Deutschland redet über Geld. Genauer: über eine Geldkarte. Trade Republic ist mit seiner neuen Geldkarte mindestens ein Marketing-Coup gelungen. Aus einem Neobroker wird eine Vollbank. Es ist der nächste Schritt in der Revolution der Geldanlage in Deutschland. Über Generation hinweg waren Aktien nur etwas für Profis. Dank Trade Republic und Co sind wir alle Wertpapier-Investoren geworden. Kinderleicht übers Handy. Lasst uns die Technologie, die wir fürs Geldverdienen gebaut haben, jetzt auch fürs Geld geben nutzen. Lasst uns Stiftungen, Impact Investing und Co demokratisieren. Damit jede:r wie Bill Gates sein kann.
Warum? Weil wir es dringend brauchen. Das Zeitalter der Polykrisen hat gerade erst begonnen – und der Staat ist am Limit seiner finanziellen Möglichkeiten.
Wir werden die teils epochalen Herausforderungen unserer Gegenwart ohne privates Engagement nicht in den Griff bekommen.
Wie sollen wir die Klimakrise im Zaum halten? Die Demokratie bewahren? Die Folgen des demografischen Wandels bewältigen? Das unerträgliche Leid durch neue oder sich verschärfende Kriege auf dieser Welt lindern? Wir brauchen selbstverständlich weiterhin demokratisch legitimiertes und steuerfinanziertes staatliches Handeln. Aber wir brauchen zusätzlich mehr Freiraum für privates Engagement. In der Breite, aber auch für das Engagement mit Vermögen und mit hohen Einkommen.
Private Vermögen könnten viel mehr bewegen
Es ist doch paradox: Die Bedrohungen kommen näher, das Problembewusstsein wächst. Es findet sich kaum jemand, der mehr privaten Einsatz nicht für nötig hält. Dennoch stagniert das Geben in seinen aktuellen institutionellen Erscheinungsformen. Das Spendenvolumen tritt auf der Stelle. Die Anzahl der Spendenden ist sogar rückläufig, zuletzt sank sie im Vergleich zum Vorjahr um zwei Millionen. Die größeren Privatvermögen in Deutschland wachsen überdurchschnittlich – doch Stiftungsgeld bleibt weit hinter der steilen Entwicklung größerer Vermögen zurück. Wenn sich Privat- und Stiftungsvermögen proportional entwickelt hätten, wären hierzulande mehr als 30 Milliarden Euro mehr in Stiftungen einem guten Zweck gewidmet.
Sind „die Reichen“ weniger großzügig geworden? Glauben sie, bei der Bewältigung der großen Herausforderungen keine Rolle spielen zu müssen? Aus hunderten Gesprächen bin ich sicher: Daran liegt es nicht. Die meisten würden mehr geben. Aber sie sehen zu viele Hürden. Bürokratie, Verwaltungsaufwände, Kosten. Ihnen fehlt im gesellschaftlichen Engagement das Entscheidende: die Möglichkeit zur Disruption, zum Erfolg in Nischen, zur Skalierung. Höchste Zeit, sie ihnen zu bieten.
Wie bringen wir das Geben auf die Höhe der Zeit?
Nach wie vor trennen die meisten Anleger:innen kategorisch zwischen Geldanlage mit Renditeabsicht auf der einen und finanziellen Engagement mit vermeintlichem „Totalverlust” (Spenden) auf der anderen Seite. Zwar wirbt jeder Bankprospekt heutzutage mit nachhaltigen Geldanlagen. Diese sind aber von aktiven Investitionen in Problemlösungen weit entfernt. Impact-Investment-Fonds sind für Kleinanleger:innen kaum verfügbar und erfordern in der Regel hohen finanziellen und juristischen Aufwand. Und institutionelle Vermögensverwalter sind schon durch die Regulierung gezwungen, für ihre Kund:innen weder bei Risiken noch bei Renditen außerhalb enger Rahmen zu denken.
Dabei könnte der Markt des Impact Investing ein Vielfaches seiner aktuellen Summen umfassen und entscheidende Finanzierungslücken etwa für soziale und ökologische Vorhaben schließen. Ein Schlüssel kommt dabei Stiftungen zu.
100 Milliarden Euro auf einen Schlag: Stiftungen flexibel machen
Mehr als jede andere Rechtsform hat die Stiftung es in den letzten Jahrhunderten vermocht, über Krisen und Kriege hinweg Vermögen für die Gesellschaft zu erhalten. Niemand weiß, wie groß die gemeinnützigen Vermögen in Deutschland sind. Allein für die Stiftungen bürgerlichen Rechts werden 100 bis 200 Milliarden Euro angenommen. Aber: Unter uneinheitlichen, aber oft gleich doppelt restriktiven Vorgaben von Finanzamt und Stiftungsaufsicht erwirtschaftete ein guter Teil dieser Vermögen schon im vergangenen Niedrigzins-Jahrzehnt kaum Renditen.
Dabei könnten Stiftungsvermögen durch entsprechende Anlagen ein doppeltes Ziel erreichen. Sie könnten durch das eingesetzte Kapital gute Zwecke erfüllen – und zusätzlich Renditen für die weitere Förderung solcher Vorhaben erzielen.
Wie? Indem wir sie befreien.
Zum Beispiel, indem wir
- im Gemeinützigkeits- und Stiftungsrecht für konventionelle Anlagestrategien Ausschüttungsziele festlegen und für Impact Investments mit höheren Risiken mehr Ausfälle erlauben.
- Oder indem wir das Stiften auf Zeit ermöglichen: Vermögensgegenstände sollten als Sondervermögen in eine Stiftung eingehen, Erträge erzielen und nach zehn Jahren zurückgehen können.
- Oder indem wir den höheren Steuervorteil für Zustiftungen in Ewigkeitsvermögen umdrehen und es stattdessen attraktiver machen, Geld jetzt statt in ferner Zukunft auszuschütten.
- Indem wir Stiftungsvermögen in Verbrauchsvermögen umwandeln, würden Tausende Stiftungen von dem Ziel des Vermögenserhalts befreit und würden ein Vielfaches ihrer aktuellen Erträge für die gute Sache aktivieren.
In Stiftungen und vor der Tür der Stiftungen schlummert ein Sondervermögen von vielleicht 100 Milliarden Euro, das wir für die Gesellschaft (re-)aktivieren könnten
Stiftungen für alle
Zudem gibt es keinen Grund, dass Stiftungen in der Nische einer Finanzelite leben. Hier ist ein erster Schritt bereits getan: So wie Neobroker der breiten Bevölkerung Zugang zum Aktienmarkt verschafft haben, geben wir mit dem Fintech bcause das Instrument der Stiftung allen in die Hand. Ohne unnötige Kosten, transparent und kollaborativ.
Ich wünsche mir mehr solcher zeitgemäßer Angebote und mehr Anreize, mehr Spielraum für das finanzielle Engagement von uns Bürger:innen. Damit wir eines Tages nicht nur begeistert über Geld, sondern auch über das Geben reden.