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Sustainable Finance

Standpunkte Blackrock muss ehrgeiziger werden

Anderson Lee (Foto) und Hayden Higgins sind Wissenschaftler am Sustainable Finance Center des Washingtoner World Resources Institute (WRI)
Anderson Lee (Foto) und Hayden Higgins sind Wissenschaftler am Sustainable Finance Center des Washingtoner World Resources Institute (WRI) Foto: World Resources Institute (WRI)

Der US-Fondsgigant Blackrock könnte und müsste wesentlich mehr tun, um als einer der weltweit einflussreichsten Vermögensverwalter die Wirtschaft zur Klimaneutralität zu bewegen, meinen die Wissenschaftler Anderson Lee und Hayden Higgins vom Sustainable Finance Center der Denkfabrik und Beratungsorganisation World Resources Institute (WRI).

von Anderson Lee (Foto) und Hayden Higgins

veröffentlicht am 07.04.2022

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Wenn der Vorstandsvorsitzende von Blackrock, Larry Fink, spricht, dann hört die Investmentwelt in der Regel zu. Schließlich ist Blackrock mit einem verwalteten Vermögen von zehn Billionen Dollar der größte Vermögensverwalter der Welt.

Die Details seines jährlichen Briefes an die Unternehmen zu analysieren, ist zu einer Art Ritual unter Finanzbeobachtern geworden, die wissen wollen, wo er Chancen und Risiken im nachhaltigen Geschäft sieht. In den letzten Jahren hat sich Fink auf eine wachsende Risikoklasse konzentriert – jene, die mit dem Klimawandel zusammenhängen. Verschiedene Branchen weisen unterschiedliche Klimarisikoprofile auf, aber im Laufe der Zeit wird sich der Klimawandel auf so ziemlich jede Art von Unternehmen auswirken, und Blackrock investiert in fast jeden Wirtschaftsektor.

Hier sind drei Schwerpunkte, in denen Blackrock den Standard für nachhaltige Finanzen anheben und vorankommen kann:

Erstens: Eigene Klimaziele verbessern

Unternehmen formulieren ihre Klimabemühungen immer häufiger als Ziele für Netto-Null-Emissionen bis 2050, aber die Wissenschaft sagt uns, dass kurzfristige Emissionssenkungen besonders wertvoll sind. Kritiker bezweifeln, dass eine drei Jahrzehnte entfernte Frist die notorisch kurzsichtigen Unternehmen motivieren wird.

Kurz- und mittelfristige Ziele für 2025 und in Fünf-Jahres-Schritten, wie die im diesjährigen Brief erwähnten, können helfen, solche Zweifel zu zerstreuen. Blackrock selbst hat sich aber 2021 nur dazu verpflichtet, bis 2050 Netto-Null-Emissionen zu erreichen. Da Blackrock von den Unternehmen kurzfristige Ziele anfordert, sollte die Fondsgesellschaft mit gutem Beispiel vorangehen und sich als Mitglied der Net Zero Asset Managers Initiative so bald wie möglich ein robustes kurzfristiges Ziel setzen – zumal sie sich selbst als Klimavorreiter der Finanzbranche präsentiert.

Zweitens: Einfluss nutzen, um bei Unternehmen Veränderungen anzustoßen

Riesige Vermögensverwalter wie Blackrock, State Street und Vanguard neigen aufgrund ihres Geschäftsmodells und ihrer Rolle im Finanzsystem dazu, ein Engagement als Aktionär einem Desinvestment vorzuziehen. Als „Universaleigentümer“ verfügen sie sowohl über die Diversifizierung, die sie besonders besorgt über systemische Risiken macht, als auch über genügend Aktienanteile, um von den großen Unternehmen ernst genommen zu werden. Engagement und Desinvestition könnten am besten funktionieren, wenn beides auf dem Tisch liegt – aber wenn Desinvestment tabu ist, wie Fink angedeutet hat, muss Blackrock seine Engagement-Anstrengungen verstärken, damit sie effektiv werden.

Der Vermögensverwalter sollte seine Erwartungen an Unternehmen erhöhen und klarere Grenzwerte für sein eigenes Abstimmungsverhalten festlegen. Zudem sollte er Klimaresolutionen von anderen Aktionären stärker unterstützen und dabei wissenschaftsbasiert vorgehen – insbesondere bei fossilen Energieträgern, zu denen die Internationale Energieagentur IEA sagt: „Kein Investment in neue Kohle-, Öl-, oder Gasförderung“ sei konsistent mit dem Weg Klimaneutralität bis 2050.

Wie kann Blackrock den Druck auf Unternehmen erhöhen, die Aktionärsbedenken hinsichtlich Nachhaltigkeit ignorieren? Kollektiver Druck kann helfen. Investorenkoalitionen können rückwärtsgewandte Führungskräfte verdrängen und sich politisch engagieren, indem sie die Umsetzung der Empfehlungen von der Task Force on Climate-Related Financial Disclosures TCFD und neue regulatorische Rahmenbedingungen für die Offenlegung unterstützen. Blackrock hat ein starkes materielles Interesse an der Dekarbonisierung von Unternehmen – denn andernfalls könnte es große Verluste durch gestrandete Vermögenswerte erleiden.

Drittens: Kunden befähigen zu Wahlmöglichkeiten bei Abstimmungen und Produkten

Ein Teil der Nachhaltigkeitsbemühungen des Unternehmens sollte sich darauf konzentrieren, seine Kunden in die Lage zu versetzen, beim Klimaschutz schneller voranzukommen. Um dies zu erreichen, wird Blackrock institutionellen Anlegern und Pensionsfonds mehr Stimmrechtsoptionen einräumen, die diesen Vermögensinhabern eine klare, direkte Möglichkeit geben, ihre Macht als Aktionäre zu nutzen.

Der Konzern muss auch mehr nachhaltige Anlageprodukte anbieten, die Dekarbonisierungsziele beinhalten und stark genug sind, um die wachsenden Bedenken über Greenwashing zu zerstreuen, gegen das auch Blackrock nicht immun ist.

Neuausrichtung der Diskussion auf doppelte Materialität

Fink betrachtet den Klimawandel als ein Geschäftsrisiko und für diejenigen, die klug genug sind, auch als eine Geschäftsmöglichkeit. Diese Sichtweise ist an der Wall Street zunehmend üblich, aber sie ist nicht die ganze Geschichte. So sehr der Klimawandel die Wirtschaft beeinflussen wird, so sehr beeinflusst die Wirtschaft auch das Klima.

Diese doppelte Materialität darf in der Aufregung um nachhaltige Investitionen nicht untergehen. Eine Schlüsselfrage ist, ob Fink und seine Wettbewerber die realen Auswirkungen ihrer Investitionen anerkennen und die Wege, in der die Finanzwelt mit der Regierung, der Zivilgesellschaft und den Gemeinschaften zusammenarbeiten muss, um den Übergang zu beschleunigen und zu erleichtern – ein Weg, der von den Frontlinien der Klimakrise aus holpriger sein wird als von den Kommandohöhen der Wirtschaft aus.

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