Der Digitalpakt Schule von 2019 wurde zu einem Zeitpunkt beschlossen, als Lockdowns und Schulschließungen noch in weiter Ferne schienen. Doch während der Pandemie wurde uns der Nachholbedarf bei der Digitalisierung an Schulen vor Augen geführt. Oft fehlte es an den Grundlagen. Digitale Endgeräte wie Tablets und Laptops waren nicht ausreichend verfügbar. Ob Lehrer:innen, Eltern oder die Schüler:innen selbst: Die Frustration konnten viele von uns während der Krise hautnah erleben.
Auch wenn seitdem erste Fortschritte erzielt wurden, bleibt die Digitalisierung an Schulen nach wie vor eine Herausforderung. Deutschland hat hier noch einen weiten Weg vor sich, wie internationale Vergleiche immer wieder belegen. Damit Schüler:innen in Deutschland die nötigen Fähigkeiten für eine Welt im digitalen Wandel erlernen, müssen wir mehr für die Digitalisierung an Schulen tun. Das bedeutet auch, weiter zu investieren.
Daher ist es wichtig, dass im Koalitionsvertrag ein Digitalpakt 2.0 angekündigt wurde, der die langfristige Finanzierung der digitalen Bildung sichern soll. Bund und Länder stehen jetzt vor der Herausforderung, die richtigen Weichen für das Vorhaben zu stellen.
Wir können uns keinen Stillstand leisten
Eine zukunftsfähige Ausstattung von Schulen mit digitalen Mitteln ist gerade deshalb so wichtig, weil Digitalisierung unerlässlich für ein modernes Bildungswesen ist. Bei der Digitalisierung von Schulen handelt es sich nicht bloß um die Umstellung von analogem auf digitalen Unterricht. Digitale Inhalte und Lehrmittel bereichern den Unterricht und bieten allen Schüler:innen einen besseren Zugang zu Wissen. Außerdem lernen sie wesentliche Fähigkeiten im Umgang mit digitaler Technologie. Diese digitalen Kompetenzen sind auch abseits der fachlichen Curricula wichtig.
Digitalisierung in der Bildung bedeutet mehr, als den analogen Unterricht auf digitale Kanäle umzustellen. Digitalisierung bietet die Chance, den Unterrichtsstoff auf kreative und spannende Weise nachhaltig zu vermitteln. Das ist erforderlich, damit zukünftige Generationen im internationalen Bildungsvergleich besser abschneiden.
Digitalisierung an Schulen kann auch zur Chancengerechtigkeit beitragen. Denn digitale Tools können Lehrkräfte bei ihrer Arbeit unterstützen. Sie werden langfristig entlastet und können besser auf die unterschiedlichen Bedürfnisse der Schüler:innen reagieren. Mit einer besseren digitalen Ausstattung können die Schüler:innen individuell Neues erlernen, ihre Interessen verfolgen und ihre Talente ausbauen.
Im Sinne der Chancengerechtigkeit ist es auch wichtig, dass die Schule die Lernenden mit digitalen Endgeräten ausstattet, und dass nicht die Eltern diese beschaffen müssen. Denn bei digitalen Lehr- und Lernmitteln gilt das Gleiche wie bei gebundenen Schulbüchern: Nur, wenn die Schule die Beschaffung übernimmt, hängt die Qualität der Ausstattung nicht vom Einkommen des Elternhauses ab.
Lock-in-Effekte vermeiden
Angesichts einer sich zuspitzenden Haushaltslage werden auch Rufe nach Kürzungen und Verschiebungen der Finanzierung für die digitale Ausstattung an Schulen laut. Doch Förderlücken zu riskieren, oder gar den Rotstift bei der Bildung anzusetzen, würde bedeuten, am falschen Ende zu sparen. Vielmehr sollte darauf geachtet werden, dass die zur Verfügung stehenden Mittel nachhaltig und effizient eingesetzt werden.
Eine Stellschraube ist die Abhängigkeit, die durch eine IT-Ausstattung mit geschlossen Systemen entsteht. Interoperable und offene Systeme können dabei helfen, langfristige Lock-In-Effekte und damit verbundene Folgekosten zu verhindern. Durch Lock-in-Effekte und fehlende Interoperabilität zwischen den Produkten werden Schulen heute schon langfristig an bestimmte Systeme gebunden. Trotz attraktiverer Konditionen und besserer Angebote ist ein Anbieterwechsel dann kaum umsetzbar. Diese Lock-in-Effekte gefährden die hochwertige Ausstattung von Schulen und senken die Standards unseres Bildungswesens. Um das zu vermeiden, sollten Schulen auf offene und erweiterungsfähige Unterrichtslösungen setzen. Diese bieten ihnen ein maximales Niveau an Flexibilität, anstatt sie langfristig zu binden.
Für produktneutrale Ausschreibungen
Um mehr Wettbewerb und Offenheit zu gewährleisten, sind produkt- und herstellerneutrale Ausschreibungsverfahren unerlässlich. Denn nur durch Wettbewerb erhalten Schulen die besten Angebote für die digitale Bildung. In der Praxis sehen wir allerdings häufig, dass in Ausschreibungen für digitale Endgeräte einzelne Hersteller oder Betriebssysteme ausgeschrieben werden. Ein Wettbewerb um die besten Produkte und Konditionen kann so nicht mehr erfolgen.
Für eine nachhaltige und langfristig gedachte Beschaffungsstrategie sollte Produktneutralität bei der Ausschreibung von digitalen Endgeräten im Vordergrund stehen. Dies sollte im Digitalpakt 2.0 verbindlich festgehalten werden. Denn produktneutrale Ausschreibungen eröffnen eine höhere Anzahl potenzieller Anbieter, senken die Kosten und reduzieren das Risiko von Pfadabhängigkeiten.
Das ist vor dem Hintergrund der dynamischen technologischen Entwicklungen umso wichtiger. Mit Blick auf die Fortschritte im KI-Bereich brauchen Lehrkräfte und Schulträger die Möglichkeit, digitale Angebote flexibel einzusetzen. Die Neuauflage des Digitalpakts Schule bietet uns die Möglichkeit, die richtigen Weichen dafür zu stellen.
Olaf May ist Corporate Vice President von Samsung Electronics in Deutschland.