Uwe Knickrehms beruflicher Werdegang lässt sich nicht schnell zusammenfassen. Auf die Frage, was er denn studiert hat, lacht der heutige Geschäftsführer des Bundesverbands der Windparkbetreiber Offshore. „Ich bin erst mit 40 in das normale Berufsleben eingestiegen“, erzählt er. Eigentlich hatte er an der Universität Hamburg Lehramt für Sozialkunde studiert, einen Beruf, den er nie ausführen sollte. „Nach meinem zweiten Staatsexamen war ich Studentenfunktionär und habe davon mehr schlecht als recht, gelebt“, erinnert er sich.
Karriere machte er dann zunächst als Vorsitzendes Vorstandsmitglied der Vereinigten Deutschen Studentenschaften, als Vorsitzender des Marxistischen Studentenbunds Spartakus sowie als Spitzenfunktionär der Deutschen Kommunistischen Partei. Eine Tätigkeit, die Uwe Knickrehm heute als den „schandhaften Teil“ seiner Biografie bezeichnet.
In die freie Wirtschaft stieg Knickrehm zuerst als Gründer einer IT-Vertriebsfirma für Laptops ein, bis er sich als Angestellter im Bundestag wieder in politischen Kreisen wiederfand. Selbst parteilos, arbeitete Knickrehm für zwei Grünen-Abgeordnete. Zuerst im Büro der damaligen Staatsministerin des Auswertigen Amts, Kerstin Müller, danach bei der Abgeordneten Ulrike Höfken. Dann tat sich für Knickrehm eine Chance in einem neuen Berufsfeld auf, welches er mit dem Begriff „Lobbying“ als nur unzureichend beschrieben sieht.
„EnBW suchte jemanden, der Kontakte zum rot-grünen Milieu hatte“ erinnert er sich. Knickrehm wurde angestellt. „Ich kannte aus meiner wilden Studentenzeit noch jede Menge Leute“, erzählt er. „Zum Beispiel auch den ehemaligen Juso-Chef Gerhard Schröder, der mich mal in einem Hausfriedensbruch-Prozess vertreten hatte.“
Zwölf Jahre lang kümmerte sich Uwe Knickrehm im Lobbying von EnBW um den Emmissionshandel sowie um alle Fragen zu den erneuerbaren Energien. Nach seinem regulären Renteneintritt vor sechs Jahren blieb er als Berater tätig und vertrat EnBW unter anderem im Rahmen des heutigen Bundesverbands Windparkbetreiber Offshore e.V. Anderthalb Jahre später wurde er Geschäftsführer des BWO, der bis vor kurzem Arbeitsgemeinschaft Offshore-Windenergie (AGOW) hieß.
Heute tut Knickrehm wieder das, was er am besten kann: Mit politischen Akteuren kommunizieren. Eine der größten Herausforderungen in seiner Tätigkeit als Geschäftsführer sieht er dabei darin, von diesen überhaupt wahrgenommen zu werden. Eine Kontaktaufnahme zu Politikern aus dem Wirtschaftsbereich sei schwierig, erzählt Knickrehm.
Und das, obwohl die Offshore-Branche enorm von den Entscheidungen politischer Entscheidungsträgern abhängt. Denn die Flächen auf denen Windparks errichtet werden, müssen zuerst von der Regierung ausgeschrieben werden. Werden keine Flächen ausgeschrieben, so können auch keine Windparks gebaut werden. „Lobbying hat nicht unbedingt einen guten Ruf“, räumt der Geschäftsführer des BWO ein. „Aber es handelt sich um wirtschaftlich bedeutende Akteure, die da jeweils dahinterstehen. Und die Politik sollte sich mit diesen schon auseinandersetzen."
Die nächste Flächenausschreibung für Offshore-Windparks ist für 2021 geplant. Eine Verzögerung, welche laut Knickrehm größtenteils bürokratischer Natur ist und unter der besonders die Zulieferindustrie leide. Momentan sind alle Windparkbetreiber Deutschlands beim BWO Mitglied. Fast alle sind auch in anderen, weltweit aufstrebenden Märkten aktiv. „Wollen wir, dass hier in Deutschland investiert wird oder lieber in Taiwan?" ist die Frage, die Knickrehm hinsichtlich der erschwerten Situation in Deutschland stellt.
