Mit der Green Asset Ratio (GAR) wurde eine Kennzahl geschaffen, die es Anlegern und Investoren ermöglichen soll, den Anteil nachhaltiger Aktivitäten eines Instituts auf einen Blick zu erfassen. Die Politik hat den Banken und Sparkassen bei Finanzierungen damit auf der Grundlage der Taxonomie eine zentrale wirtschaftspolitische Steuerungsfunktion zugeordnet. Jetzt muss sie Banken und Sparkassen aber auch in die Lage versetzen, diese Funktion erfüllen zu können. Die Taxonomie ist sicher gut gemeint, jedoch nicht gut gemacht, da sie vollkommen über das Ziel hinausschießt. Die Taxonomie und die unzähligen technischen Standards sind weder für Unternehmen noch für Banken und Sparkassen zu bewältigen. Zudem sind sie nicht ganz widerspruchsfrei. Die Institute der Sparkassen-Finanzgruppe fordern deshalb eine Reform der GAR, die praxisnäher und zukunftsorientierter werden muss, sowie der zugrundeliegenden Taxonomie-Verordnung, die erheblich zu verschlanken ist. Denn alle von uns wollen eine nachhaltigere Welt – aber dabei nicht in Bürokratie versinken.
Viele nachhaltigen Finanzierungen werden nicht erfasst
Zurzeit müssen alle großen realwirtschaftlichen Unternehmen sämtliche Investitionen vollständig mit Blick auf die Taxonomie analysieren und unter anderem ihren „grünen“ Investitionsanteil der Öffentlichkeit offenlegen. Diese und alle anderen grünen Investitionen müssen dann ins Verhältnis zu allen Investitionen des Unternehmens gesetzt und berichtet werden. Dieses Verhältnis ist die Green Capex Ratio. Anleger können diese Kennzahl dann in ihre Investitionsentscheidungen einfließen lassen. Doch der Teufel liegt wie so oft im Detail.
Zum Beispiel kann der Neubau einer Windkraftanlage für einen Stromproduzenten grün sein, die Investition in einen fossil angetriebenen Fuhrpark dagegen nicht. Sparkassen und Landesbanken sind die Finanzierer des Mittelstandes. Zu den häufigen Projekten gehören neben Immobilienfinanzierungen regelmäßig auch Windkraftanlagen, unzweifelhaft grüne Vermögenswerte. Doch dürfen Kreditinstitute die Finanzierung von Windkraftanlagen nur dann in der GAR ausweisen, wenn es sich bei dem Kreditnehmer selbst um ein Unternehmen handelt, das einen Nachhaltigkeitsbericht erstellen muss. Das sind in der Regel große kapitalmarktorientierte Unternehmen. Der genannte Stromproduzent hat vielleicht die notwendige Größe. Bei den allermeisten Windenergieprojekten ist dies jedoch nicht gegeben, und damit dürfen diese derzeit nicht in die GAR-Berechnung einfließen.
Grundsätzlich gilt also, dass die GAR die Finanzierung nachhaltiger Investitionen in kleinen und mittleren Unternehmen nicht berücksichtigt. Für die deutsche Wirtschaft, die ihre besondere Kraft vor allem aus kleinen und mittleren Unternehmen schöpft, und für die sie finanzierende Kreditwirtschaft sind diese Einschränkungen extrem nachteilig.
Kleinere Kreditinstitute und Unternehmen erhalten einen Wettbewerbsnachteil
Denn die Kreditinstitute, die den Mittelstand finanzieren, werden möglicherweise strukturell niedrigere GARs aufweisen. Und das, obwohl sie nicht weniger nachhaltig sind als die Finanzierer von Großunternehmen. Es kann niemandem zugemutet werden, die von der GAR ausgeblendeten Informationen individuell zu recherchieren. Daher ist zu erwarten, dass über die GAR der Mittelstand und seine Finanzierung von Öffentlichkeit, Behörden und Bankenaufsicht als wenig nachhaltig eingestuft werden. Mehr noch: Sollten die zukünftigen Eigenmittelanforderungen eine auf der heutigen GAR basierende Begünstigung nachhaltiger Finanzierungen enthalten, können die Kreditinstitute ihren großen Kunden günstigere Konditionen anbieten als ihren kleinen Kunden, bei gleicher Nachhaltigkeit des Finanzierungsobjekts. Richten sich die Konditionen jedoch nach der Nachhaltigkeit (zusätzlich zur Bonität), würde die Eigenmittelunterlegung für kleine Institute teurer.
So oder so: die mittelständische Wirtschaft wäre akut bedroht. Die theoretisch naheliegende Lösung, auch kleine und mittlere Unternehmen auf die Anwendung der Taxonomie-Verordnung zu verpflichten, verbietet sich von selbst wegen des überbordenden Aufwands. Damit machen wir unsere Welt nicht nachhaltiger. Im Gegenteil, wir nutzen wertvolle Ressourcen für Bürokratie und nicht für die dringend notwendige Transformation.
Eine Taxonomie light würde viele Probleme lösen
Hier muss der EU-Gesetzgeber nachbessern. Die Taxonomie-Verordnung muss deutlich einfacher werden. Es gilt, das Pareto-Prinzip zu berücksichtigen, nach dem mit 20 Prozent des Aufwands bereits 80 Prozent der Leistung, in diesem Fall der genauen nachhaltigen Klassifizierung, erzielt werden kann. Es ist völlig lebensfremd, eine absolut exakte Diskriminierung zwischen nachhaltigen und nicht nachhaltigen Tätigkeiten erreichen zu wollen. Grauzonen müssen akzeptiert und Fortschritt gemessen werden. Insbesondere für kleine Unternehmen muss die Prüfung der technischen Bewertungskriterien stärker fokussiert werden. Mit einer solchen Taxonomie light werden viele kleinere Unternehmen freiwillig ihre Nachhaltigkeitsinformationen liefern und berichten. Die GAR müsste dann auch für Finanzierungen kleinerer Unternehmen gelten, wenn diese überprüfbare Nachhaltigkeitszahlen liefern.
Bei dieser Gelegenheit kann gleich ein weiterer Konstruktionsfehler der GAR behoben werden: Aktuell erfasst sie nur Investitionen in Unternehmen, die bereits nachhaltig sind. Das Ziel der EU liegt jedoch in der Finanzierung der Transformation von nicht nachhaltigen hin zu nachhaltigen Unternehmen. Dieses Ziel ist völlig richtig. Dabei muss sichergestellt werden, dass diese Finanzierungen von einer reformierten GAR beziehungsweise Taxonomie-Verordnung erfasst werden und dass zukünftige Eigenmittelanforderungen nachhaltige Finanzierungen diskriminierungsfrei berücksichtigen.
Eine reformierte GAR in Verbindung mit einer entbürokratisierten Taxonomie light ist ein guter Weg zu diesem Ziel.