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Sustainable Finance

Standpunkte Europäische Standards, aber mit Augenmaß!

Markus Ferber, Mitglied des Europäischen Parlaments, CSU/EVP-Fraktion
Markus Ferber, Mitglied des Europäischen Parlaments, CSU/EVP-Fraktion Foto: Markus Ferber

EU-Taxonomie ja, aber nicht als das zentrale Lenkungsinstrument der Umwelt- und Wirtschaftspolitik – so will der langjährige Europapolitiker der CSU, Markus Ferber, das Kernstück der europäischen Sustainable-Finance-Strategie verortet sehen. Und begründet im Standpunkt, warum Brüssel der Wirtschaft nicht zu viel in Sachen Klimaschutz vorschreiben darf.

von Markus Ferber

veröffentlicht am 16.09.2021

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Nachhaltigkeit ist im Zentrum der politischen und gesellschaftlichen Debatte angekommen. Da der Finanzsektor eine besondere Rolle im gesamtwirtschaftlichen Gefüge einnimmt, wird ihm im politischen Diskurs oftmals eine besonders wichtige Rolle bei der Erreichung unserer Nachhaltigkeitsziele zugeschrieben.

Dabei gibt es mitunter ganz unterschiedliche Vorstellungen davon, was der Finanzsektor leisten kann und soll. Die Vorstellungen reichen vom Überbrücken von Informationsasymmetrien in einem bisweilen unübersichtlichen Markt bis hin zu einer klaren Lenkungswirkung hin zu „grünen“ und damit guten und weg von „braunen“ – und damit schlechten Wirtschaftszweigen. Das letztgenannte Extrem grenzt dabei schon fast an staatliche Planwirtschaft.

Die reinen Marktkräfte führen nicht immer zum optimalen Ergebnis

Klar ist: Es gibt am Markt sowohl bei Privatinvestoren als auch bei institutionellen Anlegern eine steigende Nachfrage nach nachhaltigen Finanzprodukten und nach verlässlichen Informationen über ebensolche Finanzprodukte. Diese Nachfrage kann genutzt werden, um die bestehenden Investitionslücken bei der Umsetzung der Klima- und Energieziele zumindest teilweise zu schließen.

Regulierung im Bereich Sustainable Finance geht jedoch immer mit Markteingriffen einher. Aus ordnungspolitischer Sicht muss man sich also die Frage stellen, ob und inwiefern ein Markteingriff gerechtfertigt ist. Im Bereich der Umwelt- und Klimapolitik gibt es traditionell Faktoren wie negative externe Effekte und die Orientierung am kurzfristigen Gewinndenken die nachhaltigem Wirtschaften im Wege stehen. Die reinen Marktkräfte führen nicht immer zum optimalen Ergebnis.

Daher gibt es in diesem Bereich durchaus eine Rolle für einen staatlich vorgegebenen Ordnungsrahmen. Das ist auch ein Konzept, das mit den Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft gut zu vereinbaren ist. Ein Beispiel dafür ist die grundsätzliche Frage nach Standards dafür, was überhaupt als ein nachhaltiges Investment zu verstehen ist. Es kursieren derzeit viele unterschiedliche Standards, Ratings und Zertifizierungen, denen jeweils eine sehr spezifische Nachhaltigkeitsdefinition zugrunde liegt, die sich in der Praxis aber oftmals nur schwer miteinander vergleichen lassen.

Kluge Regulierung grenzt Informationsasymmetrien ein

Dieses Nebeneinander von konkurrierenden Standards macht Investoren das Leben schwer und öffnet „Greenwashing“ Tür und Tor. Hier haben wir ein klassisches Beispiel für Informationsasymmetrien im Markt, die sich mittels kluger Regulierung zumindest eingrenzen lassen und damit womöglich zu gesamtgesellschaftlich wünschenswerteren Ergebnissen führen.

Damit nachhaltige Finanzierung funktionieren kann, braucht es ein verlässliches und pragmatisches Regelwerk, das nicht auf grüner Ideologie, sondern auf gesundem Menschenverstand basiert. Anstatt auf plumpe Verbote zu setzen, gilt es im Rahmen eines kohärenten ordnungspolitischen Ansatzes marktkonforme Mechanismen zu identifizieren, die die richtige Anreizwirkung entfalten und die marktseitigen Entwicklungen flankieren.

