Die Stadt Berlin wächst, aber der Verbrauch an Trinkwasser stagniert – ein Indiz für die zunehmende Wertschätzung der lebenswichtigen Ressource. Nach mehreren Dürrejahren ist das Thema Wasserknappheit in den Köpfen der Verbraucher angekommen. Das war nicht immer so, erinnert sich Pascale Rouault, die neue Chefin des Kompetenzzentrums Wasser Berlin (KWB).
Als sie 2007 als wissenschaftliche Mitarbeiterin im KWB anfing, gehörte die Verschmutzung der Spree durch die überlaufende Kanalisation zu ihrem Forschungsbereich – kein Thema mit großem Erregungspotenzial. Ebenso wenig wie das Kompetenzzentrum selbst – ein Institut für praxisnahe Forschung zum Wasserkreislauf in Städten, das bisher weitgehend unterm Radar der Öffentlichkeit agierte. Das soll jetzt anders werden. Pascale Rouault möchte die Forschungsarbeit des KWB transparenter machen. Und den Berliner Wasserverbrauchern und Gewässernutzern noch stärker ins Bewusstsein rücken, welche Risiken und Unsicherheiten mit dem Klimawandel verbunden sind.
Entscheidungsgrundlagen für Verantwortliche der Wasserwirtschaft
Dessen Folgen wie Wasserknappheit oder Extremwetterereignisse stellen nicht nur Berlin, sondern Metropolen weltweit vor die Frage: Wie kann und muss eine nachhaltige Wasserwirtschaft in Zeiten einer wachsenden, alternden Bevölkerung, einer in die Jahre gekommenen Infrastruktur und knapper finanzieller Ressourcen aussehen? „Schwammstadt“ und „wassersensible Stadtentwicklung“ sind elementare Stellschrauben. „Heute wissen wir, wie wichtig die Maßnahmen, die sich hinter diesen Schlagworten verbergen, für die Klimaanpassung und für eine resiliente Infrastruktur sind“, sagt Rouault.
Unter ihrer Leitung erforschen und bewerten die aktuell rund 40 Mitarbeiter:innen des KWB Technologien und Strategien rund um urbane Wasserkreisläufe. Damit liefern sie Entscheidungsgrundlagen für die Verantwortlichen der Wasserwirtschaft: Politik, Verwaltung und Versorgungs- und Entwässerungsbetriebe. KI-basierte Software und datengestützte Prognose-Modelle spielen dabei eine wichtige Rolle. An Hilfsmitteln können die Wissenschaftler:innen zum Beispiel „Frühwarnsysteme“ für Überschwemmungen und Hitzebelastungen beisteuern. Ein konkretes Projekt zur „adressenspezifischen Information zu Hochwasser- und Starkregengefahren“ ist bereits in Arbeit. Die Wasserbetriebe, neben der Technologiestiftung Berlin Träger des KWB, freuen sich über die „Altersvorsorge für Abwasserkanäle“ – eine KI, die anhand von Daten den Zustand des betagten Kanalnetzes beschreibt und „Hotspots“ lokalisiert, wo dringend saniert werden sollte.
Die faszinierende Mathematik des Wassers
Die gebürtige Französin Rouault kam einst über das Erasmus-Programm der EU nach Berlin und verliebte sich, nicht nur in die Stadt. „Ich bin ein Nachweis dafür, dass die Erasmus-Programme wirksam sind: Meine Kinder sind Teil der eine Million Kinder aus Erasmus-Beziehungen.“
Pascale Rouault hatte zunächst Mathematik studiert, „vielleicht nur, um zu zeigen, dass Frauen das auch können“, wie sie bei ihrer internen Vorstellung im KWB sagte. Aber sie merkte schnell: Am spannendsten war die Mathematik für sie, wenn sie sich auf Fragen des Wassers anwenden ließ. „Von da an gab es kein Halten mehr: Ich habe mich voll auf Wasserwirtschaft fokussiert.“ Rouault studierte in Grenoble „Wasserwesen“, promovierte an der Technischen Universität im „Konstruktiven Wasserbau“, außerdem schwimmt und segelt sie gerne – mehr Wasserkompetenz geht kaum.