Er fordert vor allem die Wirtschaftspolitiker auf, enger mit der Industrie zusammenzuarbeiten. Auch, um das im Koalitionsvertag bis 2030 gesetzte Ziel von 65 Prozent erneuerbarer Energien im Stromverbrauch zu realisieren. Bislang ist hierfür ein Ausbau der Offshore-Windkraft auf 15 Gigawatt vorgesehen. Laut Uwe Knickrehm sind mindestens 20 GW erforderlich. Ein Ziel, das der Geschäftsführer als durchaus umsetzbar betrachtet. Problematisch könnten laut Knickrehm nur die bestehenden Netzengpässe werden.
Sollte bis 2030 der Strom jedoch nicht vollständig in die Stromleitungen Süddeutschlands transportiert werden, könne die erzeugte Windenergie an anderen Stellen Lücken füllen. Beispielsweise in Form von grünem Wasserstoff. Dessen Erzeugung sei zunächst an Land wichtig, könne jedoch in ferner Zukunft auch direkt auf hoher See erfolgen und dort direkt als Treibstoff für Schiffe Verwendung finden. Für Uwe Knickrehm sind diese Innovationen notwendig, um nachhaltigen Klimaschutz zu betreiben.
Dass Windenergie trotz allem in der Bevölkerung nicht immer auf volle Akzeptanz stößt, versteht der Geschäftsführer nur bedingt. Neben ästhetischen Unstimmigkeiten fällt die Offshore-Windenergie oft in die Kritik, wenn es um das Thema Naturschutz geht. „Wir tun unheimlich viel, um die Natur zu schützen, wir haben sehr strenge Auflagen“ versichert Knickrehm. Bei der Errichtung der Windparks wird laut dem BWO-Geschäftsführer strikt auf die Vermeidung hoher Lärmbelastungen geachtet, was sogar zu einer Bildung neuer Biotope in den Windparks führe.
Auch im Luftraum werde streng darauf geachtet, Vogelpopulationen so gut es gehe zu schützen. „Die Branche ist zwar einerseits eine Großindustrie, auf der anderen Seite aber auch erneuerbare Energie“, betont Knickrehm abschließend. „Die Menschen, die in dieser Branche arbeiten haben meistens nicht nur einen Zugang zu der Stromerzeugung, sondern im weitesten Sinne auch einen ökologischen Zugang. Ansonsten würden wir das hier nicht machen.“ Theresa Gunkel
Wer ist Ihr Stromversorger, warum gerade dieser?
Vattenfall mit einem ihrer Ökotarife. Ich habe nichts gegen
große Energieversorger, sondern glaube im Gegenteil, dass die Energiewende nur
zusammen mit der Industrie erfolgen kann.
Was müsste passieren, damit Sie ein E-Auto kaufen?
Ich hatte schon mal ein E-Auto, habe das dann jedoch
verkauft, da ich aus familiären Gründen viele Langstrecken fahren musste.
Wer aus der Energie- und Umweltszene hat Sie beeindruckt?
Zum einen Elon Musk. Es gibt kaum eine Einzelperson, die
einen kompletten Sektor so verändert hat wie er den Verkehr. Zum zweiten meine
geschiedene Frau und Mutter meiner Tochter, Michaele Husted, die maßgeblich für
die Erfassung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes verantwortlich und die die
erste Person in Deutschland war, deren Haushalt ausschließlich mit grünem Strom
versorgt wurde.
Welche Energie-Innovation der vergangenen Jahre war für Sie
die wichtigste? Welche würden Sie sich wünschen?
Wichtig war für mich die Einführung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes
in Deutschland. Ich wünsche mir, dass es in der Entwicklung für die Speicherung
von grünem Gas schnellere Fortschritte gibt, da rechne ich aber auch bald damit.