Damit dieser Rahmen tatsächlich seine Wirkung entfalten und zu einer effizienteren Ressourcenallokation beitragen kann, ist es entscheidend, dass dieses Rahmenwerk auf der europäischen Ebene geschaffen wird. Nur so lässt sich am Ende europaweit Klarheit und Vergleichbarkeit für Investoren schaffen, was auch den grundsätzlichen Zielen der Europäischen Union zur Stärkung der Kapitalmarktunion entspricht. Der Versuch, eine einheitliche und verbindliche Definition von ökologischer Nachhaltigkeit über die so genannte Taxonomie-Verordnung zu schaffen, ist ein Schritt in genau diese Richtung.

Der „Brüssel-Effekt“ stellt sich nur mit dem richtigen Ambitionsniveau ein

Wenn es einheitliche europäische Standards gibt, die sich für Investoren als nützlich herausstellen und deshalb von einer kritischen Masse von Marktteilnehmern genutzt werden, gibt es auch gute Chancen, dass ebendiese europäischen Standards zur Blaupause für den internationalen Markt werden. Das gilt umso mehr, als das Thema nachhaltige Finanzierung auch im US-amerikanischen und in den asiatischen Märkten immer mehr an Bedeutung gewinnt. Es gibt also durchaus einen Business Case für Sustainable Finance.

Dieser „Brüssel-Effekt“, den wir schon in anderen Bereichen beobachten konnten, wird sich aber nur einstellen, wenn die gemeinsamen Standards aus Marktsicht sinnvoll sind, das richtige Ambitionsniveau treffen, sich als in der Praxis umsetzbar erweisen und deshalb auch von einer großen Zahl an Marktteilnehmern angenommen werden. Das bedeutet auch, dass die einschlägigen Schwellenwerte so gesetzt werden müssen, dass sie auch die Nutzung von Übergangstechnologien erlauben.

Wir sollten uns als Europäische Union auf ein gemeinsames Vorgehen einigen

Die Grundvoraussetzung dafür ist jedoch, dass wir uns als Europäische Union auf ein gemeinsames Vorgehen einigen können. Denn wenn wir 27 nationale Standards für nachhaltige Finanzierung entwerfen, sorgen wir für Zersplitterung und verspielen die Vorteile eines gemeinsamen europäischen Marktes. Viele Vorstöße der nationalen Gesetzgeber und Aufsichtsbehörden, die die Entwicklung nachhaltiger Kapitalmärkte mit großem Elan vorantreiben, sind deshalb leider am Ende eher kontraproduktiv. Sie sorgen im Ergebnis nämlich oft für Widersprüche und Dopplungen im Vergleich zu den Arbeiten auf europäischer Ebene. Dies macht es selbst Finanzmarktakteuren, die eigentlich willens sind, das Thema aktiv voranzutreiben, unnötig schwer.

Stattdessen sollten wir uns auf eine gemeinsame europäische Agenda zur nachhaltigen Finanzierung verständigen. Die Taxonomie als gemeinsamer Referenzpunkt und Fundament der Strategie zur nachhaltigen Finanzierung ist hierfür der richtige erste Schritt und kann als Grundlage für weitere Initiativen (etwa für einheitliche Standards für grüne Anleihen) dienen. Als Grundprinzipien für die europäischen Arbeiten sollten dabei Verhältnismäßigkeit, Freiwilligkeit und eine enge Abstimmung mit den betroffenen Marktteilnehmern gelten.

Eine effiziente CO2-Bepreisung sorgt für klimapolitische Lenkungswirkung

Aus diesen Grundprinzipien leitet sich dann auch wiederum ab, was die Taxonomie nicht leisten kann und wofür sie nicht missbraucht werden sollte. Die Taxonomie ist ein Klassifizierungs- und Informationsinstrument, das es Anlegern erleichtern kann, informierte Investitionsentscheidungen zu treffen. Die Taxonomie ist kein Instrument, um Umwelt- oder Industriepolitik mit anderen Mitteln zu machen. Es wäre entsprechend ein Fehler, das gesamte europäische Wirtschaftsmodell an der Taxonomie auszurichten.

Um eine klimapolitische Lenkungswirkung zu erzielen, haben wir geeignetere Instrumente wie etwa das Emissionshandelssystem. Die klimapolitische Lenkungswirkung selbst muss über eine effiziente CO2-Bepreisung zustande kommen. Wenn ein bestimmter CO2-Preis Investitionen in nachhaltige Projekte auslöst, können Instrumente der nachhaltigen Finanzierung wie etwa die Taxonomie dazu beitragen, dass Kapital und Projekte zusammenfinden.

Wenn wir uns diese Prinzipien zu Herzen nehmen, kann die Taxonomie als freiwilliges Instrument einen wichtigen Beitrag für ein nachhaltigeres Wirtschaftsmodell leisten.

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