Bekanntermaßen ist die erste verschriftlichte Definition nachhaltigen Wirtschaftens aus der Waldbewirtschaftung überliefert: „Im Wald ist nur so viel Holz zu schlagen wie permanent nachwächst, damit der Wald „nachhaltend“ genutzt werden kann“ – steht immerhin schon 1713 in dem Buch „Sylvicultura Oeconomica, Oder Haußwirthliche Nachricht und Naturmäßige Anweisung Zur Wilden Baum-Zucht“, das bezeichnenderweise zur Leipziger Ostermesse erschien, geschrieben von Hans Carl von Carlowitz. Dessen Familie verwaltete seit Generationen Wälder im Erzgebirge, er hatte gesehen, was es bedeuten kann, wenn man sich nicht an diese Regel hält.
Hans Carl von Carlowitz wurde als Autor aktiv wegen einer enormen Erschöpfung der Wälder und damit auch der so wichtigen Ressource Holz durch niederschlagsarme Sommer (!), Stürme und Borkenkäferbefall sowie vor allem durch massive Übernutzung. In einem der
bedeutendsten europäischen Montanreviere hing alles am Holz, das in vielfältiger Weise für den Bergbau, zum Beispiel für den Grubenausbau und die Schmelzöfen, gebraucht wurde und damit dort für die Wirtschaft existenziell war. Sehr modern forderte von Carlowitz sinngemäß, dass ein kurzfristiger Ertrag hinter den langfristigen Wirkungen zurückstehen muss.
Nachhaltigkeit nicht verinnerlicht
Diese Einsicht zur nachhaltigen Bewirtschaftung der Wälder brachte in den folgenden Jahrhunderten eine sehr deutliche Erholung, wenn auch meist in Monokulturen. In Deutschland beträgt die Waldfläche heute ungefähr ein Drittel des Staatsgebietes, nunmehr allerdings wieder rückläufig. Der Wald kann erneut nicht mehr aushalten, was die „Zivilisation“ ihm antut.
Zu wenige haben das Buch aufmerksam gelesen und das „nachhaltende“ Wirtschaften verinnerlicht. Denn was aus der dauernden Ressourcenausbeutung heute (309 Jahre später!) folgt, kann man auch an dem sogenannten „Erdüberlastungstag“ sehen. Dieser wurde für das Jahr 2021 mit dem 29. Juli berechnet. Das in diesem Sinne letzte „nachhaltige“ Wirtschaftsjahr war 1970! Seitdem beschleunigt sich der Ressourcenabbau stetig (bis auf das Pandemiejahr 2020). Nachhaltigkeit heißt jedoch – und das geht deutlich über von Carlowitz’ Definition hinaus – die Natur in ihrer ganzen Vielfalt zu bewahren und zu stärken.
Doch der Begriff „nachhaltig“ verschwimmt stattdessen in einer werbeträchtigen Floskelwelle – auch in der Finanzindustrie – und wird obendrein gerne verwendet, wenn eigentlich „beständig“ oder „lange andauernd“ gemeint ist. Aber „nachhaltig“ kommt eben so gut an, dass zum Beispiel sogar ein Rüstungsunternehmen wie Rheinmetall die Nachhaltigkeit für sich proklamiert.
Man kann ja auch „beständig“ Panzer produzieren (oder noch lange andauernd Kohle abbauen oder Wälder abholzen …). Und wenn es auch notwendig sein wird, Waffen zur Verteidigung zu haben, so wird Krieg doch sicher nie nachhaltig sein. Es ist höchste Zeit, sich wieder auf den Begriffskern zu fokussieren.
Statt Greenwashing natürliche Ressourcen wieder aufbauen
Nachhaltig wirtschaften bedeutet: Ressourcenaufbau. Und zwar in allen Lebens- und Wirtschaftsbereichen: Die Wüstenbildung müsste nicht nur gestoppt werden, sondern Acker- und Waldflächen gilt es, zurück zu gewinnen; das Artensterben müsste nicht nur beendet werden, sondern es bedarf zusätzlicher Rückzugsgebiete für bedrohte Tierarten, damit sich Populationen und Ökosysteme erholen können; nicht immer mehr (Elektro-)Fahrzeuge, sondern ein Neudenken der Mobilität wäre eine Antwort; eine Umstellung auf andere Energiequellen dürfte nicht ohne Energieeffizienz gedacht werden; es dürfte kein Gramm Plastikverpackung mehr produziert werden, stattdessen müssten Verfahren entwickelt werden, um die zehn Milliarden Tonnen Plastikmüll aus der Umwelt zurückzuholen und zu recyceln; Fabrikarbeiter*innen in Bangladesch und anderswo sollten nicht mehr für einen Hungerlohn Billigstwegwerfklamotten für das Ausland nähen müssen, sondern in gut bezahlten Jobs am Aufbau des eigenen Landes mitwirken können; Kleinbauern sollten sich nicht für exportorientierten Anbau verschulden müssen, sondern zur regionalen Nahrungsmittelversorgung beitragen können.
Es gibt unzählige Beispiele für sinnvolle – und nachhaltige – Investitionsbedarfe und somit Möglichkeiten für Geldanlagen, die tatsächlich eine nachhaltige Wirkung erzielen. Und natürlich auch unzählige Beispiele für die dringendst zu beschleunigende Zukunftsausrichtung von Unternehmen, die hierfür Kapital benötigen, das ohne Zweifel gut angelegt sein wird.
Daraus ergibt sich klar die Notwendigkeit für die Geldströme: Ein Investment, das einen zukunftsorientierten Beitrag leistet, zeichnet sich nicht (nur) durch Vermeidung aus, sondern leistet einen positiven Beitrag für den langfristigen Erhalt unserer Lebensgrundlagen und ist damit auch existenziell notwendig für unsere Wirtschaft. Die kurzfristige finanzielle Rendite darf nichts zählen, wenn ihre Langfristfolgen negativ oder nur neutral sind. Ein Investment ohne nachvollziehbaren Beitrag hinsichtlich der 17 UN-Nachhaltigkeitsziele kann nicht nachhaltig sein.