Seit 2006 beschäftigt Rouault sich hauptsächlich mit der Weiterentwicklung von Entwässerungssystemen und dem dazugehörigen Gewässerschutz im urbanen Bereich und war bereits ab 2007 bis 2022 am KWB tätig, zuletzt als Abteilungsleiterin und Prokuristin. Vor zwei Jahren folgte Rouault einem Ruf an die Elbe, dort leitete sie die Abteilung Wasserwirtschaft und Quartiersentwicklung der Hamburger Wasserwerke. Eigentlich viel zu kurz, sagt sie, aber die Chance, das KWB zu leiten, wollte sie doch nicht einfach verstreichen lassen.
Das nächste große Thema: Wiederverwendung von Wasser
Die „wassersensible Stadtentwicklung“ habe Hamburg etwas früher entdeckt als Berlin, inzwischen sei man an der Spree aber aufgewacht und agiere auf Augenhöhe, sagt die Ingenieurin. Das Thema Schwammstadt, also die Versickerung von Regenwasser statt Ableitung in die Flüsse, wird bereits vom nächsten großen Thema abgelöst: die Wiederverwendung von bereits genutztem Wasser. „In Deutschland ist die Wiederverwendung von Wasser in der Praxis noch kein großes Thema, in anderen Ländern wie Spanien schon“, sagt Rouault. Das Land kämpft derzeit mit schweren Dürren und Trinkwassermangel. Mit den Universitäten dort sei man im engen Austausch über mögliche Lösungen.
An ihrer alten und zugleich neuen Wirkungsstätte in Berlin freut sie sich darüber, „in meinem direkten Umfeld zu forschen, die Stadt mitzugestalten und weiterzuentwickeln“, sagt Rouault. Dabei reizt sie vor allem die holistische Perspektive ihrer Arbeit. Dass sie an integrierten Themen arbeiten kann – besonders auch mit Menschen, die anders denken oder handeln als sie selbst. „Mir war von Anfang an bewusst, dass Wasser nur Teil eines größeren Systems ist, dass es nur in Zusammenhang mit anderen Bereichen betrachtet werden kann.“
Tief sitzende Vorbehalte gegen das Berliner Trinkwasser auszuräumen, erwies sich für die Französin allerdings als Sisyphus-Job. Als ihre Tochter klein war, gaben die Erzieher nur gesüßten Tee aus statt normalen Leitungswassers. Da könnten ja Schwermetalle drin sein, hieß es.
Rouault ließ das Wasser analysieren, erwartungsgemäß mit besten Ergebnissen. Die Kita gab anschließend freudig bekannt, nun könne der Tee bedenkenlos mit Leitungswasser gekocht werden – „ich durfte drei weitere Jahre Wasserflaschen in die Kita schleppen“, zur zuckerfreien Versorgung ihrer Tochter.
Ein Beispiel, das aus ihrer Sicht zeigt, wie wichtig die breite Aufklärung in Bezug auf Wasser auch im Alltag ist – inklusive der Botschaft, „dass Wasser eine fragile und vulnerable Ressource sind, die wir schützen müssen“. Thomas Loy, Danuta Szarek-Raabe
Wer rettet das Klima? Die Politik oder die/der Einzelne?
Alle zusammen! Das macht die Aufgabe so interessant und vielfältig, aber auch anspruchsvoll.
Auf welchen Flug würden Sie nie verzichten?
Auf den Flug zu meiner Familie, wenn jemand dringend Hilfe benötigt.
Wer in der Energie- und Klimawelt hat Sie beeindruckt?
Alle, die seit Jahren an dem Thema Klimaanpassung in Verbindung mit der Schwammstadt arbeiten, lange bevor es in aller Munde war. Ich bin häufig auch von der Bürgermeisterin von Paris, Anne Hidalgo, begeistert. Die Stadt verändert sich mit einer beeindruckenden Geschwindigkeit.
Welche Idee gibt der Energiewende neuen Schwung?
Klimabilanzen nach Scope 3! Scope 3 ist eine Methode zur Berichterstattung von Treibhausgasemissionen, die die gesamte Wertschöpfungskette eines Unternehmens berücksichtigt. Dadurch werden die Verknüpfungen innerhalb der Industrie deutlich, aber auch die gemeinsame Verantwortung für die Klimaziele. Für den Wassersektor erarbeiten wir am KWB gerade eine passende Methodik: eine anspruchsvolle Aufgabe, aber nur so schaffen wir Transparenz, um unsere ambitionierten Klimaschutzziele zu erreichen!