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Sustainable Finance

Standpunkte Agrarsektor zukunftsorientiert ausrichten

Ingrid Kukuljan ist Head of Impact and Sustainable Investing sowie Lead Portfolio Manager bei Federated Hermes
Ingrid Kukuljan ist Head of Impact and Sustainable Investing sowie Lead Portfolio Manager bei Federated Hermes Foto: Federated Hermes

Innovative Flächennutzungsverfahren wie die regenerative Landwirtschaft sind von zentraler Bedeutung, um die stetig wachsende Weltbevölkerung zu ernähren und dabei die Artenvielfalt zu bewahren. Doch auch Staaten und Anleger sind gefordert, meint Ingrid Kukuljan, Head of Impact and Sustainable Investing, Lead Portfolio Manager beim internationalen Vermögensverwalter Federated Hermes.

von Ingrid Kukuljan

veröffentlicht am 19.10.2023

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Die Versorgung der Weltbevölkerung mit Nahrung geht erheblich zulasten der Artenvielfalt. Im Jahr 2022 betrug die Weltbevölkerung acht Milliarden. Diese Zahl wird bis 2050 voraussichtlich auf zehn bis zwölf Milliarden Menschen steigen. Die afrikanische Bevölkerung südlich der Sahara wird in den nächsten 50 Jahren voraussichtlich um 1,8 Milliarden Menschen zunehmen. Die restliche Weltbevölkerung dürfte im gleichen Zeitraum um 0,9 Milliarden wachsen.

Entsprechend den aktuellen Entwicklungen würden bis 2060 dreizehn subsaharische Länder das Vierfache ihrer Anbaufläche von 2010 benötigen. Einige Länder in Lateinamerika und Südostasien müssten ihre Ackerflächen mehr als verdoppeln.

Dies wiederum würde bedeuten, dass die vielfältigsten Ökosysteme der Erde – die tropischen und subtropischen Ökosysteme Asiens, Afrikas sowie Nord- und Südamerikas – einer beschleunigten landwirtschaftlichen Rodung und Fragmentierung ihrer Lebensräume ausgesetzt wären. Das würde das Risiko der Ausrottung dort lebender Säugetiere, Vögel, Insekten und Pflanzen deutlich erhöhen.

Der damit einhergehende, unausweichliche Rückgang der Artenvielfalt wird verheerende Folgen haben.

Auswirkungen von Waldrodung und industrieller Landwirtschaft

Von den rund 25.000 Arten, die laut der International Union for Conservation of Nature (IUCN) vom Aussterben bedroht sind, geht die Bedrohung bei nahezu 13.400 Arten allein auf die Rodung und Abwertung landwirtschaftlicher Flächen zurück.

Die der Ertragssteigerung dienende industrielle Landwirtschaft hat katastrophale Auswirkungen auf die Umwelt. Diese Art der Landwirtschaft begünstigt Monokulturen. Dadurch wird der Mutterboden beeinträchtigt, da ihm Nährstoffe und Mikroorganismen entzogen werden, die das gesunde Wachstum fördern und Kohlenstoff binden. Entsprechend werden mehr Chemikalien und Pestizide benötigt, die zudem durch regenbedingte Auswaschung Flüsse und Seen verschmutzen. Schätzungsweise 30 Prozent des bewirtschafteten Ackerbodens weltweit sind durch eine Übernutzung und die Verwendung anorganischer Pestizide und Düngemittel belastet.

Diese Faktoren erschweren und verteuern die Erzielung verlässlicher Erträge. Ernteausfälle sorgen regional für schwere Hungersnöte und bedingen in der Folge auf globaler Ebene Engpässe und Preisschocks.

Ist Landwirtschaft ohne Umweltschäden möglich? Erfreulicherweise lautet die Antwort „ja“. Das Praxiswissen, die Erfahrung und die Technologie sind vorhanden, doch es braucht politische und finanzielle Unterstützung, um sie in großem Maßstab nutzen zu können. Die Rede ist von der regenerativen Landwirtschaft, einem System landwirtschaftlicher Grundsätze und Verfahren zur Stärkung der Artenvielfalt, Bodenanreicherung und Verbesserung von Wasserscheiden und Ökosystemleistungen. Ziel ist es, die natürliche Fähigkeit von Böden zur Absorption und Bindung von Kohlenstoff wiederherzustellen, den Einsatz von Chemikalien zu minimieren und ein Gleichgewicht zwischen Ackerbau, Flora und Fauna sowie Forstwirtschaft zu schaffen.

