Netzentgelte Sorge vor Einspeiseentgelten in der Speicherbranche
Bei Betreibern von Batteriespeichern geht die Sorge vor der Belastung mit Netzentgelten um. Damit wäre ein wirtschaftlicher Betrieb nicht mehr möglich. Dabei könnten die Speicher durchaus von dynamischen Netzentgelten profitieren, so eine neue Studie. Und zwar, in dem sie in Zeiten geringer Nachfrage negative Netzentgelte erhalten.
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Jetzt kostenfrei testenDass die Bundesnetzagentur (BNetzA) erwägt, Batteriespeicher künftig mit Netzentgelten zu belasten, sorgt in der Branche für Nervosität. „Wenn solche Einspeiseentgelte kommen, würde das die Margen so weit reduzieren, dass keine Gewinne mehr bleiben“, sagte Lennart Freese, Referent für Recht beim Bundesverband Energiespeicher Systeme e.V. (BVES) gegenüber Tagesspiegel Background. Es bestehe die Sorge, dass in diesem Fall eine Kilowattstunde in Deutschland vierfach belastet werde: bei Erzeugung, bei Speicherung, bei der Ausspeisung und beim Verbrauch. Schon jetzt seien die Margen nicht besonders üppig.
Dabei plant die BNetzA schon an anderer Stelle, Speichern finanzielle Vorteile zu nehmen. Es geht um die geplante Abschaffung der Vergütung für vermiedene Netzentgelte. So gibt es die Vergütung bisher für alle Anlagen, die an ein Verteilnetz angeschlossen sind, also unterhalb der Hochspannungsebene. Dabei handele es sich vor allem um Erdgas (46 Prozent), Mineralölprodukte (zwölf Prozent), Biomasse (efl Prozent) und Speicher (neun Prozent). Betroffen dürften laut BVES knapp ein GW an Großspeichern sein, die künftig keine Vergütung mehr erhalten.
Die BNetzA hatte Ende April vorgeschlagen, die Vergütung für vermiedene Netzentgelte bis 2029 auslaufen zu lassen (Tagesspiegel Background berichtete). Diese Zahlungen machen vier bis fünf Prozent der Netzentgelte der Stromkunden aus.
Lokaler Verbrauch kann Netze entlasten
Gegen diese Abschaffung hatte der Verband bisher keine Einwände, auch wenn die Zahlungen „eine erfreuliche Anerkennung für die Leistung von Batteriespeichern in den Verteilnetzen“ darstellten, wie Gerrit Lühring sagt, Referent Politik und Regulierung beim BVES. Für den wirtschaftlichen Betrieb sei dieser Beitrag nicht nötig. „Speicher wollen keine Subventionen, sondern können am Markt wirtschaftlich sein.“
Laut der BNetzA lasse sich eine „Einsparung von Netzinfrastrukturkosten aufgrund von dezentralen Kraftwerken erneuerbarer oder konventioneller Art nach 10 Jahren Netzentwicklungsplanung nicht feststellen“. Die ursprüngliche Annahme sei gewesen, dass durch dezentralen Verbrauch des lokal produzierten Stroms auf die übergeordnete Netzebene nicht zugegriffen werden müsse. Das sei sogar teilweise zutreffend, schreibt die Behörde, die deshalb auch eine künftige Förderung nicht grundsätzlich ablehnt. „Erforderliche Förderungen“ sollten aber „technologiespezifisch gezielt und ohne Wirkung auf die lokalen Netzentgelte“ vorgenommen werden.
Dem stimmt Max Kleinebrahm, Forschungsleiter Energy Demand & Mobility beim Karlsruher Institut für Technologie (KIT), zu. „Die pauschale Aussage, dass lokale Erzeugung nie Netzausbau spart, ist zu grob.” In einem statisch geplanten Netz sei dieser Effekt gleichwohl oft nur gering. „Aber in einem dynamisch geführten, digitalisierten Netz kann gezielter lokaler Verbrauch sehr wohl Netze entlasten, wenn er durch geeignete Preissignale gefördert wird“, so Kleinebrahm weiter.
Wie dies aussehen könnte, dem nähern sich Forschende des KIT, anderer Institute und Unternehmen in einer neuen Studie unter Leitung der Albert-Ludwig-Universität Freiburg an. Hintergrund ist, dass dynamische Netzentgelte, die die akute Lage im Stromnetz monetarisieren, Preissignale senden für „optimale Investitionen in das Netz sowie in Erzeugung und Verbrauch“.
Negative Netzentgelte als Erlöskomponente für Speicher
„Dynamische Netzentgelte orientieren sich an der Situation im Stromnetz“, so Studienautor und KIT-Wissenschaftler Wolf Fichtner zu Tagesspiegel Background. „Ist das Netz stark ausgelastet und die Netzsituation durch eine hohe Nachfrage determiniert, ergeben sich hohe Netzentgelte, die von den Verbrauchern zu zahlen sind.“ Wenn die Netzsituation hingegen dadurch geprägt sei, dass mehr eingespeist als nachgefragt wird, ließe sich durch negative Netzentgelte zusätzlicher Verbrauch inzentivieren. Flexible Endverbraucher und Speicherbetreiber könnten dann diese Entgelte beanspruchen.
BVES-Mann Gerrit Lühring hofft derweil darauf, dass ein Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH) zu vermiedenen Netzentgelten von Ende 2024 in Zukunft für die Branche an anderer Stelle Verbesserungen liefert. In dem Fall hatte ein Betreiber eines fünf MW-Batteriespeichers auf die Zahlung einer Vergütung für vermiedene Netzentgelte geklagt, die der Verteilnetzbetreiber verweigert hatte. Nicht nur hatte der BGH der Klage stattgegeben, er hatte dort Batteriespeicher auch als Erzeugungsanlagen eingestuft.
Wörtlich heißt es: „Stromspeicher, die dem Netz elektrische Energie entnehmen, zur Speicherung in eine andere Energieform umwandeln und diese zu einem späteren Zeitpunkt wieder in elektrische Energie rückumwandeln und in das Netz einspeisen, sind Erzeugungsanlagen im Sinn von § 18 Abs. 1 Satz 1 StromNEV (Stromnetzentgeltverordnung).“
Dieses Urteil könne in Zukunft neuen Großspeichern Millionen an Kosten sparen, so Lühring. Denn derzeit müssten neue Großspeicher noch Baukostenzuschüsse für den Netzausbau bezahlen. „Das sind rund 60 Millionen Euro bei einem 300 MW Projekt“, rechnet er vor. Das legt die Kraftnetzanschlussverordnung (KraftNAV) für Verbraucher fest. Mit der BGH-Entscheidung greife für Speicher als Erzeugungsanlagen ein anderer Passus. Ab 100 Megawatt Leistung und Anschluss an ein 110 kV-Netz müssen sie keine Baukostenzuschüsse mehr leisten. Außerdem erfolge der Netzanschluss vorrangig und bei engen zeitlichen Fristen.
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