0 sind sich Bund und Länder weiterhin uneinig. Hauptstreitpunkt ist die Finanzierung. Das überdeckt die inhaltliche Ebene, kritisieren Angela Büttner und Oliver Pfleiderer vom Verein D64. Sie fordern eine umfassende Reform der digitalen Bildung in Deutschland. Nur so ließe sich im digitalen Raum verantwortungsbewusstes Handeln herstellen.

von Angela Büttner und Oliver Pfleiderer

veröffentlicht am 10.10.2024

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Eigentlich sollte längst alles durch verhandelt sein, doch aktuell kommen die Verhandlungsparteien einfach nicht weiter. Zum Jahresanfang 2025 soll der Digitalpakt 2.0 für die Schulen in Kraft treten, der das im Mai 2024 ausgelaufene Vorgängerprogramm ablöst. Seit Dezember 2022 verhandeln Bund und Länder bereits über die Vereinbarung zur digitalen Ausstattung in den Schulen. Die Positionen von Bund und Ländern liegen weit auseinander, ein Kompromiss zeichnet sich bisher nicht ab. Wie so oft bei Verhandlungen zwischen den staatlichen Ebenen geht es überwiegend ums Geld.

Nachdem sich Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) lange bedeckt gehalten hatte, präsentierte sie kürzlich einen konkreten Vorschlag: So bietet der Bund an, im Zeitraum von 2025 bis 2030 einen Betrag von 2,5 Milliarden Euro für den Digitalpakt bereitzustellen, also pro Jahr etwa 417 Millionen Euro. Bedingung: Die Länder müssen den gleichen Betrag beisteuern. Damit folgt Stark-Watzinger dem Beschluss der Ampelkoalition, wonach bei gemeinsamen Bund-Länder-Finanzierungen stets eine 50 zu 50 Aufteilung gelten muss. Beim Digitalpakt I hatte der Bund noch 90 Prozent der Finanzierung geleistet. Jetzt möchte der Bund außerdem mehr Vorgaben machen können. Das Angebot der Bundesbildungsministerin, weniger zu zahlen und gleichzeitig mehr fordern zu können, stößt bei den Ländern auf wenig Gegenliebe.

Digitale Kompetenzen in den gesamten Lehrplan integrieren

Die Diskussionen über die Finanzen überdecken dabei aber die inhaltliche Ebene, um die es eigentlich gehen sollte. Der digitalpolitische Verein D64 hat unter dem Titel „Freiräume schaffen, Grenzen überwinden: Zugängliche Bildung im digitalen Zeitalter“ ein Positionspapier verfasst, das einen Fahrplan für eine umfassende Reform der digitalen Bildung in Deutschland vorschlägt.

Unsere digitalpolitischen Forderungen gehen weit über den unentwegt geforderten Informatikunterricht hinaus. Es geht nicht nur darum, Bürgerinnen und Bürger zu befähigen, einen Computer zu bedienen oder eine App zu programmieren. Vielmehr muss vermittelt werden, Technologien kritisch zu hinterfragen, ethisch zu nutzen und die digitale Gesellschaft aktiv mitzugestalten. Das erfordert einen ganzheitlichen Ansatz, der digitale Kompetenzen in alle Bereiche des Lehrplans integriert und lebenslanges Lernen innerhalb, aber auch außerhalb der traditionellen Bildungslandschaft fördert.

Ein weiteres Schlüsselelement ist die Förderung offener Bildungspraktiken und der Einsatz von Open-Source-Technologien. Indem in der Bildung auf offene Standards und frei zugängliche Ressourcen gesetzt wird, erlaubt das ein flexibleres, transparenteres und letztlich demokratischeres Bildungssystem. Das ermöglicht es, schneller auf sich ändernde Bedürfnisse zu reagieren und sicherzustellen, dass niemand aufgrund von sozioökonomischen Faktoren vom digitalen Fortschritt ausgeschlossen wird.

Mit langfristiger Finanzierung echte Inklusion vor Ort fördern

Doch all diese Bemühungen werden scheitern, wenn politisch niemand bereit ist, langfristig und nachhaltig in digitale Infrastruktur und in die Menschen zu investieren, die sie nutzen und gestalten. Die von D64 geforderte langfristige Finanzierung geht über den aktuellen Vorschlag zum Digitalpakt 2.0 des Bundes hinaus. Sie ist entscheidend, um echte Planungssicherheit zu schaffen und zu verhindern, dass innovative Projekte im Sand verlaufen.

Ohne entsprechende Finanzierung werden zusätzliche Aufgaben sonst auf eine auch heute schon überforderte Personalstruktur übertragen. Die Folge wäre, dass weitere Menschen in der Bildungslandschaft „verloren gehen“ und nicht die Möglichkeiten nutzen können, die ihnen eigentlich zur Verfügung stehen sollten. Nur wenn auch die Lehrenden in der Wissensvermittlung auf eine sichere Infrastruktur und digitale Expertise zugreifen können, können sie diese auch authentisch weitergeben.

Schließlich muss gesellschaftlich anerkannt werden, dass digitale Bildung mehr ist als nur das Erlernen technischer Fertigkeiten. Es geht auch um die Entwicklung eines ethischen Verständnisses und eines Verantwortungsbewusstseins für die Auswirkungen des digitalen Handelns. Daher sind verbindliche Finanzierungsmodelle nicht nur notwendig, um die digitale Bildung an Bildungsinstitutionen zu fördern, sondern auch, um echte Inklusion vor Ort zu unterstützen, die heute an Rahmenbedingungen und fehlenden Ressourcen scheitert.

Die vorgeschlagenen Reformen sind umfassend und notwendig. Sie erfordern ein Umdenken im föderalen Bildungssystem und in der Art und Weise, wie Technologie in der Gesellschaft und bei jedem Einzelnen zu betrachten ist. Die darin investierte Zeit, das Geld und die Anstrengungen werden es wert sein, diese Visionen Wirklichkeit werden zu lassen. Denn dann können alle Mitglieder der Gesellschaft – unabhängig ihrer sozioökonomischen Möglichkeiten – daran teilhaben.

Angela Büttner und Oliver Pfleiderer sind Co-Koordinierende der AG Bildung von D64, Zentrum für Digitalen Fortschritt.

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