Regenerative Landwirtschaft als nachhaltige Lösung

Eine Reihe von Unternehmen unterstützt die Umstellung auf eine regenerative Landwirtschaft bereits maßgeblich. Das Ziel besteht darin, den Bedarf an höheren Ernteerträgen und gesteigerter Produktivität auf nachhaltige, umweltbewusste und naturgerechte Weise zu decken.

Mit Hilfe modernster Saatguttechnologie lassen sich aktuell beispielsweise die Erträge bei Sojabohnen und Weizen in verschiedenen Wachstumsphasen und unter unterschiedlichen Anbaubedingungen, einschließlich sporadischer Dürreperioden, um durchschnittlich zehn bis 20 Prozent steigern.

Dank höherer Erträge muss weniger Neuland erschlossen und somit weniger Wald gerodet werden. Außerdem müssen zum Beispiel auf europäischen Weizen- und Maisfeldern weniger Düngemittel und Pestizide eingesetzt werden, die als Hauptursache für den Rückgang der Artenvielfalt bei Pflanzen, Käfern und Vögeln gelten.

Bei der Präzisionslandwirtschaft (Precision Farming) nutzen Landwirte neue Technologien, um Ernteerträge und Gewinne zu steigern und parallel den Bedarf an herkömmlichen Inputfaktoren für den Ackerbau wie Flächen, Dünger, Herbiziden und Wasser zu senken. Die Lösungen der modernen Präzisionslandwirtschaft helfen den Landwirten, Effizienzverbesserungen und Produktionssteigerungen zu geringeren Kosten umzusetzen, und zwar durch Produkte, die alle Anbauphasen abdecken – Pflanzung, Düngung und Ernte.

Diese Technologien werden eine wesentliche Rolle bei der Bekämpfung des Artensterbens spielen. Doch um wirklich etwas zu bewirken, ist eine intensive Zusammenarbeit zwischen der Landwirtschaft, der Industrie, dem Staat und Investoren erforderlich.

Wir halten den Globalen Biodiversitätsrahmen von Kunming-Montreal, der im Dezember 2022 in Montreal vereinbart und von 188 Staaten verabschiedet wurde, für einen ersten Schritt in die richtige Richtung. Die 23 ambitionierten Ziele verlangen unter anderem den Schutz von 30 Prozent unserer Land- und Binnengewässergebiete bis 2030 sowie eine Halbierung schädlicher Subventionen und Pestizide.

Diese Selbstverpflichtungen lassen hoffen, doch Regierungen müssen heute Maßnahmen für den Schutz und die Versorgung der Welt von morgen ergreifen – sei es durch Unterstützung neuer Technologien oder Branchen oder durch die Einführung strengerer gesetzlicher Regelungen für die Nutzung von Flächen. Auch der Finanzsektor sollte sich an der Due-Diligence-Prüfung von Umweltaspekten beteiligen.

Maßgeblich für diese Bestrebungen wird auch die UN-Klimakonferenz in Dubai 2023 (COP28) sein, bei der die Mitgliedstaaten hoffentlich wirksamere Maßnahmen und höhere Budgets zur erfolgreichen Bekämpfung des Klimawandels beschließen werden.

Der positive Einfluss von Impact Investing

Indes kommt auch institutionellen Anlegern, die durch eigene Investitionen und Instrumente für Dritte, beispielsweise Impact-Fonds, Kapital bereitstellen, eine wichtige Rolle zu. Das Global Impact Investing Network (GIIN) schätzt den Umfang des weltweiten Markts für Impact Investing, der neben finanziellen Renditen auch eine positive und messbare Wirkung auf Gesellschaft und Umwelt vorsieht, auf über eine Billion US-Dollar.

Das ist eine erhebliche Summe, die zeigt, welche Finanzkraft die Anlagebranche mobilisieren kann. Wir sind zuversichtlich, dass wir mit sofortigen konkreten Maßnahmen seitens Regierungen und Aufsichtsorganen sowie Kapitalmarkt und Unternehmen den Rückgang der Artenvielfalt aufhalten und zugleich unsere wachsende Bevölkerung ernähren können.

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