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Energie & Klima

Planungs- und Genehmigungsverfahren Experten sehen Änderungsbedarf bei Beschleunigung von Offshore-Projekten

Die Bundesregierung will beschleunigen, auch beim Bau von Offshore-Windparks und Stromnetzen. Beim entsprechenden Kabinettsentwurf sehen Experten aber noch Änderungsbedarf, besonders bei der UVP und beim Ausweis von Infrastrukturgebieten. Der Netzausbau könnte schneller und günstiger gehen, betonen die Netzbetreiber.

Alina Rapaport

von Alina Rapoport

veröffentlicht am 06.06.2024

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Auch wenn der Vergleich hinkt: Sowohl beim Artenschutz als auch beim Kauf eines Weihnachtsbaums ist die Planung von Bedeutung. Wie er das meint, erklärte Urs Wahl vom Energiekonzern EnBW in der gestrigen Anhörung im Energieausschuss. „Heiligabend steht fest, aber der Zeitpunkt, wann der Weihnachtsbaum gekauft wird, beschleunigt das Datum nicht.“ Die Anforderung an die Größe der Tanne müsse möglichst früh bekannt sein und nicht erst am Vortag vor dem Fest. „Das ist das, was wir unter Rechtssicherheit verstehen. Wenn spät im Verfahren schützenswerte Arten gefunden und Maßnahmen angeordnet werden, ist es weniger hilfreich, als wenn es früh im Verfahren geschieht“, übertrug Wahl das Bild auf das eigentliche Thema.

Seit Monaten schon appellieren Naturschutzverbände und Energieunternehmen an die Politik, die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) bei Offshore-Projekten aufrechtzuerhalten und nicht zu Gunsten einer Strategischen Umweltprüfung zu streichen, wie es der Kabinettsentwurf zur Umsetzung der EU-Erneuerbaren-Richtlinie (RED III) für Offshore und Stromnetze vorsieht (Tagesspiegel Background berichtete). Mehrere Sachverständige plädierten auch in der gestrigen Anhörung für den Erhalt der UVP oder zumindest für eine freiwillige Einreichung der Unterlagen.

UVP müsse zumindest freiwillig erfolgen

Verzögerungen würden bei Wind-auf-See-Projekten nicht durch Genehmigungsverfahren entstehen – die sich in die Projektplanung eingliedern würden – sondern vor allem durch Probleme bei den Lieferketten und durch die Hafeninfrastruktur entstehen, so Kristin Blasche vom Energieunternehmen Ørsted. „Die hier vorgeschlagene Regelung ist daher nicht zielführend, da sie nicht zu einer Beschleunigung des Ausbaus von Offshore-Windenergie führen wird, sondern zu einer Reduzierung der Umweltschutzstandards“, sagte die von der SPD-geladene Sachverständige. Dies könne wiederum zu neuen Planungs- und Investitionsrisiken für Projektentwickler führen. Blasche plädiert daher für eine freiwillige UVP.

Unterstützung erhält sie vom WWF-Experten Felix Schmidt, den die Grünen geladen haben. „Bei der Umsetzung der EU-Richtlinie schießt der Gesetzgeber im Kabinettsentwurf aus unserer Sicht an einigen Stellen übers Ziel hinaus.“ Statt Übersichtlichkeit schaffe die Bundesregierung Rechtsunsicherheit. Der WWF befürchtet negative Auswirkungen auf den Artenschutz und eine Herabsenkung von Umweltstandards. Sowohl die UVP als auch die artenschutzrechtliche Prüfung sollten daher erhalten bleiben.

Netzbetreiber wollen Einheitlichkeit bei Infrastrukturgebietsausweisung

„So gut, wie wir die Regelung insgesamt finden, haben wir gemerkt, dass die Bundesregierung auf dem Weg zwischen Referentenentwurf und Kabinettsentwurf etwas der Mut verlassen hat“, sagte Tatiana Chuvilina vom Netzbetreiber Tennet. Statt einer verpflichtenden Umsetzung der Infrastrukturgebiete sei die Regierung dem Wunsch der Länder gefolgt und will nun eine optionale Regelung einführen.

Einige Länder können damit auf die Beschleunigung in potenziell dafür geeigneten Gebieten verzichten und an ihren bisherigen Genehmigungsverfahren festhalten. „Das sehen wir sehr, sehr kritisch, weil es für uns als Vorhabenträger ein Flickenteppich an Genehmigungsverfahren in Deutschland bedeutet“, so Chuvilina, die von der SPD eingeladen wurde. Deshalb solle wieder ein Genehmigungsstandard für Bund und Länder festgesetzt werden. Sollte die Regelung bleiben, so sei zumindest eine Frist für die Länder nötig, bis wann sie die Entscheidung treffen müssen.

Leichte Zeitersparnis wäre mit Freileitungen möglich

Sowohl der Energiewirtschaftsverband BDEW als auch der Übertragungsnetzbetreiber Amprion schlagen zudem vor, dass die Beschleunigungseffekte sich nicht nur auf das Übertragungsnetz, sondern auch auf die 110 Kilovolt (kV) Leitungen – also aufs Verteilnetz – auswirken sollte. Die Voraussetzung wäre, dass der Netzbetreiber einen entsprechenden Antrag stellt für die planfeststellungsbedürftigen 110 kV Freileitungen. Die Bundesregierung hatte bereits in ihrer Antwort auf den Vorschlag der Länder wie berichtet angekündigt, Infrastrukturgebiete – und damit eine Beschleunigung – für Freileitungen zu prüfen.

Der von der FDP geladene Sachverständige vom Centrum für Europäische Politik plädiert dafür, den Erdkabelvorrang beim Netzausbau nochmal auf die Prüfung zu stellen. 35 Milliarden Euro könnten durch den Bau von Freileitungen statt der Verlegung von unterirdischen Kabeln laut Bundesnetzagentur eigespart werden – zehn Prozent der insgesamt bis 2045 veranschlagten Kosten für den Übertragungsnetzausbau. „Das erscheint mir ein signifikanter Beitrag zu den Netzentgelten zu sein“, so Henning Vöpel.

Auch die Bauzeit ist bei Freileitungen kürzer als bei Erdkabelprojekten, so Chuvilina von Tennet. Ein Jahr könnte man einsparen, wenn die Neuprojekte als Freileitungen gebaut würden. „Es wird sich nicht wahnsinnig unterscheiden, aber es ist technisch zuverlässiger, günstiger und etwas schneller als die Erdkabelausführung.

Dass der Nord-Ost-Link und der Rhein-Main-Link in den Bundesbedarfsplan vorgezogen werden, befürwortet der von der Union geladene Sachverständige Guido Hermeier vom Netzbetreiber Amprion. Die Planungsgrundlagen würden so für diese Projekte festgeschrieben. In drei Wochen will Amprion den Antrag für die Durchführung der Planfeststellung für den Rhein-Main-Link bei der Bundesnetzagentur einreichen.

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